Schonende retinale Lasertherapien als Behandlungsoption der trockenen AMD
Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) ist eine fortschreitende degenerative Erkrankung mit pathologischen Veränderungen im Bereich der Choroidea, der Bruch’schen Membran (BrM) und des retinalen Pigmentepithels (RPE) sowie der neurosensorischen Netzhaut. Sie ist in ihrer Spätform die häufigste Erblindungsursache in den westlichen Ländern [1]. Klinisch wird zwischen einer Frühform der AMD und zwei Spätformen unterschieden. Die frühe nicht-exsudative (trockene) Form der AMD ist gekennzeichnet durch das Auftreten von Drusen und Veränderungen des RPE. Im weiteren Verlauf kann es zur Progression der frühen AMD in die Spätformen kommen, der geographischen Atrophie oder der exsudativen (feuchten) Form der AMD mit choroidalen Neovaskularisationen (auch nAMD). Die Pathologie der AMD ist multifaktoriell und bis heute nicht vollständig verstanden. Es gibt eine Vielzahl von Faktoren wie oxidativen Stress, westliche Ernährungsgewohnheiten und genetische Prädisposition, denen ein Einfluss auf die AMD zugesprochen wird [2, 3]. Die molekularbiologischen Konzepte der AMD-Entstehung basieren auf vier Säulen, die miteinander interagieren. Dazu gehören die Induktion inflammatorischer Prozesse, Veränderungen im Lipidstoffwechsel, Umbau der Extrazellulärmatrix und Beeinflussung der Angiogenese. Ultrastrukturell imponiert eine Verdickung der BrM. Eine damit einhergehende Erhöhung der Diffusionsstrecke führt zur Einschränkung des Gasaustauschs und metabolischer Prozesse.
Viele moderne Therapieansätze zielen auf einzelne Aspekte der AMD und haben bisher nicht zu einem Durchbruch bei der Behandlung der frühen trockenen AMD geführt. Potentielle therapeutische Ansätze müssen wahrscheinlich vielmehr eine ganze Reihe an Faktoren der Erkrankung modifizieren, um einen generellen Behandlungserfolg zu erzielen. Bis dato gibt es keinen Ansatz, frühe pathologische Prozesse der AMD zu inhibieren oder die Erkrankung gar zu heilen.
Schonende Lasertherapien könnten eine neue Therapie- oder präventive Behandlungsoption der frühen AMD darstellen. Generell können zwei unterschiedliche Lasermodi zu den schonenden Lasertherapien gezählt werden:
Therapien, die selektiv das RPE zerstören und damit einen regenerativen Prozess des RPE mit Einfluss auf das chorioretinale Gewebe erreichen. Hierunter fallen die selektive Retinatherapie (SRT) mit einem Pulszug von Mikrosekundenpulsen einer Wellenlänge von 527 nm bei einer Repititionsrate von 100 Hz [4 – 7], sowie die Retinal Rejuvenation Therapy (2RTTM) mit Einzelpulsen von wenigen Nanosekunden Dauer bei 532 nm [8, 9].
Lasertherapien, die auf eine nichtletale, kurzzeitige Temperaturerhöhung im Millisekundenbereich abzielen, mit darausfolgender Gewebestimulation. Hierzu zählen die thermische Stimulationstherapie der Retina (TSR) und die nicht-schädigende retinale Lasertherapie (NRT) beide mit einem Dauerstrich (cw) 532 nm Laser, die im nicht-schädigenden Bereich vor allem das RPE stimulieren [10 – 12], aber auch alle anderen Bestrahlungen, cw oder Mikropulsing, bei denen die mittlere applizierte Leistung so gering gewählt wird, dass keine Koagulation und auch keine Zellschädigung stattfindet. In der Regel muss die applizierte Laserleistung hierzu etwa 30 % der Leistung sein, die gerade noch einen funduskopisch sichtbaren retinalen Schaden erzeugt. Beide Lasermodi verändern die Funktion des RPE, ohne die Neuroretina zu schädigen und kommen demnach für einen Einsatz im Bereich der Makula infrage.
Bei beiden Verfahren ist aufgrund der intraindividuell variierenden Pigmentierung des Fundus und abweichender Lichttransmission der optischen Medien des Auges die Bestimmung der richtigen Dosis kritisch. Für eine möglichst exakte Dosierung ohne Über- oder Untereffekte wurden in Kooperation mit dem Medizinischen Laserzentrum Lübeck GmbH automatische Verfahren entwickelt, die bei der SRT das Entstehen von Mikroblasen im RPE als Feedback detektieren [13] und bei TSR die Temperatur in Echtzeit messen können [14, 15]. Im Rahmen des Verbundprojekts »Innovative Imaging and Intervention in early AMD« (I3) wurden der Einfluss der SRT und der TSR auf zellbiologische Prozesse und auf AMD-typische Veränderungen, insbesondere die Dicke der BrM, in unserem Labor analysiert. An porcinen Organkulturen konnten wir erwartungsgemäß nachweisen, dass die SRT RPE-Zellen zerstört (Abb. 1) und die NRT zu keinem RPE-Zellschaden führt. Nach dem lokalisierten Zelluntergang regeneriert das RPE durch Migration und Proliferation. Sowohl SRT als auch TSR führen zur vermehrten Expression von Matrix Metalloproteinasen (MMP) und Pigment Epithelium Derived Growth Factor (PEDF), sowie zur verminderten Expression von Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF). Der Transforming Growth Factor (TGF) β wird nicht in seiner Expression beeinflusst.
SRT und TSR RPE-Zellen zur Sekretion von MMPs anregen, welche potentiell die verdickte BrM restrukturieren können. Die Laserverfahren führen nicht zu einer Narbenreaktion mit fibrotischem Umbau der Extrazellulärmatrix. Das anti-angiogene Zytokinmilieu hemmt die Bildung von Neovaskularisationen.
Diese Hypothese wurde in einem nächsten Schritt anhand zweier AMD-Mausmodelle überprüft. In einem Modell der Hyperlipid-/Hyperlipoproteinämie (ApolipoproteinE [ApoE] knock-out) und in einem Modell mangelnder antioxidativer Mechanismen (Nuclear Factor erythroid-derived 2 -like 2 [NRF2] knock-out) sind zahlreiche AMD-typische Veränderungen nachweisbar [16, 17], insbesondere eine pathologische Verdickung der BrM in der Transmissionselektronenmikroskopie (TEM). Jeweils ein randomisiertes Auge von Versuchstieren beider AMD-Mausmodelle in unterschiedlichen Altersgruppen wurde mit SRT oder NRT behandelt, wobei das Partnerauge als Kontrolle diente. Die individuelle nicht-schädigende Energie-/Leistungsschwelle der Lasertherapie wurde in der Netzhautperipherie titriert (Abb. 2).
Anschließend wurden durchschnittlich je 90 Laserherde gleichmäßig über den papillenzentrierten Fundus verteilt. Einen Monat nach einmaliger Behandlung konnten wir sowohl für die SRT, als auch für die NRT eine Verdünnung der BrM im behandelten Auge verglichen mit dem unbehandelten Partnerauge in der TEM nachweisen (Abb. 3).
Eine Verdünnung der BrM durch schonende retinale Laserverfahren, wahrscheinlich durch die Induktion von MMPs, könnte zu einer Verbesserung des Metabolismus und Gasaustauschs über die BrM führen und möglicherweise die pathologischen Prozesse der AMD inhibieren. Ein anti-angiogenes Zytokinmilieu könnte zusätzlich die Progression zur exsudativen AMD hemmen. Die hier dargestellten experimentellen Pilotprojekt-Daten zeigen eine mögliche Behandlungs- oder gar Präventionsmaßnahme für die frühe Form der AMD auf, welche mehrere im Rahmen der AMD pathologisch veränderte Systeme gleichzeitig modifiziert. Der Einfluss auf inflammatorische- sowie auf Lipidstoffwechselprozesse im Rahmen der AMD wird weiter evaluiert (Projekt „eLAS“ gefördert von der Helmut Ecker Stiftung).
Es lässt sich schlussfolgern, dass schonende retinale Lasertherapien, wie SRT und NRT, eine potentielle Behandlungs- oder Präventionsmaßnahme für die trockene AMD darstellen.
In Kooperation mit:
Dr. Ralf Brinkmann (Med. laserzentrum Lübeck), Prof. Dr. Ralph Lucius (Anatomisches Institut Kiel), Dr. Philipp Arnold (Anatomisches Institut Kiel), PD Dr. Stefan Koinzer
Literatur
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