UKSH und Uni Lübeck mit vier Bereichen an den Europäischen Referenznetzwerken (ERN) beteiligt
Anfang März hat die Europäische Union den Startschuss für 24 verschiedene Europäische Referenznetzwerke für Seltene Erkrankungen (ERN) gegeben. Damit wurden mehr als 300 überwiegend universitäre Krankenhäuser anerkannt, die die mehr als 8.000 selteneren Erkrankungen europaweit diagnostizieren und behandeln sollen. Dieses ERN-Modell ist einzigartig: Erstmals wurde im Gesundheitswesen eine freiwillige Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsdienstleistern der gesamten EU institutionalisiert, die unmittelbar den Patienten zugutekommt. Denn seltene Krankheiten und komplexe Gesundheitsprobleme bringen es mit sich, dass entsprechendes Fachwissen nur spärlich vorhanden und weit verstreut ist und oftmals für den Patienten nicht in der Region oder dem Land verfügbar ist, in dem er lebt.
Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) und die Universität zu Lübeck sind mit ihren Experten an vier der Netzwerke beteiligt: Prof. Dr. Gabriele Gillessen-Kaesbach, Direktorin des Instituts für Humangenetik, ERN-ITHACA (seltene genetische Syndrome), Prof. Dr. Olaf Hiort, Leiter des Hormonzentrums für Kinder- und Jugendliche, Endo-ERN (seltene Hormonerkrankungen), Prof. Dr. Alexander Münchau, Sprecher des Zentrums für Seltene Erkrankungen, ERN-RND (seltene neurologische Erkrankungen) und Prof. Dr. Christian Sadik, Leiter des Forschungsverbunds KFO 303 Pemphigoid Diseases, und Prof. Dr. Dr. Enno Schmidt, Direktor des Instituts für Experimentelle Dermatologie, ERN-Skin (seltene Hauterkrankungen).
Schätzungsweise 30 Millionen Menschen in der Europäischen Union leiden bereits an einer seltenen Krankheit oder werden künftig daran leiden. Viele dieser seltenen Krankheiten verursachen chronische Schmerzen und Leiden, einige von ihnen können lebensbedrohlich sein. Unter den Betroffenen sind auch viele Kinder.
Prof. Dr. Hiort – er hat das ERN für Seltene Hormonstörungen mit gegründet und ist der pädiatrische Leiter von Endo-ERN – sagt: „Im Endo-ERN sind 71 Krankenhäuser aus 19 Ländern miteinander verbunden, es ist damit das größte ERN mit einem Angebot, Menschen aller Altersklassen umfassend zu betreuen. Schon jetzt zeigt sich, dass sich die Zusammenarbeit zwischen Erwachsenen- und Kindermedizin gerade bei den angeborenen seltenen Erkrankungen aus unserem Gebiet deutlich verbessert. Das UKSH hat hier mit dem Hormonzentrum Nord eine Führungsposition eingenommen. Im Endo-ERN werden seltene Erkrankungen der Schilddrüse, der Nebennieren, der Hirnanhangdrüse, der Geschlechtsentwicklung und Pubertät, des Wachstums, des Mineralstoffwechsels, sowie genetisch bedingter Tumorerkrankungen endokriner Organe behandelt. Wir erhoffen uns durch die Beteiligung von Patientengruppen auch die Ausweitung von klinischen Studien, um die universitäre Medizin in der Endokrinologie deutlich voranzubringen“.
Prof. Dr. Gillessen-Kaesbach – Expertin für seltene genetische Beeinträchtigungen – sagt: „In dem ERN für seltene Fehlbildungssyndrome und Syndrome mit Intelligenzminderung, das von den Kollegen in Manchester koordiniert wird, soll ein Patienten-Netzwerk entstehen, das auf die Fragen und Bedürfnisse der Patienten und Familien mit Fehlbildungssyndromen und Intelligenzminderung eingeht. Es werden Leitlinien für die Diagnostik, das Management und die Therapie erarbeitet. Es soll eine Infrastruktur für die Diagnosestellung, Evidenz basiertes Management sowie die Sammlung sicherer Patientendaten geschaffen werden. In ITHACA sollen folgende eingeschlossen werden: a) Patienten mit seltenen Fehlbildungssyndromen, b) Patienten mit seltenen Chromosomenstörungen, c) Patienten mit seltenen Syndromen mit Intelligenzminderung“.
Europaweit leiden mehr als 500.000 Menschen an einer seltenen neurologischen Erkrankung, 60 Prozent von ihnen ohne Diagnose. „Aufbauend auf langjähriger Erfahrung existierender Europäischer Expertenzentren und -netzwerke für seltene neurologische Erkrankungen sowie bereits bestehender Infrastruktur zu seltenen Erkrankungen (Orphanet, EURORDIS and RD-Connect) soll in dem ins Leben gerufenen Europäischen Referenznetzwerk für Seltene Neurologische Erkrankungen Patienten zentriert Wissenstransfer realisiert und fortlaufend verbessert werden. Dabei soll länderübergreifend eine Infrastruktur für Patienten mit seltenen definierten oder bisher unklaren neurologischen Erkrankungen zur Verbesserung der Diagnose und evidenzbasierten Behandlung aufgebaut werden. Das Netzwerk wird Leitlinien zur Behandlung und Betreuung von Patienten mit seltenen neurologischen Erkrankungen und zur Ausbildung unterschiedlicher Berufsgruppen entwickeln, verbreiten, umsetzten und schließlich auch supervidieren. Ein weiteres Kernziel des ERN ist die Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die klinische Praxis“, sagt Prof. Dr. Alexander Münchau.
„Das ERN-Skin umfasst 56 Expertenzentren aus 18 verschiedenen Ländern der EU. Eine von 12 thematischen Gruppen der ERN-Skin beschäftigt sich mit bullösen Autoimmundermatosen, Pemphigus und Pemphigoid Erkrankungen. Neben der Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie des UKSH, Campus Lübeck, sind 15 weitere Expertenzentren aus 10 Ländern im Themenblock bullöse Autoimmundermatosen vertreten. Diese Erkrankungen sind klinische und wissenschaftliche Schwerpunkte der hiesigen Hautklinik und Basis für das Graduiertenkolleg 1727 Modulation of Autoimmunity und die Klinische Forschergruppe (KFO) 303 Pemphigoid Diseases“, sagen Prof. Dr. Dr. Enno Schmidt und Prof. Dr. Christian Sadik.
Die beteiligten Einrichtungen des UKSH wurden von einer unabhängigen Agentur beurteilt und ausgezeichnet. Die Referenznetzwerke sollen zukünftig ihre Versorgung europaweit anbieten und vor allem auch in der Forschung und Weiterentwicklung von Behandlungsmöglichkeiten kooperieren.