„Den Seltenen eine Stimme geben“.
Als seltene Krankheit (orphan disease; von englisch orphan ‚Waise‘) bezeichnet man eine Krankheit, die nur wenige Menschen betrifft und oft nicht die nötige Aufmerksamkeit bekommen, obwohl sie diese aufgrund des Schweregrads oder der Gefährlichkeit verdient hätten.
Primär biliäre Cholangitis (PBC)
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Porphyrie – Intermittierende hepatische Porphyrie
In Deutschland gibt es derzeit ca. 4.000 Menschen mit einer diagnostizierten Porphyrie.
Porphyrie ist dabei nicht gleich Porphyrie: Hinter diesem Oberbegriff verbergen sich verschiedene Erkankungen des Häm-Stoffwechsels mit einer großen Bandbreite unterschiedlicher Symptome, die alle auch unterschiedlich behandelt werden müssen. Zu den Symptomen gehören starke Bauchschmerzen, Lähmungen, Halluzinationen oder Lichtempfindlichkeiten.
Die Porphyrien umfassen 10 molekulargenetisch außerordentlich heterogene und überwiegend hereditär bedingte Stoffwechselkrankheiten der Hämbiosynthese, die durch spezifische biochemische Muster von Porphyrinen und Porphyrinvorläufern in Urin, Stuhl und Blut diagnostiziert sowie differenziert werden. Mehr als 90% der Genträger bleiben aber lebenslang symptomfrei.
Die klinisch häufigsten Formen sind akute intermittierende Porphyrie (AIP), Porphyria cutanea tarda (PCT) und erythropoetische Protoporphyrie (EPP).
Bei der Porphyrie ist die Leber sowohl Ort des betroffenen Stoffwechselweges als auch betroffenes Organ.
Klinisch stehen abdomino-viszerale, neuropsychiatrische, kutane und endokrine Symptome im Vordergrund.
Ziel der Behandlung ist es, den Betroffenen ein möglichst normales Leben zu ermöglichen. Denn eine seltene Erkrankung bedeutet leider nicht, dass sie sich bei Betroffenen auch selten äußert.
Im nachfolgenden Text wird im Wesentlichen auf die akuten hepatischen Porphyrien eingegangen.
Die anderen Porphyrieformen sind in der nachfolgenden Übersichtsgraphik dargestellt.
Klinik der akuten hepatischen Porphyrien (AIP, VP, HCP, ALAD-DP)
Unter der Einwirkung von porphyrinogenen Arzneistoffen (www.drugs-porphyria.org), Xenobiotika, Sexualhormonen, Alkohol, Nikotin, Nahrungskarenz oder erhöhtem Energieverbrauch z.B. durch Ausdauersport o.Ä. kommt es in der Leber zur vermehrten Synthese der hepatischen ALA-Synthase. Bei Frauen findet sich nicht selten eine peri-menstruelle Manifestation.
Darüber hinaus führen Stress, Entzündung und Infektionen zur Induktion der Hämoxygenase 1, einem Akute-Phase-Protein. Über dieses Enzym wird Häm abgebaut. Kompensatorisch kommt es zur erhöhten Synthese von Porphyrinvorläufern (ALA und PBG) sowie Porphyrinen.
Akute hepatische Porphyrien manifestieren sich meist erst nach der Pubertät. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
Die Leitsymptomatik bei der akuten intermittierenden Porphyrie besteht aus Abdominalschmerzen, Lähmungen und/oder Psychosen sowie Tachykardie!
Die Haut ist nicht betroffen!
Ausnahme: Bei der sehr seltenen hereditären Koproporphyrie und Porphyria variegata können Hautsymptome auftreten.
Abdominalschmerzen, intermittierend oder kolikartig, sind initiales und häufiges Symptom, gleichzeitig oder später können auch Rücken-, Extremitätenschmerzen und Parästhesien auftreten. Den Schmerzen im mittleren und unteren Abdomen folgen evtl. Obstipation, Übelkeit, Erbrechen und eine Ileussymptomatik. Tachykardie, Hypertonie und ein rot nachdunkelnder Urin sind weitere wichtige diagnostische Hinweise.
Eine inadäquat hohe ADH-Sekretion (Schwartz-Bartter Syndrom) resultiert in einer Hyponatriämie, die bei abdomineller Symptomatik für die Diagnose eines akuten hepatischen Porphyriesyndroms wegweisend sein kann.
Es besteht eine erhebliche Variabilität der Polysymptomatik klinischer Manifestationen.
Es gibt Menschen, denen es jahrelang gut geht, bis eine bestimmte Lebensituationen plötzlich einen Erkrankungsschub auslöst. So können so unterschiedliche Ereignisse wie etwa eine seelische Krise oder eine Fastenkur zu akuter Porphyrie führen.
Bei Nichterkennen, Fortschreiten oder Verstärkung der Porphyrie durch inadäquate Maßnahmen (Medikamente, Fehlernährung etc.) und Fehldiagnosen kommt es zur peripheren motorischen Neuropathie, die zuerst die Streckermuskulatur an Händen und Armen befällt. Die Lähmungen können fortschreiten bis hin zur Tetraparese mit respiratorischer Insuffizienz. Bei einigen Patienten entwickeln sich Vigilanzstörungen, Krampfanfälle, Verstimmungs- und/oder Erregungszustände oder Halluzinationen.
Statistisch ist das Risiko für ein hepatozelluläres Karzinom (>100fach) und das gleichzeitige Auftreten von Nierenschäden erhöht (> 64% der Patienten mit AHP haben eine chronischen Niereninsuffizienz).
Labordiagnostik der akuten hepatischen Porphyrien
20ml Spontanurin reichen für die Diagnostik aus!!!
Die klinischen Symptome akuter hepatischer Porphyrien gehen immer mit einer signifikant erhöhten Urinausscheidung beider Porphyrinvorläufer ALA und PBG sowie der Porphyrine einher. Eine mehr als 10-fache Erhöhung von Porphobilinogen (PBG) oberhalb der Norm im Spontanurin ist für die Diagnose essenziell. 20ml Spontanurin reichen für die Diagnostik aus. Die Konzentration fällt in der Remissionsphase zwar ab liegt aber auch in den Latenzphasen noch über Jahre signifikant über dem Normbereich. Bedenken, möglicherweise den richtigen Zeitpunkt für die Diagnostik verpasst zu haben, da die Beschwerden des Patienten rückläufig oder verschwunden sind, erweisen sich daher oft als unbegründet.
Es gibt auch Individuen mit hoher Urinausscheidung von ALA, PBG und Porphyrinen ohne klinische Symptome („asymptomatic high excreter“).
Liegt eine mithilfe der Urinanalyse gesicherte akute Porphyrie vor, sollte zur weitergehenden Differenzierung ergänzend eine Bestimmung der Aktivität der PBG-Desaminase so wie eine Analyse der Stuhlporphyrine durchgeführt werden (s. Übersichtstabelle: Biochemische, diagnostische und klinische Charakteristika von Porphyrien).
Differenzialdiagnose der Porphyriediagnostik
Die klinische Symptomatik impliziert eine breite Differentialdiagnostik.
Erhöhte Porphyrinausscheidungen in Urin und Stuhl sowie eine Protoporphyrinämie sind in erster Linie biochemische Zeichen der hereditären Porphyrien, kommen aber auch im Kontext anderer Krankheiten vor, die die Hämbiosynthese nur sekundär betreffen. Bei diesen, klinisch asymptomatischen, sekundären Koproporphyrinurien und Protoporphyrinämien handelt es sich lediglich um metabolische Mitreaktionen des Porphyrinstoffwechsels bei einer heterogenen Gruppe von Krankheiten und Syndromen.
Dazu gehören toxische Leberschäden, Fettleber, Hepatitis, intra- und extrahepatische Cholestasen, Pankreatitis, Eisen- und Bilirubinstoffwechselstörungen (Dubin- Johnson-,Rotor-,Gilbert-Meulengracht- und Crigler-Najjar-Syndrom), HIV-Infektion, Hämolyse, neoplastische bzw. hämatologische Grunderkrankungen sowie Medikamentennebenwirkungen.
Therapie der akuten hepatischen Porphyrien
Initiale Maßnahmen bei akuter Symptomatik
Die regulatorische Therapie mit Glucose und Häm ist pathophysiologisch begründet (s. Abb. Graphik Häm-Stoffwechsel und Therapieansätze (Modifiziert nach Stölzel)). Die repressive Wirkung von Glucose auf die hepatische ALA-Synthase und damit auf die Hämsynthese wird über einen hepatischen Rezeptorkoaktivator („peroxisome proliferator-activated receptor gamma coactivator 1-alpha“ [PGC-1α]) vermittelt. Die intravenöse Gabe von Glucose kann eine Hyponatriämie, mit der Gefahr eines Hirnödems und Krampfanfällen, verstärken.
Treten neurologische Symptome hinzu und/oder ist eine Hyponatriämie manifest, ist eine Hämtherapie indiziert. Bei frühzeitiger Gabe von Hämarginat (Normosang®) kommt es meist innerhalb von Stunden (max. 72 h) zu einer Besserung.
Maßnahmen bei chronischem Verlauf
Bisher musste bei progredienter neurologischer Symptomatik trotz adäquater Therapie , frühzeitig die Indikation für eine orthotope Lebertransplantation (OLT) diskutiert werden. Da der ursächliche Stoffwechseldefekt in der Leber liegt, kommt es nach OLT zur anhaltenden biochemischen und klinischen Remission.
Seit der Zulassungsempfehlung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA, englisch: European Medicines Agency) im März 2020 besteht mit Givosiran (Givlaari®) erstmalig eine medikamentöse Therapieoption für chronisch-symptomatische Verläufe bei Patienten über 12 Jahren mit AHP. Die endgültige Entscheidung über die Zulassung trifft die Europäische Kommission, in der Regel innerhalb von zwei Monaten.
Bei Givosiran handelt es sich um eine kurze, synthetisch hergestellte Sequenz sogenannter small interfering RNA (siRNA), ein RNAi-Therapeutikum (s. Infokasten RNA-Interferenz). Mit diesem kleinen RNA-Stück kann gezielt ein Gen stillgelegt werden, dessen Sequenz nicht mehr in das entsprechende Protein, in diesem Fall die Aminolävulinsäure-Synthase 1 (ALAS1), translatiert werden kann. Aminolävulinsäure ist ein Zwischenprodukt bei der Häm-Synthese. Aus zwei Molekülen Aminolävulinsäure entsteht dabei Porphobilinogen.
Die an Galaktose gekoppelten Doppelstrang-RNA-Fragmente werden über den Asialoglykoproteinrezeptor in Hepatozyten aufgenommen und intrazellulär zu Einzelstrang-RNA gespalten, die selektiv an die komplementäre ALAS-1m-RNA binden. Es folgen eine Verminderung der Translation des ALAS-1-Proteins und somit auch der ALA-Synthese und -Exkretion. Dies reduziert die klinischen Beschwerden. Die Aktivität der hepatischen Hämsynthese bleibt ausreichend erhalten.
Basismaßnahmen bei der akuten hepatischen Porphyrie
Die Patienten müssen über die Faktoren informiert werden, die die Erkrankung auslösen (Medikamente (Liste der wesentlichen Medikamente: www.drugs-porphyria.org), Fasten, Stress, Alkohol, Rauchen).
Internationale Porphyrieausweise werden kostenlos zur Verfügung gestellt (www. orphan-europe.com).
Prophylaktische Maßnahmen zur Lebensführung sind für den weiteren Verlauf einer AHP entscheidend. Mit einer kalorienreichen Ernährung wird die Latenzphase stabilisiert. Die Patienten sollten ggf. Traubenzuckerstücke mit sich führen, deren Einnahme bei beginnenden abdominellen Schmerzen eine kritische Symptomentwicklung verhindern kann.
Weiterführende Links
Morbus Wilson - Kupferspeichererkrankung
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Alpha 1-Antitrypsinmangel
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Amyloidose
Systemische Amyloidosen sind seltene Erkrankungen, die durch die Ablagerung pathologischer Proteine in verschiedenen Organen charakterisiert sind. Die facettenreiche klinische Präsentation erschwert die Diagnose einer Amyloidose, wodurch diese meist erst relativ spät gestellt wird. Verdachtsfälle erfordern daher eine rasche, zielgerichtete Diagnostik sowie Therapieeinleitung in spezialisierten Zentren.
Die Klassifikation der systemischen Amyloidosen orientiert sich an der Art des Proteins. Am häufigsten ist die Leichtketten-Amyloidose (AL) gefolgt von der Wildtyp-Transthyretin-Amyloidose (ATTRwt). Die hereditäre Transthyretin-Amyloidose (ATTRv) ist der häufigste familiäre/angeborene Typ.
Für Deutschland existieren bislang keine validen epidemiologischen Daten.
Als häufigste Form wurde bislang die Leichtketten (AL)-Amyloidose angesehen. Ihre Inzidenz wird auf 8,9–12,7/Millionen Personenjahre, die Prävalenz auf 40–58/Millionen Personenjahre geschätzt.
Die hereditäre ATTR (ATTRv)-Amyloidose betrifft weltweit schätzungsweise bis zu 50.000 Menschen (Prävalenz Beispiele: Portugal 1:5.020, Schweden 1:38.700, Deutschland 1:673.000)
Im Gegensatz dazu wurde die altersbedingte Wildtyp-Transthyretin (ATTRwt)-Amyloidose bisher unterschätzt, wird aber zunehmend häufiger diagnostiziert: 25 % der über 80-jährigen und 13 % der über 60-jährigen Patienten mit Herzinsuffizienz mit erhaltener linksventrikulärer Auswurffraktion (HFpEF) sind vermutlich betroffen, entsprechend wurde die Prävalenz bislang unterschätzt.
Bei Verdacht auf Amyloidose ist zur Diagnosesicherung ein histologischer Amyloidnachweis unerlässlich. Als Verfahren eignet sich die wenig invasive, komplikationsarme Bauchfettaspiration mit Subtyp-abhängiger diagnostischer Sensitivität (kardiale AL-Amyloidose 84 %, ATTRwt-Amyloidose 15 %, ATTRv-Amyloidose 45 %). Bei negativem Ergebnis kann eine Speicheldrüsen- oder tiefe Rektumbiopsie erfolgen.
Direkte Organbiopsien sind aufgrund des invasiveren Charakters und des erhöhten Blutungsrisikos nur bei fortbestehender diagnostischer Unsicherheit oder bei besonderen Konstellationen wie isoliertem kardialen Befall mit koexistenter monoklonaler Gammopathie indiziert.
Nicht selten wird die Amyloidose jedoch zufällig bei Organbiopsien diagnostiziert, die aus anderen Gründen durchgeführt werden.
Bei Nachweis von Amyloid ist im Hinblick auf die Therapie eine eindeutige Amyloid-Typisierung zwingend erforderlich. Die Subtypisierung kann mittels Massenspektroskopie, Immunhistochemie (Cave: fehleranfälliger) oder Immunelektronenmikroskopie in Speziallaboren mit entsprechender Expertise erfolgen. Bei Nachweis einer potenziell hereditären Form sollte stets eine Mutationsanalyse des entsprechenden Gens erfolgen.
Da alle Organe betroffen sein können, ist die Symptomatik bei einer Amyloidose vielgestaltig.
Am häufigsten manifestiert sich die Erkrankung als:
Schnell fortschreitende symmetrische sensomotorische Polyneuropathie,
Herzinsuffizienz, mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF)
Nicht geklärte Erhöhung kardialer Biomarker
Nephrotisches Syndrom mit Proteinurie +/- Niereninsuffizienz,
Hepatopathie +/- Cholestase und Hepatomegalie
Malabsorptions-Syndrom mit Diarrhoen und Gewichtsverlust.
Das klinische Erscheinungsbild einer Amyloidose variiert sehr stark in Abhängigkeit von Subtyp, Muster und Schweregrad der Organbeteiligung. Aufgrund geringer Spezifität werden Prodromi häufig fehlinterpretiert – typischerweise als Symptome von Volkskrankheiten. Die Diagnosestellung erfolgt häufig verzögert – bei 20 % der Patienten mit einer AL-Amyloidose wird nach mehr als zwei Jahren und bei 42 % der Patienten mit einer kardialen ATTRwt-Amyloidose nach mehr als vier Jahren seit Symptombeginn die Erkrankung diagnostiziert.
„Das Herz bestimmt die Lebenszeit“
Typischerweise entwickeln Patienten mit einer Amyloidose, besonders mit einer ATTR, eine restriktive Kardiomyopathie. Die Erhöhung des NT-ProBNP ist dabei ein zuverlässiger Indikator für die kardiale Beteiligung und somit auch für die Prognose,
Eine exakte Charakterisierung der Organbeteiligung hinsichtlich Ausmaß und Schweregrad der Beteiligung ist essenziell, insbesondere für die Therapieplanung bei AL-Amyloidose.
Der nachfolgende Text konzentriert sich auf die AATR-Amyloidose. Zur Thematik der AL-Amyloidose (Schönland et al. 2017) sowie der kardialen (Yilmaz et al. 2019) und neulogischen (Adams et al. 2019 und 2020) Organmanifestationen bei Amyloidose verweise ich auf die unten aufgeführten aktuellen Übersichtsarbeiten.
ATTR-Amyloidose
Transthyretin (TTR) ist ein Protein, das primär in der Leber und, in geringeren Mengen, in der Netzhaut und dem Plexus choroideus gebildet wird. TTR ist ein Transport-Protein für das Schilddrüsenhormon Thyroxin und ist beteiligt am Transport von Vitamin-A. Die Pathologie der ATTR-Amyloidose ist ein Prozess, der in mehreren Schritten abläuft. Die wildtyp Form von TTR, das in kleinen Mengen im Blutkreislauf auftritt, tendiert dazu, sich in seine monomerische Form abzubauen, die sich dann fehlfalten und ablagern kann. Bei der hereditäre ATTRv-Amyloidose treten TTR-Aggregate bzw. -Fibrillen im Nervensystem, im Herzen oder anderen Geweben auf. Die genetischen Mutationen des TTR-Gens können das TTR-Tetramer destabilisieren, sodass die Bildung krankheitsverursachender Proteinaggregate aus dem TTR wahrscheinlicher wird.
Bei ATTRv-Amyloidose bestand lange der einzige Therapieansatz in einer Lebertransplantation. Das 20-Jahres-Überleben nach Lebertransplantation betrug in einer internationalen Auswertung von fast 2.000 Patienten mit ATTRv-Amyloidose aus 19 Ländern 55 %. Prognostisch entscheidend ist die rechtzeitige Indikationsstellung und das Fehlen schwerer Organmanifestationen zum Zeitpunkt der Transplantation. Die explantierte, einwandfrei funktionierende Leber eines Patienten mit ATTRv-Amyloidose kann im Rahmen einer sogenannten Dominotransplantation einem Patienten transplantiert werden, der anderweitig kein Organ erhalten würde. Es resultiert für den Transplantatempfänger jedoch die Gefahr einer iatrogenen ATTRv-Amyloidose.
Primäres Ziel neuer Therapieansätze ist die Verlangsamung beziehungsweise Verhinderung der Krankheitsprogression durch „gene silencing“-Strategien, TTR-Stabilisierung sowie Abbau bereits entstandener Amyloidablagerungen:
Literatur
AL-Amyloidose:
Schönland S et al. Amyloidose (Leichtketten (AL) - Amyloidose). Onkopedia Leitlinien Stand 09/2017 (https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/amyloidose-leichtketten-al-amyloidose/@@guideline/html/index.html)
Kardiologie
Yilmaz, A. et al. Diagnostik und Therapie der kardialen Amyloidose. Kardiologe 2019;13: 264–291. https://doi.org/10.1007/s12181-019-00344-5
Neurologie
Adams D et al. Hereditary transthyretin amyloidosis: a model of medical progress for a fatal disease. Nat Rev Neurol. 2019;15(7):387-404.
Adams, D. et al. Expert consensus recommendations to improve diagnosis of ATTR amyloidosis with polyneuropathy. J Neurol (2020). https://doi.org/10.1007/s00415-019-09688-0 [Epub ahead of print]
Links:
International Society of Amyloidosis: http://www.amyloidosis.nl/
Deutsche Gesellschaft für Amyloid-Krankheiten (DGAK): http://www.amyloid.de/
Systemische Mastozytose
Text folgt
Dunnigan Syndrom - Familiäre partielle Lipodystrophie
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Hyperammoniakämie – Harnstoffzyklus-Defekte
Text folgt
Die konkrete Definition unterscheidet sich von Land zu Land. Die EU-Behörden z.B. verwenden eine Krankheitshäufigkeit (Prävalenz) von höchstens 1:2.000 (5 von 10.000) Menschen, die USA 1:1.500 und Japan 1:2.500.
Rund 8.000 seltene Erkrankungen sind bisher bekannt. 4 von 5 (etwa 80 Prozent) sind genetisch bedingt. Etwa 75 Prozent davon betreffen Kinder. Die Verläufe sind in der Regel chronisch, schwerwiegend und betreffen oft mehrere Organe gleichzeitig. Viele dieser Krankheiten sind daher lebensbedrohlich oder führen zu Invalidität. Es versterben mehr Menschen an diesen Erkrankungen als an allen Tumorerkrankungen zusammen. Jedes 3. betroffene Kind erlebt nicht seinen 5. Geburtstag.
Obwohl die einzelne Krankheit selten ist, sind es doch viele verschiedene Krankheiten, weshalb letztlich viele Menschen an ihnen leiden. Mehr als 350 Millionen Betroffene gibt es weltweit, in Europa sind es mehr als 30 Millionen. In Deutschland leben rund 4 Millionen Betroffene mit seltenen Erkrankungen.
Sie alle haben, trotz ihrer ganz unterschiedlichen Krankheiten, bisher mit sehr ähnlichen Problemen zu kämpfen: Extrem lange Diagnosewege und die unzureichende Versorgung mit Therapien, Medikamenten und Informationen belasten die Betroffenen und ihre Familien oft jahrelang. Schon die Suche nach geeigneten Expertinnen und Experten, die überhaupt in der Lage sind, eine Diagnose zu stellen, gleicht nicht selten einer jahrelangen Odyssee.
„Wir müssen alles dafür tun, dass diese Patienten viel früher diagnostiziert werden“.
Ein Großteil der Betroffenen berichtet über einen jahrelangen Leidensweg bis zur endgültigen Diagnose. 40 % erhalten mindestens einmal eine Fehldiagnose. Im Durchschnitt vergehen fünf bis sieben Jahre bis die Betroffenen eine richtige Diagnose erhalten, bis dahin werden typischerweise bis zu acht Ärztinnen/Ärzte aufgesucht. Ihre Krankengeschichte liest sich häufig wie eine lange Reise zwischen Erfolgen und Rückschlägen, Hoffnungen, Verzweiflung und Angst.
Sowohl die Diagnosestellung als auch die Erforschung der Krankheiten und die Therapieentwicklung sind aufgrund ihrer Seltenheit schwierig und bedürfen eines hohen Grads an Vernetzung von Experten vieler Fachrichtungen.
Es muss daher zum einen die fachübergreifende Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe gefördert und die strikte Trennung zwischen Kliniken und Praxen aufgebrochen werden. Mehr Kooperation, Vernetzung und sektorenübergreifende Versorgungsmodelle sind aus diesem Grunde unerlässliche Schritte, um die Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen zu verbessern.
Zum anderen muss die wissenschaftliche Forschung und Medikamentenentwicklung durch die pharmazeutischen Unternehmen gefördert werden.
„Selten“ heißt nicht „vergessen“: Denn auch Menschen mit seltenen Erkrankungen sollen am medizinischen Fortschritt teilhaben können“.
Lange haben seltene Krankheiten wenig Aufmerksamkeit erhalten. Sie wurden deshalb auch „verwaiste Krankheiten“, Orphan Diseases, genannt. Medikamente gegen seltene Krankheiten werden daher als Orphan Drugs bezeichnet.
Die Entwicklung von Orphan Drugs ist aus mehren Gründen eine große Herausforderung.
Arzneimittel zu entwickeln, ist meist nur möglich, wenn die Krankheitsprozesse im Körper genau aufgeklärt sind. Aber gerade mangelnde Kenntnis über Entstehung und Verlauf ist das Kennzeichen einer seltenen Erkrankung. Deshalb steht vor der Entwicklung eines Orphan Drug eine aufwendige Grundlagenforschung.
Ein neues Orphan Drug in klinischen Studien zu erproben, ist mit großem Aufwand verbunden. Es ist schwer, genügend Studienteilnehmer zu gewinnen: Es gibt nur wenige Patienten, und viele von ihnen wissen gar nicht, dass es die betreffende Krankheit ist, an der sie leiden.
Auch ethisch gesehen ist die klinische Entwicklung eines Orphan-Medikaments eine Herausforderung: Zunächst noch wenig gesichertes Wissen über die Krankheit und die in Erprobung befindliche Therapie kollidiert mit dem nachvollziehbaren Wunsch der Patienten nach schneller Verfügbarkeit einer zugelassenen Behandlung.
Deshalb ist es wichtig, dass die notwendige Infrastruktur, so wie es im Nationalen Aktionsplan des NAMSE vorgesehen ist, weiter ausgebaut wird. Dazu gehören z. B. Fachzentren und Kompetenznetzwerke, in denen Spezialisten interdisziplinär zusammenarbeiten. Oder Lotsen, die bei unklaren Diagnosen dafür sorgen sollen, dass Menschen mit seltenen Leiden schneller den Weg zu einem Spezialisten finden.
In entsprechenden Spezialzentren erhalten Patienten mit unklaren und seltenen Diagnosen Zugang zu modernen diagnostischen Verfahren und interdisziplinärer Versorgung durch Spezialisten, damit auch Patienten mit seltenen Erkrankungen an den immensen medizinischen Fortschritten teilhaben können.
Weitere Informationen
Allianz chronischer seltener Erkrankungen (ACHSE):
https://www.achse-online.de/de/
Nationales Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE)
https://www.namse.de
Die Eva Luise und Horst Köhler Stiftung (ELHKS) für Menschen mit Seltenen Erkrankungen
https://www.elhks.de/seltene-erkrankungen/
https://www.elhks.de/seltene-erkrankungen/anlaufstellen/