UKSH-Experten setzen sich für bessere Versorgung ein – bundesweit vorbildhafte Regelung am Campus Kiel
Die Adipositas ist das am schnellsten wachsende Gesundheitsproblem weltweit. Die Fachgesellschaften der Ernährungsmedizin (DGEM) als auch der Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) haben klare Leitlinien zur Behandlung der Adipositas definiert. Dennoch gibt es große regionale Unterschiede in der Versorgung morbid adipöser Patienten. Um auf entsprechende Missstände hinzuweisen, wurde ein nationaler Aktionstag durch die DGAV ausgerufen. Das interdisziplinäre Adipositaszentrum des UKSH am Campus Kiel beteiligt sich als Referenzzentrum für Adipositaschirurgie am Mittwoch, 25. Mai 2016, an der Aktion. Ziel ist es, allen Patienten einen kostenfreien Zugang zur konservativen multimodalen Therapie zu ermöglichen und die rechtlich nicht vorgegebene, aber gängige Regel der Einzelfallbewertung bei leitliniengerechter Operationsindikation abzuschaffen.
Durch die transparente und vertrauensvolle Zusammenarbeit innerhalb des UKSH, Campus Kiel, und mit den führenden Krankenkassen wurde regional eine Vereinbarung getroffen, die morbid adipösen Patienten einen unkomplizierten Zugang zur bariatrischen Chirurgie ermöglicht. Als Ersatz für regionale Lösungen sollte ein entsprechendes Modell möglichst bundesweit eingeführt werden und alle Krankenkassen einschließen, um eine flächendeckende, transparente und zeitnahe Patientenversorgung gewährleisten zu können.
Die Adipositas stellt ein zunehmend großes Gesundheitsproblem dar. Die Zahl übergewichtiger Menschen hat sich in den letzten 30 Jahren verdreifacht. Geschätzt werden 50 Prozent der Europäer im Jahre 2030 übergewichtig sein. Dabei ist der Zusammenhang zwischen Adipositas und schwerwiegenden Folgeerkrankungen wie Typ 2 Diabetes, Hypertonus, Schlafapnoesyndrom und Fettlebererkrankung noch nicht ausreichend ins Bewusstsein vorgedrungen.
Die Adipositas als komplexe und chronische Erkrankung erfordert neben Aufklärungskampagnen und Präventionsmaßnahmen eine interdisziplinäre und langfristige Therapie. Dabei spielt neben konservativen Behandlungsmaßnahmen, wie ärztlichen geleiteten Spezialdiäten, Verhaltens- und Bewegungstherapie auch die Chirurgie eine zunehmend große Rolle. Sowohl durch die DGEM (Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin) als auch durch die DGAV (Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie) wurden Leitlinien verabschiedet. Leitliniengerecht müssten Patienten mit einem Bodymassindex (BMI) ab 35 bei vorliegenden relevanten Folgeerkrankungen (z.B. Diabetes) und ab einem BMI von 40 nach Ausschöpfung der konservativen Therapiemöglichkeiten einer Operation zugeführt werden.
Die oft geforderte „multimodale“ Therapie, also die Einbeziehung von Ernährungstherapie, Bewegungstherapie und psychologischer Beratung/Evaluation unter ärztlicher Betreuung über eine Dauer von sechs Monaten ist jedoch das erste „Nadelöhr“ in diesem Prozess. Viele Patienten haben keinen Zugang zu einer konservativen Therapie und können sich daher auch in keiner Weise für einen späteren, leitliniengerechten, chirurgischen Eingriff qualifizieren. Derzeit können Hausärzte Patienten nicht flächendeckend in eine Schwerpunktpraxis überweisen und es stehen keine multimodalen Konzepte mit ausreichender Kapazität als Kassenleistung zur Verfügung. Sind solche Programme vorhanden, können sie meist nur unter Zuzahlung durch den Patienten besucht werden.
Nach erfolgtem konservativem Therapieversuch ist zudem auch der Weg zur erforderlichen bariatrische Operation mit Hürden versehen. Die rechtlich nicht vorgegebene, aber gängige Regel der Einzelfallbewertung vor Erteilung der individuellen Kostenübernahme durch die Krankenkassen hat mit zu diesem sehr erschwerten Zugang zur nachweislich effektivsten Therapie der schweren Adipositas geführt. Selbst leitliniengerechte Indikationen werden nicht selten von den Kostenträgern abgelehnt.
So verwundert es nicht, dass in Deutschland trotz seiner sehr hohen Prävalenz der schweren Adipositas nur eine vergleichsweise geringe Anzahl an adipositaschirurgischen Operationen durchgeführt wird. Deutlich unter dem europäischen Durschnitt von 18 Operationen werden hierzulande lediglich ca. zwölf Operationen pro 100.000 Einwohner durchgeführt, im angrenzenden Belgien z.B. zehnmal so viele.
Verschlimmert und unverständlicher wird die Situation für Patienten und die behandelnden Ärzte durch die Tatsache, dass regional sehr große Unterschiede in der Bewertung durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen bestehen. So schwankt die Anzahl der durchgeführten Eingriffe pro 100.000 Einwohner zwischen drei (Saarland) und 48 (Berlin), obwohl die Inzidenz der schweren Adipositas ähnlich verteilt ist. Dabei kann sich das UKSH am Campus Kiel glücklich schätzen, mit einem Großteil der Krankenkassen bereits eine Vereinbarung getroffen zu haben, die die Einzelfallprüfung bei leitliniengerechter OP Indikation erübrigt.
Für den Vorstand der CAADIP (Chirurgische Arbeitsgemeinschaft Adipositaschirurgie innerhalb der DGAV) formulierte Prof. Dr. med. Dieter Birk die Ziele des Nationalen Aktionstages „save a life day“:
• Mehr Information zu der Epidemie Adipositas und ihrer gesundheitlichen Gefahr
• „Entstigmatisierung“ von adipösen Menschen
• Informationen zur leitliniengerechten Stufentherapie
• Kostenfreier Zugang zur konservativen multimodalen Therapie
• Begutachtung von Operationsindikationen durch den MDK nur noch, wenn nicht leitliniengerechte Anträge vorliegen
Neben einer überregionalen Informationskampagne der DGAV werden in verschiedenen Zentren, auch am UKSH, Campus Kiel, an diesem Tag schwer adipöse Patienten operiert, die nach wissenschaftlich überprüften Leitlinien dringend einer Operation bedürfen, aber keine Kostenzusage erhalten haben bzw. ohne dass eine Kostenzusage eingeholt wurde.
Weitere Informationen erhalten Interessierte auf den Webseiten der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie ( www.dgav.de ) und des interdisziplinären Adipositaszentrums am UKSH, Campus Kiel ( http://bit.ly/1sNIjXD ).
Für Rückfragen stehen zur Verfügung:
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
Klinik für Innere Medizin I, Prof. Dr. M. Laudes
Tel.: 0431 597-1380, E-Mail: matthias.laudes@uksh.de
Klinik für Allgemeine Chirurgie, Dr. Markus Ahrens, Dr. Jan Beckmann
Tel.: 0431 597-4666, E-Mail: markus.ahrens@uksh.de, jan.beckmann@uksh.de
Verantwortlich für diese Presseinformation
Oliver Grieve, Pressesprecher des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein,
Mobil: 0173 4055 000, E-Mail: oliver.grieve@uksh.de
Campus Kiel
Arnold-Heller-Straße 3, 24105 Kiel,
Tel.: 0431 500-10700, Fax: 0431 500-10704
Campus Lübeck
Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck,
Tel.: 0451 500-10700, Fax: 0451 500-10708