Was versteht man unter einem Schleimhautpemphigoid?
Das Schleimhautpemphigoid (griechisch: pemphix: Blase) gehört zu den chronisch verlaufenden Blasen bildenden Autoimmunerkrankungen. Charakteristisch und namengebend für diese Erkrankungen ist die überwiegende Beteiligung der Schleimhaut. Zusätzlich können Blasen und oberflächliche Hautwunden (Erosionen) auch am Körper auftreten, diese können mit Narbenbildung abheilen.
Früher wurde für diese Erkrankung der Begriff „vernarbendes Pemphigoid“ verwendet. Er gilt heute nur noch für die sehr seltene Form bei Patienten, die keine überwiegende Schleimhautbeteiligung haben und bei denen die Blasen/Erosionen am Körper mit Narbenbildung abheilen [1-5].
Wie häufig tritt das Schleimhautpemphigoid auf?
Das Schleimhautpemphigoid ist mit ca. 1-2 Neuerkrankungen auf 1 Mio. Einwohner/Jahr eine seltene Erkrankung [6,7].
Auslöser für das Auftreten eines Schleimhautpemphigoids
Die Ursachen für das Auftreten dieser Autoimmunerkrankung sind nicht geklärt. Bisher gibt es keine Hinweise für Medikamente oder Nahrungsmittel als Auslöser der Erkrankung.
Was geschieht in der Schleimhaut?
Beim Schleimhautpemphigoid richtet sich das eigene Immunsystem gegen Bestandteile der Haut und es kommt zur Bildung von speziellen Eiweißstoffen, sogenannten Autoantikörpern. Angriffspunkte für die Autoantikörper sind mehrere Proteine innerhalb der Basalmembran, der Verbindungsschicht zwischen Oberhaut (Epidermis) und Lederhaut (Dermis). Zu den Proteinen, die von den Autoantikörpern gebunden werden (den sogenannten Zielantigenen) gehören: BP180 (type XVII Kollagen), Laminin 332 (früher auch Laminin 5 genannt) und BP230. 25 % der Patienten mit Antikörpern gegen Laminin 332 entwickeln im Verlauf eine Krebserkrankung. Daher ist die genaue Diagnostik der Autoantikörper von großer Bedeutung, um ggf. durch eine anschließende Tumorsuche eine Begleiterkrankung frühzeitig zu erkennen [8,9].
Wie verläuft das Schleimhautpemphigoid?
Die Ausdehnung der Hautveränderungen und somit die Schwere der Erkrankung sind von Patient zu Patient unterschiedlich stark ausgeprägt. Durch die häufig schmerzhaften Mundschleimhautveränderungen kommt es häufig zu Schwierigkeiten beim Essen und in Folge zur Gewichtsabnahme und allgemeinen Schwäche.
Bei den meisten Patienten beginnt die Erkrankung in der Mundschleimhaut, dies ist auch häufig die am schwersten betroffene Schleimhautregion. Bei einigen Patienten kann die Erkrankung jedoch in der Nasenschleimhaut beginnen, was sich durch Nasenbluten, Ausbildung von blutigen Krusten sowie verringerter Nasenatmung äußern kann. Bei einigen Patienten, vor allen Dingen Frauen, ist die Genitalschleimhaut am stärksten betroffen.
Als weitere Schleimhäute können der Rachen, die Speiseröhre und die Schleimhaut am After betroffen sein. In den Schleimhäuten zerreißen Blasen leicht und es kommt zur Ausbildung von meist schmerzhaften Wunden (Erosionen).
Auch die Bindehäute der Augen können betroffen sein, was zu einer Narbenbildung und im schlimmsten Fall bis zur Erblindung führen kann. Patienten mit Beteiligung der Bindehaut bedürfen daher ganz besonders dringend einer intensiven Therapie. Unter einem okulären Pemphigoid versteht man ein Schleimhautpemphigoid mit ausschließlicher Beteiligung der Bindehäute der Augen.
Wie kann das Schleimhautpemphigoid diagnostiziert werden?
Das klinische Bild mit Erosionen der Mund- oder Genitalschleimhaut sowie beim okulären Pemphigoid der Bindehaut des Auges ergibt erste Hinweise auf diese Erkrankung. Für die genaue Diagnosestellung sind eine Gewebeprobe und eine Blutentnahme notwendig [1,4,5].
Durch eine spezielle Färbetechnik lassen sich die Autoantikörper in einer Gewebeprobe der Schleimhaut nachweisen. Diese Schleimhautprobe kann an unbefallener Wangenschleimhaut entnommen werden. Typischerweise zeigen sich lineare Ablagerungen von Antikörpern entlang der Grenzfläche zwischen Schleimhaut und darunter liegender Verbindungsschicht. Die Autoantikörper lassen sich bei manchen Patienten auch im Blut nachweisen. Hierzu werden Spezialuntersuchungen durchgeführt (indirekte Immunfluoreszenz auf Spalthaut auf Organschnitten und kultivierten Zellen, ELISA, Westernblot).
Alle notwenigen Untersuchungen der Haut und des Blutes können in unserem Autoimmunlabor durchgeführt werden.
Wie wird das Schleimhautpemphigoid behandelt?
Bei der Behandlung des Schleimhautpemphigoids muss zwischen Patienten ohne Beteiligung von Bindehäuten, Kehlkopf sowie Luft- und Speiseröhre und Patienten mit Beteiligung dieser Schleimhäute unterschieden werden. In der Regel erfolgt die Einleitung der Therapie im Rahmen eines stationären Aufenthaltes. Ziel der Behandlung ist die Unterdrückung der Bildung der Autoantikörper sowie der Entzündung der Schleimhäute [1,4,5]. Seit 2021 ist eine europäische Leitlinie zur Therapie des Schleimhautpemphigoids verfügbar [4]. Auf Grund fehlender kontrollierter klinischen Studien basiert diese Leitlinie weitgehend auf Fallserien und der Erfahrung von Experten.
Schleimhautpemphigoid ohne Beteiligung von Bindehäuten, Kehlkopf sowie Luft- und Speiseröhre
Es stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung. In der Akutphase werden Kortisonpräparate eingesetzt, die mit weiteren Medikamenten, wie z. B. Dapson, Azathioprin, Mycophenolatmofetil oder Mycophenolat-Natrium kombiniert werden können. Diese Medikamente sollen einen Kortison-sparenden Effekt ausüben und entsprechende Nebenwirkungen verringern.
In sehr schweren Fällen oder bei unzureichendem Ansprechen auf die oben genannten Medikamente kann bei hohen Konzentrationen von Antikörpern im Blut eine spezielle „Blutwäsche“ (Immunadsorption) durchgeführt werden [10,11]. Zudem können Infusionen mit hoch-dosierten menschlichen Antikörpern (Immunglobuline) zum Einsatz kommen. In den letzten Jahren wurde zudem über die erfolgreiche Behandlung mit dem Medikament „Rituximab“ berichtet [12-15].
Schleimhautpemphigoid mit Beteiligung von Bindehäuten, Kehlkopf sowie Luft- und Speiseröhre
Bei diesen Patienten droht eine Vernarbung der Schleimhäute, die mit einer bleibenden Sehschädigung oder sogar Erblindung einhergehen kann. Vernarbungen des Kehlkopfs oder der Luft- und Speiseröhre gehen mit Beschwerden bei der Sprache, Schlucken oder Atmung einher. Deswegen ist hier in der Regel eine sehr schnelle und intensive Therapie notwendig, die das überreagierende Immunsystem unterdrücken soll. Zusätzlich zu den oben genannten Medikamenten wird hier auch Cyclophosphamid eingesetzt [16].
Bei Patienten mit Beteiligung der Bindehäute werden meist zusätzlich anti-entzündlichen Augentropfen durch die Augenärzte eingesetzt.
Alle Patienten werden in enger Zusammenarbeit mit den anderen Fachdisziplinen, also Augenärzten, HNO-Ärzten und Gastroenterologen betreut.
Patienten mit Antikörper gegen Laminin 332
Da bei bis zu 25 % dieser Patienten eine Krebserkrankung vorliegen kann, sollte vor Einleitung einer Therapie eine gründliche Durchuntersuchung erfolgen und ggf. frühzeitig mit einer Tumorbehandlung begonnen werden [4,8,9].
Wie ist der Verlauf der Erkrankung?
Die Erkrankung tritt spontan auf und verläuft in der Regel schubweise über viele Monate/Jahre. Durch die heute möglichen modernen Behandlungsverfahren kann in der Mehrheit der Patienten eine langfristige Erscheinungsfreiheit erreicht werden.
Selbsthilfegruppe
Die Pemphigus und Pemphigoid Selbsthilfegruppe e.V. kann hier kontaktiert werden. Auf Wunsch stellen wir Ihnen auch gerne den aktuellen Flyer der Gruppe zur Verfügung.
Ausgewählte Literatur
1. Holtsche MM, Zillikens D, Schmidt E. Schleimhautpemphigoid. Hautarzt 2018; 69:67-83.
2. Schmidt E, Zillikens D. Pemphigoid diseases. Lancet 2013; 381:320-332.
3. Rashid H, Lamberts A, Borradori L, Alberti-Violetti S, Barry RJ, Caproni M, Carey B, Carrozzo M, Caux F, Cianchini G, et al. European guidelines (S3) on diagnosis and management of mucous membrane pemphigoid, initiated by the European Academy of Dermatology and Venereology - Part I. J Eur Acad Dermatol Venereol 2021.
4. Schmidt E, Rashid H, Marzano AV, Lamberts A, Di Zenzo G, Diercks GFH, Alberti-Violetti S, Barry RJ, Borradori L, Caproni M, et al. European Guidelines (S3) on diagnosis and management of mucous membrane pemphigoid, initiated by the European Academy of Dermatology and Venereology - Part II. J Eur Acad Dermatol Venereol 2021.
5. Beek NV, Zillikens D, Schmidt E. Bullöse Autoimmundermatosen. Dtsch Arztebl Int 2021; 118:413-420.
6. Bertram F, Brocker EB, Zillikens D, Schmidt E. Prospective analysis of the incidence of autoimmune bullous disorders in Lower Franconia, Germany. J Dtsch Dermatol Ges 2009; 7:434-440.
7. van Beek N, Weidinger A, Schneider SW, Kleinheinz A, Glaser R, Holtsche MM, von Georg A, Hammers CM, Hubner F, Lima AL, et al. Incidence of pemphigoid diseases in Northern Germany in 2016 - first data from the Schleswig-Holstein Registry of Autoimmune Bullous Diseases. J Eur Acad Dermatol Venereol 2021; 35:1197-1202.
8. Egan CA, Lazarova Z, Darling TN, Yee C, Cote T, Yancey KB. Anti-epiligrin cicatricial pemphigoid and relative risk for cancer. Lancet 2001; 357:1850-1851.
9. Goletz S, Probst C, Komorowski L, Schlumberger W, Fechner K, van Beek N, Holtsche MM, Recke A, Yancey KB, Hashimoto T, et al. A sensitive and specific assay for the serological diagnosis of antilaminin 332 mucous membrane pemphigoid. Br J Dermatol 2019; 180:149-156.
10. Schmidt E, Zillikens D. Immunoadsorption in dermatology. Arch Dermatol Res 2010; 302:241-253.
11. Zillikens D, Derfler K, Eming R, Fierlbeck G, Goebeler M, Hertl M, Hofmann SC, Karlhofer F, Kautz O, Nitschke M, et al. Recommendations for the use of immunoapheresis in the treatment of autoimmune bullous diseases. J Dtsch Dermatol Ges 2007; 5:881-887.
12. Recke A, Shimanovich I, Steven P, Westermann L, Zillikens D, Schmidt E. [Treatment-refractory anti-laminin 332 mucous membrane pemphigoid. Remission following adjuvant immunoadsorption and rituximab]. Hautarzt 2011; 62:852-858.
13. Hertl M, Zillikens D, Borradori L, Bruckner-Tuderman L, Burckhard H, Eming R, Engert A, Goebeler M, Hofmann S, Hunzelmann N, et al. Recommendations for the use of rituximab (anti-CD20 antibody) in the treatment of autoimmune bullous skin diseases. J Dtsch Dermatol Ges 2008; 6:366-373.
14. Kasperkiewicz M, Shimanovich I, Ludwig RJ, Rose C, Zillikens D, Schmidt E. Rituximab for treatment-refractory pemphigus and pemphigoid: a case series of 17 patients. J Am Acad Dermatol 2011; 65:552-558.
15. Schmidt E, Brocker EB, Goebeler M. Rituximab in treatment-resistant autoimmune blistering skin disorders. Clin Rev Allergy Immunol 2008; 34:56-64.
16. Meyer-ter-Vehn T, Schmidt E, Zillikens D, Geerling G. Schleimhautpemphigoid mit okulärere Beteiligung: Teil II: Therapie. Ophthalmologe 2008; 105:405-419.
Version 3, 23.08.2021