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UKSH stellt neue internationale Leitlinien zur Wiederbelebung vor

Freitag, 16. Oktober 2015

Mehr Erfolg durch deutliche Zunahme der Laienreanimation

Im Rahmen einer notfallmedizinischen Fortbildung mit mehr als 400 Teilnehmern hat das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein am Campus Kiel jetzt gemeinsam mit dem Deutschen Rat für Wiederbelebung (GRC) die neuen internationalen Leitlinien zur Wiederbelebung präsentiert. Die Reanimationsguidelines 2015 wurden vom European Resuscitation Council (ERC) erstellt. Die vom Institut für Rettungs- und Notfallmedizin des UKSH organisierte Veranstaltung in Kiel war die einzige dieser Art in ganz Norddeutschland. Insgesamt wurden die neuen Leitlinien zeitgleich an 15 weiteren Klinikstandorten in Deutschland und Österreich vorgestellt.

„Der entscheidende Weg zu größerem Erfolg und zu mehr Überleben führt über mehr ausgebildete Ersthelfer, intelligente Alarmierungssysteme und eine deutliche Zunahme der Laienreanimation“, erklärt Privatdozent Dr. Jan-Thorsten Gräsner, Direktor des Instituts für Rettungs- und Notfallmedizin am UKSH. Großer Wert wird auf die Telefonreanimation, also die Möglichkeiten des Leitstellendisponenten für Diagnose und Ersthelferreanimation, gelegt. Ein besonderes Projekt ist auch die Schülerausbildung, für die der GRC ein eigenes Konzept erstellt hat (www.grc-org.de/leitlinien).

In Deutschland sind der plötzliche Herztod und der Kreislaufstillstand Ursache für mehr als 100.000 unerwartete Todesfälle pro Jahr verantwortlich. Es handelt sich somit um die dritthäufigste Todesursache, nach bösartigen Neuerkrankungen und Herzkreislauferkrankungen anderer Genese. „Ein Zustand, der deutlich verbessert werden könnte“, so Dr. Gräsner. Mit den neuen Empfehlungen setzen die Experten verstärkt auf „Handarbeit“. Eine manuelle Reanimation ist nach neuesten Erkenntnissen mindestens genauso effektiv wie die Verwendung mechanischer Reanimationshilfen. In einigen Studien fand sich sogar ein schlechteres neurologisches Ergebnis bei Verwendung mechanischer Systeme. Der Einsatz von Reanimationshilfen führe unvermeidlich zu einer gewissen Unterbrechung der Thoraxkompressionen, die so kurz wie möglich sein müssten. Die neuen Leitlinien empfehlen daher den Einsatz solcher Geräte in besonderen Situationen, wie bei Reanimationen während eines Transportes, bei sehr langer Reanimationsdauer und natürlich im Herzkatheterlabor.

Zur Reanimation bei Kreislaufstillstand empfehlen die Experten eine Drucktiefe von fünf und nicht mehr als sechs Zentimeter. Die Frequenz soll bei 100 bis 120 pro Minute liegen. „Pausen von über zehn Sekunden führen zu einer Verschlechterung der Prognose des Patienten und müssen daher vermieden werden“, erklärt Prof. Dr. Norbert Frey, Direktor Klinik für Innere Medizin III des UKSH, Campus Kiel. Adrenalin wird weiterhin empfohlen. Experten sollen eine Intubation vornehmen – wenn möglich, ohne dabei die Herzdruckmassage zu unterbrechen. Innerklinisch sollten Notfallteams etabliert werden, die bei definierten Zuständen alarmiert werden und so einen Kreislaufstillstand verhindern können. Mögliche reversible Ursachen eines Kreislaufstilstandes müssen immer mit bedacht werden.

Nach einem Kreislaufstillstand sind die Überlebenschancen höher, wenn die Patienten – im Einzelfall sogar unter laufender Reanimation – in spezielle Zentren (sogenannte Cardiac Arrest Center), die eine höhere Fallzahl aufweisen und eine Möglichkeit zur akuten Koronarintervention haben, eingeliefert werden. Mehr als jeder zweite Kreislaufstillstand ist die Folge eines Herzinfarkts. Werden die für den Infarkt verantwortlichen Koronarien (Herzkranzgefäße) innerhalb von maximal zwei Stunden wiedereröffnet, verbessert dies deutlich die Prognose. Die neuen Leitlinien enthalten auch eine Empfehlung für das Temperaturmanagement: Nach Kreislaufstillstand bewusstlose Patienten sollen unabhängig vom initialen Herzrhythmus für mindestens 24 Stunden auf eine konstante Zieltemperatur zwischen 32 und 36 Grad Celsius gekühlt werden. Fieber müsse ebenso wie eine Hyperoxie (Erhöhung des Sauerstoffpartialdrucks der Atemluft) in jedem Fall für 72 Stunden vermieden werden. Eine Prognostizierung erscheint, so die neuen Handlungsempfehlungen, frühestens nach 72 Stunden sinnvoll.

Leitstellendisponenten sollen Laien am Notruftelefon in Herzdruckmassage instruieren. „Dies ist extrem effektiv – man muss es siebenmal machen, um ein Leben zusätzlich zu retten!“, erklärt Dr. Hartwig Marung, Oberarzt im Institut für Rettungs- und Notfallmedizin des UKSH. In Deutschland wird die Telefonreanimation von immer mehr Leitstellen durchgeführt. In Bayern ist sie bereits landesweit verpflichtend. Auch intelligente Gesamtsysteme, in denen Ersthelfer in der Nähe per Smartphone gleichzeitig mit dem Rettungsdienst alarmiert werden, können Vorteile bringen. Das Institut für Rettungs- und Notfallmedizin führt speziell zu diesem Thema eine separate Fachfortbildung durch.

In 50 bis 70 Prozent der Fälle beobachten Laien einen Kreislaufstillstand und sind Zeugen, denn meist passieren Kreislaufstillstände zu Hause. „Nach drei bis fünf Minuten fängt das Gehirn an zu sterben“, so Dr. Jan Wnent, stellv. Direktor des Instituts für Rettungs- und Notfallmedizin des UKSH in Kiel. Der Notarzt trifft meist aber erst nach acht bis zwölf Minuten ein. Der sofortige Beginn der Reanimation durch Laien kann daher entscheidend helfen. Bei Erwachsenen reichen in den ersten Minuten alleinige Thoraxkompressionen meist völlig aus. Laien sollten verstärkt in Wiederbelebung ausgebildet werden, so die Empfehlungen der neuen Leitlinie. Dazu gehören die Herzdruckmassage und die Beatmung im Verhältnis 30:2.

„Gemeinsam 10.000 Leben zusätzlich pro Jahr in Deutschland retten“, so lautet das interdisziplinär und interprofessionell formulierte Ziel, das durch die Umsetzung der Empfehlungen der neuen Leitlinien erreicht werden kann. Diese so genannten „Bad Boller Thesen“ wurden maßgeblich unter Beteiligung des UKSH im vergangenen Jahr entwickelt.

Weitere Informationen zu der Veranstaltung stehen unter www.grc-org.de zur Verfügung.

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