Ist bei Speiseröhrenkrebs eine Operation immer notwendig? Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Jens Höppner, stellvertretender Direktor der Klinik für Chirurgie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Lübeck, untersucht, ob eine alleinige Chemotherapie oder Bestrahlung für manche Patientinnen und Patienten vorteilhafter ist. Im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Projekt ESORES, an dem sich 28 Kliniken in Deutschland beteiligen, als „praxisverändernde klinische Krebsstudie“ mit zunächst 4,87 Millionen Euro von 2022 bis 2026. Eine Pilotstudie unter Federführung des UKSH, Campus Lübeck, und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg läuft derzeit in fünf beteiligten Kliniken.
Speiseröhrenkrebs wird häufig erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. In den aktuellen Therapieleitlinien wird in diesem Fall eine Operation empfohlen, bei der der erkrankte Bereich der Speiseröhre entfernt wird. Unterstützend geht der Operation zumeist eine kombinierte Chemo- und Strahlentherapie oder nur Strahlentherapie voraus, da sie die Chancen auf Heilung im Vergleich zu einer alleinigen Operation deutlich erhöht. Diese vorausgehende (neoadjuvante) Therapie hat jedoch durch den medizinischen Fortschritt in den vergangenen Jahren deutlich an Wirksamkeit gewonnen. So sind bei operierten Patientinnen und Patienten, die entsprechend vorbehandelt wurden, in 20 bis 30 Prozent der Fälle keine lebenden Tumorzellen mehr im später entnommenen Speiseröhrengewebe nachweisbar.
Mit der Studie ESORES, an der insgesamt 670 Erkrankte teilnehmen werden, soll geprüft werden, ob Patientinnen und Patienten, die besonders gut auf die Vorbehandlung ansprechen, die Operation erspart werden kann, ohne dass ihnen ein Nachteil entsteht. Ein Teil der Erkrankten, deren Tumor sich nach Chemo- und/oder Strahlentherapie zurückgebildet hat, wird zunächst engmaschig beobachtet und nur dann operiert, wenn erneut Tumorzellen aufgespürt werden. Zum Vergleich erhält der andere Teil der Gruppe die Standardbehandlung: eine neoadjuvante Therapie, an die sich in jedem Fall eine Operation anschließt.
„Unsere Studie soll klären, ob eine erweiterte Diagnostik und individualisierte Steuerung der Therapie die Behandlungsergebnisse bei Speiseröhrenkrebs verbessern kann“, sagt Prof. Höppner. Im Fokus stehe dabei besonders eine Verbesserung der Lebensqualität der Patientinnen und Patienten, die nach der Operation häufig sinkt - zum Beispiel durch anhaltende Beschwerden beim Schlucken oder mit der Verdauung. Auch der Eingriff selbst berge das Risiko für zahlreiche, mitunter schwere Komplikationen.
Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer werden im kommenden Jahr rekrutiert. Vorab werden in der derzeit laufenden Pilotstudie unter anderem die Sichtweisen und Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten erfragt und in die Planung der Untersuchung einbezogen, um sie so patientenorientierter zu gestalten. Betroffene stärker in die Forschung miteinzubinden, ist ein Ziel der Dekade gegen Krebs.
ESORES wird im Rahmen der “Richtlinie zur Förderung praxisverändernder klinischer Studien zur Prävention, Diagnose und Therapie von Krebserkrankungen“ als Studie gefördert, die die Standardversorgung entscheidend zum Vorteil der Patientinnen und Patienten verändern kann.
Etwa 6.100 Männer und 1.800 Frauen erkranken pro Jahr in Deutschland an Speiseröhrenkrebs. Die Krankheit bringt zunächst nur unspezifische Symptome mit sich wie Schluckbeschwerden oder Gewichtsverlust und bleibt daher in vielen Fällen im Frühstadium unbemerkt.
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