Minimal-invasive Herzklappentherapie wurde von Kieler Forschergruppe um Prof. Dr. Georg Lutter mitentwickelt
Einem Forscherteam um Prof. Dr. Georg Lutter, Oberarzt der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Kiel, und Professor der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), und seinem amerikanischen Kollegen Prof. Lucian Lozonschi, Universität von Wisconsin (USA), war es im vergangenen Jahr weltweit erstmalig gelungen, eine Katheterherzklappe (sogenannter Klappenstent) bei undichter Mitralklappe ohne den Einsatz der Herz-Lungenmaschine einzusetzen. Nun konnte mit dem innovativen Verfahren ein weiterer Erfolg verbucht werden: Im Oktober und November dieses Jahres wurden drei britische Patienten und ein australischer Patient mit schwerer chronischer Mitralklappeninsuffizienz mit dem in Kiel mitentwickelten Klappenstent versorgt. Damit steht das neue Behandlungsverfahren unmittelbar vor dem Durchbruch bei der weltweiten klinischen Anwendung.
Das neue Katheterverfahren war bisher auf den Ersatz der Hauptschlagaderklappe der Aorta (Aortenklappe) und der Lungenschlagader-Klappe (Pulmonalklappe) begrenzt. Der Klappenersatz mittels Katheter kommt vorrangig dann zum Einsatz, wenn bei einem Patienten aufgrund von schweren Nebenerkrankungen der Einsatz einer Herz-Lungenmaschine medizinisch nicht vertretbar ist. Üblicherweise werden in der Herzchirurgie defekte Herzklappen im Rahmen eines chirurgischen Eingriffs ersetzt oder rekonstruiert, bei denen der Patient mit einer Herz-Lungenmaschine versorgt wird und der Brustkorb ganz oder zu einem Teil geöffnet wird. Seit sechs Jahren können bereits in bestimmten Situationen neue Aortenklappen mittels eines minimal-invasiven Katheterverfahrens eingesetzt werden. Diese Entwicklung stellt einen großen Fortschritt für die Patienten mit einer Aortenstenose und oder Aorteninsuffizienz dar: Da für den Katheterzugang nur ein kleiner Schnitt im Leistenbereich oder im Brustkorbbereich nötig ist, konnte die OP-Zeit deutlich reduziert werden (ca. eine Stunde). Gleichzeitig sinkt die körperliche Belastung des Patienten deutlich.
Auf diese Weise konnten in der Vergangenheit mehr als 500 Hochrisikopatienten am Campus Kiel des UKSH erfolgreich versorgt werden. Das Sterblichkeitsrisiko konnte dabei im Verlauf auf weniger als fünf Prozent gesenkt werden. Zwar sind die Katheterverfahren dem herkömmlichen chirurgischen Eingriff im Ergebnis noch nicht gleichwertig, bieten aber älteren und durch Nebenerkrankungen geschwächten Patienten, die ein hohes Operationsrisiko haben, eine geeignete Alternative.
Im Gegensatz zur Aortenklappe ist die Versorgung der Mitralklappe durch einen Klappenstent deutlich komplexer: „Die große Herausforderung bei der Entwicklung des neuen Katheterverfahren war die Tatsache, dass die Mitralklappe sehr beweglich ist und sich zwischen zwei Herzkammern befindet“, erklärt Prof. Lutter, der die Abteilung für Experimentelle Herzchirurgie und Herzklappenersatz an der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie leitet. „Dort gibt es eine starke Muskelbewegung und eine große Strömung, so dass die neue Mitralklappe, die auch mit dem Herzkatheter über einen kleinen Brustkorbschnitt eingesetzt werden kann, einen guten Halt zur Fixierung in diesem Bereich in Zukunft aufweisen muss.“ Ausgangspunkt war dabei ein Verfahren, dass bereits bei einem Ersatz der Aortenklappe und der Pulmonalklappe verwendet wurde. „Die Katheterklappen werden dabei in eine Schlagader – also mehr oder weniger in ein menschliches, stabiles Rohrgefüge – implantiert“, erklärt Prof. Lutter. „Dieses Rohrgefüge musste allerdings zuvor verkalkt sein, damit die neue Katheterklappe dort auch ihren Halt findet. Durch die Weiterentwicklung von Herzklappenstents können jetzt jedoch auch weniger verkalkte Klappen oder – wie es uns jetzt gelungen ist – sogar Mitralklappen versorgt werden. Bei der Aorten- und Pulmonalklappe verwenden wir diese Verfahren bereits seit 2008 sehr erfolgreich an.“
Die Kieler Forscher um Prof. Lutter arbeiten seit 2007 daran, einen Mitralklappen-Stent mit stabilem Gewebekontakt zu entwickeln und herzustellen. Mit großer Unterstützung des Direktors der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie, Prof. Dr. Jochen Cremer, und der Deutschen Forschungsgemeinschaft gelang es zunächst, experimentell sehr gute Ergebnisse über einen längeren Zeitraum zu erzielen. „Dies war für uns die grundlegende Voraussetzung, einen Klappenstent in die Mitralklappe eines Patienten akut und ohne Einsatz der Herz-Lungenmaschine weltweit erstmalig in Südamerika einzusetzen“, sagt Prof. Lutter. „Die Ergebnisse im Februar und September 2013 waren überzeugend, die zuvor schwer undichte Mitralklappe schließt mittels dieses Herzklappen-Stents vollkommen kompetent“, so der Herzchirurg. In diesem Jahr wurde nun der Durchbruch für das Behandlungsverfahren erzielt: Auf dem Prinzip der von Prof. Lutter entwickelten Mitralklappe konnte unter Mitarbeit der Kieler Arbeitsgruppe ein Mitralklappen-Stent entwickelt werden, der nun erstmalig bei Hochrisikopatienten eingesetzt wurde: Im Oktober und November dieses Jahres wurden in London drei und in Sydney ein Patient mit diesem einzigartigen Klappenstent bei schwerer Mitralklappeninsuffizienz erfolgreich versorgt. „Die beiden ersten Patienten erholten sich sehr gut von der Prozedur und wurden innerhalb von zwei Wochen wieder nach Hause entlassen“, sagt Prof. Lutter. „Ein Patient zeigte dabei neben der Erholung des Herzens eine deutliche Verbesserung seiner Nierenfunktion auf. Die dritte und vierte Operation wurden erst vor wenigen Tagen in London und Sydney erfolgreich durchgeführt.“
Auch für den Campus Kiel planen die Mediziner in absehbarer Zeit, Patienten bei einer Erkrankung der Mitralklappe und einer besonderen Risikosituation bei im Regelfall fortgeschrittenem Alter und zusätzlichen Operationsrisiken mithilfe des neuen Verfahrens zu versorgen. Am Campus Kiel des UKSH werden alle Patienten in enger Abstimmung der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie (Direktor Prof. Dr. Jochen Cremer), der Klinik für Innere Medizin III – Kardiologie und Angiologie (Direktor: Prof. Dr. Norbert Frey) und Kollegen der Anästhesiologie versorgt.
Für Rückfragen steht zur Verfügung:
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel,
Prof. Dr. Georg Lutter, Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie,
Tel.: 0431 597-4449, E-Mail: Georg.Lutter@uksh-kiel.de
Der neuartige Mitralklappenstent aufgenommen per Computertomographie.
Bild in OriginalgrößeDiese Abbildung zeigt den im Herzen eingepflanzten Mitralklappenstent in der Echountersuchung.
Bild in OriginalgrößeProf. Dr. Georg Lutter, Oberarzt der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Kiel
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