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UKSH-Mediziner begrüßen aktuelles Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Intersexualität

Dienstag, 14. November 2017

Die aktuelle Gesetzesinitiative des Bundeverfassungsgerichtes zur Wahrung der Rechte von Intersexuellen wird von Experten des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) für Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklungen (englisch: Differences of Sex Development =DSD) ausdrücklich begrüßt. Das UKSH mit seinem Hormonzentrum Nord ist anerkanntes und zertifiziertes Europäisches Referenzzentrum zur Betreuung von Menschen mit DSD. Am UKSH werden Kinder und Erwachsene mit Varianten der Geschlechtsentwicklung seit Jahrzehnten medizinisch und psychologisch betreut, die beiden Universitäten in Lübeck und Kiel haben zahlreiche, z.T. gemeinsame Forschungsvorhaben zu diesem Thema durchgeführt.

Der Begriff der Intersexualität ist umstritten, weil er auch diskriminierend empfunden werden kann und stark auf sexuelle Aspekte fokussiert. Er wird daher in der Medizin nicht verwendet. Der Begriff ist auch missverständlich, da er sowohl gesunde Menschen als auch solche mit relevanten Gesundheitsproblemen umfasst. Daher hat die Medizin in einer deutschen Leitlinie den Überbegriff der Varianten der Geschlechtsentwicklung gewählt.

Seit November 2013 besteht die Möglichkeit, den Geschlechtseintrag offen zu lassen. Die meisten erwachsenen Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung ordnen sich selbst jedoch als Mann oder Frau ein, eben mit gewissen Besonderheiten. Einige erleben sich selbst als zwischen den Geschlechtern, da sie biologische Merkmale und psychologische Eigenschaften beider Geschlechter aufweisen. Sie weisen zu Recht darauf hin, dass Geschlechtseigenschaften in der Natur in einem kontinuierlichen Spektrum angeordnet sind. Deshalb sind Menschen, die sich nicht eindeutig einer Seite des Spektrums zuordnen können, nicht weniger natürlich als andere. Die Gesetzesinitiative zur Einführung eines sogenannten „dritten Geschlechts“ trägt diesem Fakt Rechnung.

Die Gerichtsentscheidung befördert den gesellschaftlichen Diskurs um die Problematik der Geschlechtszuweisung und zur Akzeptanz von Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung. Betroffene fürchten häufig gesellschaftliche Diskriminierung und Unverständnis. Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung müssen von Personen mit Transgender (früher Transsexualität) abgegrenzt werden, bei denen biologisch eindeutig männliche oder weibliche Anlagen bestehen, die Identität aber dem anderen Geschlecht entspricht.

Kinder und Erwachsene mit Varianten der Geschlechtsentwicklung werden am UKSH von einem international anerkannten interdisziplinären Team betreut, das Ursachen und Zusammenhänge mit genetischen und hormonellen Besonderheiten aufdeckt und Kinder, erwachsene Betroffene und ihre Familien langfristig versorgt. Der psychologischen Bewältigung dieser Situation, die mit immenser Verunsicherung einhergeht, kommt besondere Aufmerksamkeit zu. Das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen, der Kinder ebenso wie der Erwachsenen, und das Recht auf bestmögliche Behandlung werden in jedem Einzelfall geachtet und behutsam abgewogen. Operative Maßnahmen betroffener Kinder sind dabei kein Weg, um das Kind vor Ausgrenzung und psychischen Verletzungen zu schützen. Wenn vor chirurgischen Eingriffen das Selbstbestimmungsrecht und das Recht auf bestmögliche Behandlung schwer abzuwägen sind, muss der Aufklärungsprozess besonders sorgfältig sein und sollte eine umfängliche Beratung, auch durch andere Betroffene einschließen (sog. Peerberatung). Alle diese Möglichkeiten sind am UKSH beispielhaft gegeben. Das interdisziplinäre Team umfasst Expertinnen/ Experten aus den Bereichen (Kinder-) Endokrinologie, Kinderchirurgie, Urologie, Frauenheilkunde, Genetik, Biochemie, Pathologie und Innere Medizin. Die psychologische Beratung ist Bestandteil jedes Ambulanztermins.

Neben den genannten medizinischen Problemen leiden Betroffene an den Folgen von sozialer Ausgrenzung und Ignoranz. Das Handeln des Bundesverfassungsgerichts ist ein wichtiger Schritt zu gesellschaftlicher Auseinandersetzung mit und Akzeptanz von intersexuellen Menschen in Deutschland.

Als Ansprechpartner stehen zur Verfügung:

Prof. Dr. med. Lutz Wünsch

Klinik für Kinderchirurgie
Direktor, Facharzt für Kinderchirurgie
Tel. Lübeck: 0451 500-42601Fax: 42604

Prof. Dr. Olaf Hiort

Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Leiter des Hormonzentrums für Kinder- und Jugendliche, Universitäts-Professor, Leiter der Sektion für Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie
Tel. Lübeck: 0451 500-42810Fax: 42944

Prof. Dr. med. Paul Martin Holterhus

Klinik für Kinder- und Jugendmedizin I
Leiter des Bereichs Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin I, Leiter Kinderendokrinologisches Labor, Ärztlicher Leiter Universitäres MVZ (UKSH, Campus Kiel), Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Kinderendokrinologe und -Diabetologe, Diabetologe DDG
Tel. Kiel: 0431 500-19017Fax: 20124

Verantwortlich für diese Presseinformation

Oliver Grieve, Pressesprecher des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein,
Mobil: 0173 4055 000, E-Mail: oliver.grieve@uksh.de

Campus Kiel

Arnold-Heller-Straße 3, 24105 Kiel,
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Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck,
Tel.: 0451 500-10700, Fax: 0451 500-10708