Die akute lymphoblastische Leukämie (ALL) ist die mit Abstand häufigste Krebserkrankung bei Kindern. Die unkontrollierte Vermehrung unreifer weißer Blutkörperchen führt zur Verdrängung des normalen blutbildenden Gewebes im Knochenmark. Die ALL lässt sich anhand genetischer Merkmale in verschiedene Formen - so genannte Subgruppen - unterteilen, was auch für die Art der Therapie entscheidend ist. Die häufigste Subgruppe (ca. 25%) ist durch ein fehlerhaftes Zusammenlagern der Gene ETV6 und RUNX1 in den Leukämiezellen gekennzeichnet.
Wissenschaftlern des Instituts für Klinische Molekularbiologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Klinik für Allgemeine Pädiatrie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, ist es gelungen, neue Risikogene im Erbgut für kindliche Leukämie zu identifizieren. Die Forscher haben im Rahmen einer genomweiten Assoziationsstudie das Erbgut von 419 Patienten mit der häufigsten ALL-Subgruppe an über 350.000 Stellen mit dem Erbgut von 474 gesunden Kontrollpersonen verglichen. Die am stärksten mit dem Leukämierisiko verbundenen Orte im Erbgut wurden dann in weiteren 951 Leukämiefällen und 3061 Kontrollen - bestehend aus zwei unabhängigen Gruppen aus Deutschland, Österreich und Italien - im Rahmen einer Validierungsstudie untersucht. Dabei erkannten die Wissenschaftler mit dem Tumorsuppressorgen TP63 auf Chromosom 3 einen neuen Risikoort für Leukämie im Erbgut. „Das TP63 Gen ist ein äußerst interessantes Kandidatengen, zumal es aus der gleichen Familie stammt wie das vor Tumoren schützende Gen p53. Dieser Befund wird uns helfen, die Ursachen dieser schweren Erkrankung weiter aufzuklären“, sagt Prof. Dr. Martin Stanulla, Oberarzt an der Klinik für Allgemeine Pädiatrie.
In zusätzlichen Analysen konnten weitere, jedoch weniger stark mit dem Leukämierisiko verbundene Genorte ausgemacht werden. Die Ergebnisse zeigen erstmalig, dass es neben den seit etwa zwei Jahren bekannten, allgemeinen genetischen Risikoorten im Erbgut für die ALL, auch für ALL-Subgruppen spezifische Risikogene gibt. „Die entdeckten Risikogene allein führen nicht zum Leukämieausbruch, es handelt sich aber um ein neues Puzzlestück zur Ursache von Leukämie bei Kindern und im Hinblick auf die Frage, wie Umwelteinflüsse im Zusammenwirken mit weiteren genetischen Faktoren das Leukämierisiko bei Kindern erhöhen“, betonen Eva Ellinghaus und Prof. Dr. Andre Franke, Genetiker am Institut für Klinische Molekularbiologie. Zu dieser Fragestellung wird derzeit in Deutschland ein umfangreiches Forschungsprogramm geplant und auch auf internationaler Ebene wird die Forschung dazu intensiviert.
Die Ergebnisse der Studien wurden in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift Leukemia veröffentlicht unter http://www.nature.com/doifinder/10.1038/leu.2011.302
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