Mitglieder des Exzellenzclusters Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen haben erstmals einen Mechanismus entschlüsselt, wie spezifische Mikrobiota Entzündungsreaktionen in der Lunge verstärken.
Die Zusammensetzung der Mikroorganismen, die in und auf unserem Körper leben – das so genannte Mikrobiom – hat enormen Einfluss auf die menschliche Gesundheit. Noch lässt sich dieser Einfluss nicht gezielt therapeutisch nutzen, da die zugrundeliegenden Mechanismen weitgehend unbekannt sind. An der Aufklärung dieser Interaktionen von Mensch und Mikrobiom arbeiten verschiedene Forschungsgruppen im Exzellenzcluster Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen. Ein Team vom Institut für Immunologie und dem Institut für Klinische Molekularbiologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) hat jetzt eine wegweisende Entdeckung gemacht. „Wir haben einen Mechanismus entdeckt, über den bestimmte Mikrobiota Entzündungsreaktionen in der Lunge verstärken“, erklärt Studienleiterin Professorin Petra Bacher. „Die jetzt in der Fachzeitschrift Cell veröffentlichten Ergebnisse bieten neue Ansatzpunkte, solche Krankheitsprozesse besser zu erkennen und gezielt zu therapieren“, ergänzt der Leiter des Instituts für Immunologie, Professor Alexander Scheffold.
Der Mensch lebt in enger Symbiose mit seinem Mikrobiom, also den unzähligen Bakterien, Pilzen und Viren, die unsere Körperoberflächen, die Haut, den Darm oder die Lunge, besiedeln. Dieses Zusammenleben ist fein ausbalanciert und bietet viele Vorteile wie den Schutz vor Infektionen oder die Hilfe bei der Verwertung von Nährstoffen. Ein verändertes Mikrobiom ist mit unterschiedlichsten Krankheiten assoziiert. Hierzu zählen unter anderem chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Allergien, Stoffwechselkrankheiten, Autoimmunerkrankungen, Krebs oder auch psychische Krankheiten wie Depressionen. Dadurch erregte das Mikrobiom in jüngster Zeit viel Aufmerksamkeit. Denn prinzipiell ließen sich durch Beeinflussung des Mikrobioms fast alle wichtigen Zivilisationskrankheiten behandeln. Theoretisch - aber noch fehlen konkrete Ansatzpunkte. Die enorme Vielfalt des Mikrobioms erschwert es, die wesentlichen Komponenten auszumachen und zu definieren, was Ursache und Wirkung ist. Das behindert eine spezifische Behandlung.
Die Interaktion mit dem Mikrobiom wird maßgeblich durch das Immunsystem gesteuert. Zellen des Immunsystems erkennen spezifische Mikroben und sorgen für ein gesundes Gleichgewicht. Die entscheidende Frage ist: Wie und durch welche Mikroben werden unterschiedlichen Effekte auf Körperfunktionen vermittelt? Einem Wissenschaftlerteam der Charité-Universitätsmedizin Berlin, der Unikliniken Köln und Bochum sowie des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie und der Universität Jena unter der Leitung von Petra Bacher und Alexander Scheffold von der CAU und des UKSH ist nun ein Durchbruch gelungen. „Wir haben den eigentlich harmlosen Pilz, Candida albicans, der Darm, Haut und Schleimhäute besiedelt, als einen zentralen Modulator unseres Immunsystems identifiziert“, erklärt Alexander Scheffold. „Candida albicans regt das Immunsystem an, spezifische Abwehrzellen, sogenannte Th17 Zellen, zu bilden. Diese ermöglichen das friedliche Zusammenleben mit dem Pilz.“ Für die Studie haben die Forscherinnen und Forscher ein sensitives Verfahren entwickelt, um die Th17-Zellen aus dem Blut herauszufiltern, die sich gegen Candida albicans richten. Ein Teil dieser Th17 Zellen erkennt auch andere Pilze, wie beispielsweise den Schimmelpilz Aspergillus fumigatus, wie die weiteren Analysen ergaben. Dieses Phänomen wird als Kreuzreaktivität bezeichnet.
Schimmelpilzsporen werden täglich über die Atemluft aufgenommen, sind bei Gesunden aber harmlos. Bei Menschen, die an chronischen Lungenerkrankungen wie Mukoviszidose, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung oder Asthma leiden, kann sich der Schimmelpilz hingegen in der Lunge ansiedeln. Dies steht im Verdacht, das Krankheitsbild zu verschlechtern. „Überraschenderweise fanden wir, dass bei diesem Personenkreis die Anzahl der kreuzreaktiven Th17 Zellen im Lungengewebe erhöht ist, was mit einer Krankheitsverschlechterung einhergeht. „Die schützende Th17 Reaktion im Darm scheint in der Lunge eher krankmachende Immunprozesse zu verstärken“, ergänzt Erstautorin Petra Bacher.
Damit konnten die Forscherinnen und Forscher erstmals nachweisen, wie ein einzelnes Mitglied des Mikrobioms, nämlich Candida albicans, die spezifische Immunreaktion gegen eine große Gruppe von anderen Mikroben prägt. Scheffold: „Kreuzreaktivität ist vermutlich ein verbreiteter Immunmechanismus, durch den das Mikrobiom das Immunsystem manipuliert, mit protektiven oder schädlichen Auswirkungen. Die Möglichkeit, solche spezifischen Effekte einzelner Mikroben zu erfassen, ermöglicht uns nun, gezielte Therapien zu entwickeln.“
Originalpublikation
Petra Bacher, ... Alexander Schefold, et al. Human anti-fungal Th17 immunity and pathology rely on cross-reactivity against Candida albicans. Cell, published on Februar 21, 2019. https://doi.org/10.1016/j.cell.2019.01.041
Kontakt:
Prof. Dr. Alexander Scheffold
Institut für Immunologie, CAU und UKSH, Campus Kiel
Tel.: 0431 500-31000
Alexander.Scheffold@uksh.de
Prof. Dr. Petra Bacher
Institut für Immunologie,
Institut für Klinische Molekularbiologie, CAU und UKSH, Campus Kiel
Tel.: 0431 500-31005
p.bacher@ikmb.uni-kiel.de
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