Mit zunehmendem Alter verändert sich die Stoffwechselaktivität der Darmbakterien – zu Ungunsten des Wirts, wie ein Forschungsteam aus Kiel und Jena herausfand.
Stoffwechselaktivität des Mikrobioms ist im Alter deutlich reduziert, wie die Auswertung tierexperimenteller Daten und Computermodelle zeigt
Bakterien produzieren weniger lebenswichtige Substanzen, die der Körper benötigt. Das kann zur Alterung beitragen
Das wiederholte und lebenslange Übertragen von „jungem“ Mikrobiom hält Alterungsprozesse bei Mäusen auf, so das Ergebnis einer weiteren Studie aus Kiel
Der Darm beherbergt ein komplexes Ökosystem aus Mikroorganismen. Dieses sogenannte Darmmikrobiom spielt eine wichtige Rolle für Gesundheit, Krankheit und auch fürs Altern. Verschiedene Studien legen nahe, dass das Mikrobiom „altert“ und Alterungsprozesse des Wirts vorantreibt. Unklar war bislang, über welche Mechanismen das Mikrobiom die Alterung im Wirt steuert. Dieser Frage ging ein Forschungsteam unter Leitung von Professor Christoph Kaleta, Medizinische Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und Exzellenzcluster „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI), und Dr. Christiane Frahm vom Universitätsklinikum Jena (UKJ) nach. Während Kiel seine Expertise in der metabolischen Modellierung einbrachte, stellte Jena zentrale experimentelle Daten für die Analysen bereit. Diese Arbeiten erfolgten im Rahmen des von Jena koordinierten Marie Sklodowska-Curie Innovative Training Network SmartAge (ITN) unter Horizon 2020.
In der Studie konnten die Forschenden zeigen, dass es während der Alterung zu einer starken Reduzierung der Stoffwechselaktivität des Mikrobioms kommt. „Diese Veränderungen spiegeln sich direkt in den Stoffwechselprozessen des Wirtes wider“, betont Kaleta, der die Arbeitsgruppe Medizinische Systembiologie leitet und auch in den Sonderforschungsbereich (SFB 1182) „Entstehen und Funktionieren von Metaorganismen“ eingebunden ist. Die Ergebnisse wurden kürzlich im Fachmagazin Nature Microbiology veröffentlicht. Ein zentrales Ziel der weiteren Forschung ist es, Wege zu finden, diese altersbezogenen Veränderungen im Mikrobiom wieder umzukehren, etwa durch spezielle Nahrungszusätze. In einer im Fachmagazin Microbiome veröffentlichten weiteren Studie des Exzellenzcluster PMI gelang es im Tiermodell, durch eine wiederholte mikrobielle Verjüngungskur Alterungsprozesse zu verlangsamen.
Computermodelle dienen als Abbild für Stoffwechsel von Darmbakterien
Schon länger ist bekannt, dass sich das Mikrobiom mit dem Altern verändert und an altersbedingten Prozessen beteiligt ist. „Studien zeigen, dass die Übertragung des Mikrobioms älterer Tiere auf jüngere Tiere Entzündungsprozesse verstärken kann, während umgekehrt die Transplantation eines jungen Mikrobioms bei älteren Tieren verjüngende Effekte zeigte – ein Phänomen, das in verschiedenen Spezies beobachtet wurde“, sagt Frahm, die am UKJ die Arbeitsgruppe Darm-Hirn Interaktion und Alterung leitet.
„Um das besser zu verstehen, haben wir Computermodelle des Stoffwechsels von Wirt und Mikrobiom erstellt“, erklärt Kaleta. Hierfür wurden molekularbiologische Daten von Darm-, Hirn-, Lebergewebe und Stuhlproben von Mäusen unterschiedlicher Altersgruppen verwendet. Mit den Daten der Gewebe- und Stuhlanalysen wurde für jede Maus ein eigenes Computermodell erstellt, dass die Organe des Wirts und das Mikrobiom repräsentiert. Und damit lässt sich untersuchen, welche Moleküle zwischen dem Wirt und dem Mikrobiom ausgetauscht werden. „Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass der Wirt das Mikrobiom häufig als eine Art Recycler verwendet“, so Kaleta weiter. So stellt der Wirt dem Mikrobiom Stoffwechselendprodukte zur Verfügung, aus denen wiederum Substanzen hergestellt werden, die für den Wirt essenziell sind. Dies ermöglicht eine effizientere Nutzung von Ressourcen, die im Alter jedoch nachlässt.
Altersbedingter Rückgang der mikrobiellen Stoffwechselaktivität
Ein zentrales Ergebnis der Studie war, dass die Stoffwechselaktivität des Mikrobioms mit zunehmendem Alter erheblich abnimmt. „Die einzelnen Bakterienspezies arbeiten nicht mehr so effizient zusammen und konkurrieren verstärkt um Nährstoffe“, erklärt Erstautorin Lena Best. Dies hat direkte Auswirkungen auf den Wirt, da viele essenzielle Zellfunktionen – darunter die Stabilisierung der Darmbarriere sowie Reparatur- und Umbauprozesse – vom Mikrobiom abhängen.
Stuhltransfer: Mikrobiom junger Mäuse verlangsamt das Altern
Dass es tatsächlich möglich ist, Alterungsprozesse im Wirt und auch im Mikrobiom zurückzudrängen, hat eine andere Studie des Exzellenzclusters unter Leitung von Professor Philip Rosenstiel an Mäusen ergeben. „Dazu gibt es zwar schon vereinzelt Hinweise aus früheren Studien, aber wir haben erstmals über die gesamte Lebensdauer einer Maus versucht, das Mikrobiom zu verjüngen“, erklärt Rosenstiel, Vorstandsmitglied im Exzellenzcluster PMI und Direktor des Instituts für Klinische Molekularbiologie (IKMB) der Medizinischen Fakultät der CAU und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel. Dazu wurden den Tieren über zwei Jahre lang alle acht Wochen Stuhl von jungen Mäusen übertragen, während die Tiere in der Kontrollgruppe das Mikrobiom von gleichalten Mäusen per Stuhltransfer erhielten. „Wir konnten dadurch auch tatsächlich einige Altersanzeichen reduzieren“, betont Erstautor PD Dr. Felix Sommer, Leiter der Arbeitsgruppe Funktionelle Wirt-Mikrobiom Forschung am IKMB. „Die Bewegungskoordination verbesserte sich und die Darmbarriere blieb erhalten.“ Weitergehende Analysen ergaben zudem, dass im jungen Mikrobiom weniger entzündungsfördernde Faktoren zu finden waren. Beim Wirt, also der Maus, gingen typische Zeichen für das sogenannte Entzündungsaltern (Inflamm-aging) zurück. Das Entzündungsaltern, eine leichte, andauernde Entzündung im Gewebe, gilt als ein biologisches Merkmal des Alterungsprozesses und spielt bei verschiedenen Erkrankungen eine Rolle.
Neue Perspektiven für mikrobiombasierte Therapien
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass das Mikrobiom eine Schlüsselrolle für altersbedingte Veränderungen im Wirt spielt. Sie eröffnen zudem neue Ansätze für therapeutische Interventionen. „Wir untersuchen nun, wie wir die altersbedingten Veränderungen im Mikrobiom gezielt umkehren können“, erklärt Kaleta. Erste Studien mit bestimmten Nahrungszusätzen zeigen bei einfachen Modellorganismen, dass eine gezielte Beeinflussung des Mikrobioms tatsächlich möglich sein kann. Dies stellt einen wichtigen Schritt hin zu der Entwicklung mikrobiombasierter Therapien gegen die Alterung dar.
Fotos stehen zum Download bereit

Professor Christoph Kaleta, Mitglied im Exzellenzcluster „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI), dem Sonderforschungsbereich „Entstehen und Funktionieren von Metaorganismen“ und Leiter der Arbeitsgruppe Medizinische Systembiologie am Institut für Experimentelle Medizin von CAU und UKSH
© Sascha Klahn

Professor Philip Rosenstiel, Direktor am Institut für Klinische Molekularbiologie, CAU und UKSH, und Vorstandsmitglied im Exzellenzcluster „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI).
© Tebke Böschen/Uni Kiel
Kontakt
Prof. Dr. Christoph Kaleta
Medizinische Fakultät, CAU
Institut für Experimentelle Medizin, CAU Kiel, UKSH
Tel.: 0431/500-30340
c.kaleta@iem.uni-kiel.de
Dr. Christiane Frahm
Department of Neurology
Jena University Hospital
Tel.: 03641/9325909
christiane.frahm@med.uni-jena.de
Prof. Dr. Philip Rosenstiel
Medizinische Fakultät, CAU
Institut für Klinische Molekularbiologie, CAU Kiel, UKSH
Tel.: 0431/500-15105
p.rosenstiel@mucosa.d
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Originalarbeiten
Lena Best et al.: Metabolic modeling reveals the aging-associated decline of host-microbiome metabolic interactions in mice. Nat Microbiol. 10, 973–991 (2025). https://doi.org/10.1038/s41564-025-01959-z
Felix Sommer, Joana P. Bernardes et al.: Life-long microbiome rejuvenation improves intestinal 1 barrier function and inflammaging in mice. Microbiome 13, 91 (2025). https://doi.org/10.1186/s40168-025-02089-8
Der Exzellenzcluster „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen/Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) wird von 2019 bis 2025 durch die Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert (ExStra). Er folgt auf den Cluster Entzündungsforschung „Inflammation at Interfaces“, der bereits in zwei Förderperioden der Exzellenzinitiative (2007-2018) erfolgreich war. An dem neuen Verbund sind rund 300 Mitglieder in acht Trägereinrichtungen an vier Standorten beteiligt: Kiel (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Muthesius Kunsthochschule, Institut für Weltwirtschaft und Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik), Lübeck (Universität zu Lübeck, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein), Plön (Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie) und Borstel (Forschungszentrum Borstel - Leibniz Lungenzentrum).
Ziel ist es, die vielfältigen Forschungsansätze zu chronisch entzündlichen Erkrankungen von Barriereorganen in ihrer Interdisziplinarität verstärkt in die Krankenversorgung zu übertragen und die Erfüllung bisher unbefriedigter Bedürfnisse von Erkrankten voranzutreiben. Drei Punkte sind im Zusammenhang mit einer erfolgreichen Behandlung wichtig und stehen daher im Zentrum der Forschung von PMI: die Früherkennung von chronisch entzündlichen Krankheiten, die Vorhersage von Krankheitsverlauf und Komplikationen und die Vorhersage des individuellen Therapieansprechens.
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