Die Lage an den Standorten Kiel und Lübeck ist unverändert ernst. Heute (Stand 01.06.11, 10 Uhr) versorgen die Experten 176 EHEC-Patienten stationär am UKSH, davon 97 Patienten mit gesicherten EHEC-Infektionen und 91 Patienten mit dem lebensbedrohlichen HUS. 40 Patienten erhalten eine Therapie mit dem Medikament Eculizumab, 23 Patienten befinden sich auf den Intensivstationen. Für Entlastung sorgen süddeutsche Universitätsklinika. Selbstlos unterstützt uns hervorragend qualifiziertes Personal. Dafür sind wir sehr dankbar.
Das große Echo in den Medien bei unserem Aufruf zum Blutspenden ist von den Menschen in Schleswig-Holstein gehört worden. Gestern hat sich die Zahl der Spender verdoppelt. Die Blutspendezentren des UKSH in Kiel und Lübeck haben fast 400 Freiwillige zur Blutspende begrüßen können. Für die Versorgung eines HUS-Patienten mit Plasmapheresen sind pro Tag zehn Blutspender erforderlich. Wir sind froh, dass unsere Patienten eine so wichtig Unterstützung von den Menschen im Land erfahren.
Die Patienten des UKSH benötigen dringend Ihr Blut
Campus Kiel
Blutspende im CITTI-Park Kiel, Mühlendamm 1, 24113 Kiel, Tel.: 0431 260 7788
Spendezeiten
Montag: 7 - 11 Uhr
Dienstag: 10 - 16 Uhr
Mittwoch: 10 - 18 Uhr
Donnerstag: 13 - 19 Uhr
Freitag: 13 - 18 Uhr
Samstagstermine einmal im Monat von 8 - 12 Uhr.
Der nächste Termin ist der 4. Juni 2011.
Campus Lübeck
Blutspende am Campus Lübeck, Institut für Transfusionsmedizin, Ratzeburger Allee 160, Haus 31, 23538 Lübeck, Tel.: 0451 500-2847 oder -2848
Spendezeiten
Montag: 7 - 13 Uhr
Dienstag: 13 - 19 Uhr
Mittwoch: 13 - 19 Uhr
Donnerstag: 10 - 16 Uhr
Freitag: 7 - 13 Uhr
Samstagstermine einmal im Monat von 8 - 12 Uhr.
Der nächste Termin ist der 4. Juni 2011.
Interessierte Spender werden gebeten, ihren Personalausweis mitzubringen.
Statements
Prof. Dr. Hendrik Lehnert, Direktor der Medizinischen Klinik I, Campus Lübeck:
Ausmaß der neurologischen Problematik - interdisziplinäres Vorgehen
Zunehmend treten bei an einem HUS (hämolytisch-urämisches Syndrom) erkrankten Patienten neurologische Probleme auf; bundesweit beobachten wir in den großen (norddeutschen) Zentren, dass ca. 50 % aller HUS-Patienten zum Teil sehr schwere neurologische Komplikationen entwickeln, typischerweise scheint dies etwa 3-4 Tage nach Beginn des HUS aufzutreten.
Diese Patienten werden in enger Zusammenarbeit zwischen den Medizinischen und Neurologischen Kliniken (Campus Kiel: Prof. Dr. Deuschl; Campus Lübeck: Prof. Dr. Münte) beobachtet und betreut.
Hierbei lassen sich grob zwei Gruppen von Patienten unterteilen; dies sind einmal Patienten mit vorübergehenden - vergleichsweise milden - neurologischen Symptomen wie leichte Merkfähigkeit / Konzentrationsstörungen, Sehstörungen, diffuse Kopfschmerzen oder Koordinationsstörungen. In einer zweiten Gruppe von Patienten, die zahlenmäßig etwas größer ist, sehen wir schwere kognitive Defizite, Sprachstörungen, epileptische Anfälle, Ataxien und Paresen.
In der bildgebenden Diagnostik (Kernspintomographie, Computertomographie) lassen sich keine relevanten pathologischen Befunde finden, auch die EEG Diagnostik zeigt überwiegend leichte bis mittelschwere allgemeine Veränderungen, nur in einem Fall ein Herdbefund. Epilepsietypische Veränderungen haben wir nicht gesehen.
Grundsätzlich werden Patienten mit einem neurologischen Verlauf nach Beendigung des Plasmaseparations-Kurs auch mit Eculizumab behandelt; zum jetzigen Zeitpunkt ist es zu früh, etwas über das therapeutische Ergebnis oder gar die Prognose zu sagen. Die symptomatische Behandlung neurologischer Symptome erfolgt über die (hoffentlich kausale) Therapie hinaus mit einer sogenannten antikonvulsiven Medikamenten; in Absprache mit der Neurologischen Klinik wird hier Valproinsäure gegeben.
Zur Frage bleibender Schäden können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Aussage machen; unstrittig ist, dass die optimale interdisziplinäre Behandlung Basis für den Therapieerfolg ist.
Prof. Dr. Ulrich Kunzendorf, Direktor der Klinik für Innere Medizin IV mit den Schwerpunkten Nieren- und Hochdruckkrankheiten, Campus Kiel:
Die Behandlung der Patienten mit EHEC-Komplikationen erfordert ein hohes Maß an Expertise und Zusammenarbeit
Nordwestdeutschland ist die Region mit den meisten erkrankten Patienten. Da in der Regel nur 5-10% der Infizierten an den Komplikationen des hämolytisch-urämischen Syndroms erkranken, dürfte die Zahl der Infizierten in die tausende gehen. Auf dem Campus Kiel des UKSH werden gegenwärtig 76 Patienten mit EHEC-Erkrankung behandelt. 47 sind an einem HUS erkrankt. 24 erhalten einen Plasmaaustausch und 23 erhielten den Antikörper Soliris ®.
In einer solchen Endemie zeigt sich die Stärke der gegenwärtigen etablierten medizinischen Versorgung. Wir sind in engem Kontakt mit den Krankenhäusern des Landes und den Niedergelassenen, die uns die Schwerstkranken zuweisen und viele Patienten selbst behandeln. Wir erfahren auch eine besondere Hilfsbereitschaft aus nicht betroffenen Regionen, die z.B. spezialisiertes Pflegepersonal, wie Dialyse- oder Intensivschwestern zur Verfügung stellen.
Besonders gefordert ist die forschende universitäre Medizin. Verschiedene EHEC-Erreger lösen verschiedene Verläufe der Erkrankung aus. Der gegenwärtige Erreger EHEC 0104:H4 ist eine Chimäre eines typischen Darm-Keims und eines uropathogenen, d.h. auf Harnwegsinfekte spezialisierten Keims, der sich durch seine Besonderheit intensiv an die Darmwand anheften kann. Auch ist er gegen eine große Zahl von Antibiotika resistent. Dieser Keim kann lange im Darm verbleiben. Er produziert weniger Shigatoxin 1, das den Durchfall erzeugt, dafür aber mehr Shigatoxin 2, das für den Schaden an den kleinen Gefäßen mit nachfolgendendem Blutkörperchenzerfall und Nierenversagen, das aber auch für die neurologische Symptomatik verantwortlich ist. Diese erst gestern verbreitete Charakterisierung des Keimes durch Herrn Prof. Krönke aus Köln hilft uns sehr bei der Verbesserung der Therapie.
Alle neuen Erkenntnisse werden in regelmäßigen Telefonkonferenzen einer Expertengruppe der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie, der wir auch angehören, diskutiert und bewertet und resultiert in Behandlungsempfehlungen, die sich dem jeweiligen Stand der Erkenntnis anpassen.
Die gegenwärtige Endemie zeigt unmittelbar die Stärke universitärer Medizin und Forschung für die Versorgung der Bevölkerung.
Prof. Dr. Stefan Schreiber, Direktor der Klinik für Innere Medizin I mit den Schwerpunkten Gastroenterologie, Hepatologie, Ernährungs- und Altersmedizin, Campus Kiel:
Patienten mit EHEC-Komplikationen müssen früh identifiziert werden - UKSH startet Großprojekt mit der Biobank popgen
Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind durch die bislang nicht ganz klare Infektionsquelle weit mehr Menschen exponiert worden als wir tatsächlich Erkrankte gesehen haben. Die Spekulation geht dahin, dass wahrscheinlich viele tausend Menschen exponiert wurden. Insgesamt sind jetzt fast 500 Menschen erkrankt. Ein erstaunlich hoher Prozentsatz entwickelt die schwere Komplikation des hämolytisch-urämischen-Syndroms (HUS) und einige Patienten entwickeln dazu sehr schwere pulmonale und neurologische Komplikationen. Es ist wahrscheinlich, dass die klinische Erkrankung, wie auch die Entwicklung der Komplikationen, nicht auf einen Zufall zurückzuführen ist. In jedem Fall ist es nicht Werk des Erregers, da dieser in allen Betroffenen identisch ist.
Die genetische Forschung der letzten Jahre hat klar gezeigt, dass die Empfänglichkeit von Menschen für Krankheiten in vielen Fällen durch vererbte Faktoren festgelegt ist. Durch Nutzung moderner Technologien, zu denen die größte universitäre „Next Generation Sequencing“-Plattform gehört, konnten hier in Schleswig-Holstein in den letzten Jahren etliche komplexe Erkrankungen hinsichtlich ihrer genetischen Ursachen aufgeklärt werden. Die Biobank POPGEN, die derzeit mehr als 70.000 Bewohner Schleswig-Holsteins in Langzeitprogrammen beobachtet und für die Untersuchungen die entsprechenden DNA-Proben zur Verfügung gestellt hat, war für diese Erfolge eine wichtige Hilfe. Nur hier ist die Voraussetzung gegeben, jetzt sofort unter den entsprechenden datenschutzrechtlichen Bedingungen mit Untersuchungen zu starten.
Wir werden nun die gesamten molekulargenetischen Ressourcen, die in den letzten Jahren aufgebaut wurden, einsetzen, um die genetische Empfänglichkeit für die EHEC-Infektion und ihre Komplikationen aufzuklären. Dazu wird POPGEN die DNA-Proben der betroffenen Patienten erbitten und mit der schleswig-holsteinischen Normalbevölkerung vergleichen. Durch diesen massiven Einsatz von Technologien werden wir für die Patienten der Zukunft nicht nur die Ursachen eines katastrophalen Krankheitsverlaufs aufklären, sondern auch eine Vorhersage ermöglichen, wer mit hoher Wahrscheinlichkeit Komplikationen entwickelt und daher bereits frühzeitig behandelt werden muss. In enger Zusammenarbeit mit Herrn Prof. Solbach aus dem UKSH Campus Lübeck, der die molekularen Informationen zu den Bakterien bereitstellt, wird daher die schleswig-holsteinische Bevölkerung für die Zukunft gerüstet sein.
Prof. Dr. Jürgen Steinhoff, stellv. Direktor der Medizinischen Klinik I und Bereichsleiter Nephrologie, Campus Lübeck:
Möglicher therapeutischer Nutzen der Antikörpertherapie beim EHEC-induzierten hämolytisch- urämischen Syndrom (HUS)
Das durch das Shigatoxin ausgelöste typische, durchfallbedingte hämolytisch-urämische Syndrom, HUS (D+) bei EHEC-Infektionen ist ein äußert schwierig zu behandelnder Erkrankungskomplex. Im Mittelpunkt steht das Nierenversagen, aber auch gravierende neurologische Störungen sind häufig. Einen international anerkannten, definierten Therapiestandard gibt es nicht. Allgemein empfohlen, wenn auch nicht durch Studien gesichert, wird die Plasmaaustauschtherapie (Plasmapherese).
Aus der experimentellen Forschung ist bekannt, dass das atypische, nicht durchfallbedingte HUS(D-), durch genetische Defekte im Komplementsystem des Menschen, z.B. bei Einnahme bestimmter Medikamente, ausgelöst bzw. begünstigt werden kann. Vom pathophysiologischen Ansatz macht es zumindest theoretisch Sinn, eine teilweise Blockade des Komplementsystems für therapeutische Ansätze zu nutzen. So konnte kürzlich gezeigt werden, dass bei 3 Kindern mit einem HUS(D+) der Einsatz des Antikörpers gegen den Komplementfaktor C5 (Eculizumab) den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen konnte. Aufgrund der fehlenden gesicherten Therapieansätze beim HUS haben sich die norddeutschen Nephrologen, unter anderem am UKSH in Kiel und Lübeck, aber auch am UKE Hamburg und MH Hannover, entschlossen, Eculizumab als zusätzliche Therapieoption zu versuchen.
Zu dem jetzigen Zeitpunkt ist es nicht möglich abzuschätzen, ob der Einsatz des Antikörpers Eculizumab für den Krankheitsverlauf von Vorteil ist. Dies werden wir erst in den nächsten Wochen wirklich beurteilen können.
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