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Studie zeigt: Linkshänder lassen sich nicht zu Rechtshändern machen

Donnerstag, 11. Oktober 2007

Linkshänder mussten in Deutschland noch vor wenigen Jahrzehnten das Schreiben mit der "richtigen" rechten Hand erlernen. Von der Erziehungspraxis des Umlernens auf die rechte Hand ist man mittlerweile weitgehend abgekommen und fördert bei Linkshändern den Gebrauch der dominanten linken Hand. Wie sich das Umlernen auf die rechte Hand langfristig auf die Gehirnfunktion auswirkt, ist wissenschaftlich noch recht unklar. Ist das Umlernen für das Gehirn eher schädlich oder förderlich?

Dieser Frage gingen der Kieler Neurologe Professor Hartwig Siebner vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein und Dr. Stefan Klöppel von der Universität Freiburg in einer kürzlich im "Journal of Neuroscience" veröffentlichten Studie nach. Sie konnten erstmals zeigen, dass sich Linkshänder nicht zu Rechtshändern umpolen lassen. Andererseits ließen sich bei der Hirnaktivität keine Nachteile für umgelernte Linkshänder erkennen.

Aus wissenschaftlichen Studien war bereits bekannt, dass echte Rechtshänder für die Bewegungskontrolle eine Dominanz der linken Hemisphäre zeigen, also linkshemisphärische Hirnareale die Bewegungskontrolle bestimmen. Bei echten Linkshändern ist dagegen die rechte Großhirnhälfte für die Bewegungskontrolle besonders wichtig. Ziel der Forschergruppen aus Kiel und Freiburg war es herauszufinden, welche der beiden Gehirnhälften bei umgelernten Linkshändern dominiert.

Um dieser Frage auf die Spur zu kommen, entwickelten die Forscher ein Experiment, das die unterschiedlichen Gehirnaktivitäten von Rechts- und Linkshändern sichtbar machen sollte. Sie bedienten sich dabei der sogenannten funktionellen Kernspintomographie, einer Untersuchungsmethode, die es ermöglicht, dem Gehirn bei der Arbeit zuzusehen. Die Forscher verglichen dabei die Hirnaktivierung von umgelernten Linkshändern mit den Aktivierungsmustern echter Rechts- und Linkshänder, die niemals umgelernt worden waren. Während der Untersuchung im Kernspintomographen mussten die Probanden so schnell wie möglich mit dem rechten, linken oder beiden Zeigefingern eine Taste drücken, sobald ein bestimmtes Symbol präsentiert wurde. Bereits bei diesen sehr einfachen Bewegungen zeigten sich deutliche Unterschiede in der Gehirnaktivierung.

In einem ersten Schritt betrachteten die Forscher die Gehirnareale, die direkt an der Bewegungssteuerung beteiligt sind. Dabei fanden sie eine Verlagerung der neuronalen Aktivität bei den umgeschulten Linkshändern, weg von der bei reinen Linkshändern eigentlich dominanten rechten Hemisphäre, hin zu der linken Hemisphäre. Diese Verlagerung war umso stärker, je erfolgreicher die Linkshänder auf die rechte Hand umgeschult worden waren.

In einem zweiten Schritt untersuchten die Wissenschaftler die Gehirnareale, die an der Planung und Kontrolle von Bewegungen teilnehmen. Diese sind funktionell den zur Bewegungssteuerung verantwortlichen Gehirngebieten übergeordnet. In diesen zeigte sich ein komplett anderes Muster. Die umgelernten Linkshänder zeigten trotz der "Umschulung" eine bevorzugte Aktivierung ihrer rechten dominanten Hirnhälfte, egal ob die Taste mit der rechten, der linken oder mit beiden Händen gedrückt wurde. Diese rechtshemisphärischen Areale waren bei umgeschulten Linkshändern sogar stärker aktiv als bei Linkshändern, die nie umgeschult worden waren.

Die Forscher folgern daraus, dass das Gehirn selbst einfache Handbewegungen zeitlebens mit der dominanten Hirnhälfte vorbereitet. Versuche des Umlernens können zwar in den Ausführungsarealen die Aktivität teilweise in die andere Hemisphäre verlagern, nicht jedoch in höheren Planungs- und Koordinationsarealen. Hier wird durch das Umlernen die Aktivität in der dominanten Hirnhälfte sogar paradoxerweise noch verstärkt.

Die Studie fand im Rahmen von NeuroImage Nord statt, einem von den Medizinischen Fakultäten der Universitätsklinika Schleswig-Holstein und Hamburg-Eppendorf gemeinsam getragen Zentrum für Bildgebung in den klinischen Neurowissenschaften. Gefördert wurde die Arbeit durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Für Rückfragen stehen zur Verfügung:

Prof. Dr. Hartwig R. Siebner (MD)
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, Klinik für Neurologie
Schittenhelmstraße 10, 24105 Kiel
Tel.: 0431 / 597-8807 /-8823
E-Mail: h.siebner@neurologie.uni-kiel.de

Dr. Stefan Klöppel
Universität Freiburg, Neurozentrum/Freiburg Brain Imaging
Breisacher Str. 64, 79106 Freiburg
Tel.: 0761 / 270-5234
E-Mail: stefan.kloeppel@uniklinik-freiburg.de

Verantwortlich für diese Presseinformation

Oliver Grieve, Pressesprecher des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein,
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