Formgedächtnis-Legierungen (FGL) können nach relativ starker Verformung ihre ursprüngliche (programmierte) Gestalt wieder einnehmen. Je nach Legierungszustand erfolgt diese Umkehr entweder unmittelbar nach Entlastung (pseudoelastisches/superelastisches Verhalten) oder nach Erwärmung oberhalb einer legierungsspezifischen Temperatur (Formgedächtniseffekt). Zu den wichtigsten FGL zählen Cu-Zn-X-Legierungen (mit X=Si, Sn oder Al) und die intermetallische NiTi-Legierung (Nickelgehalt von ca. 55gew.%), wobei letztere aufgrund günstigerer Eigenschaften eine größere technologische Bedeutung erlangen konnten.
Der Formgedächtnis-Effekt beruht auf einer thermoelastischen Martensitumwandlung einer reversiblen und diffusionslosen durch Scherung der Gitterebenen bedingten Phasenumwandlung. Die Abkühlung der Hochtemperaturphase (genannt Austenit) unter der legierungsspezifischen Martensitstarttemperatur (Ms) führt zu der o.g. Strukturumwandlung ohne Gestaltänderung und ohne irreversible plastische Verformung wie sie bei Stählen angetroffen wird. FGL lassen sich im martensitischen Zustand leicht verformen. Die reversible Verformung kann bis zu 8% bei NiTi betragen. Diese Verformung ist bleibend, solange sich die Legierung im martensitischen Zustand befindet. Die Erwärmung oberhalb der legierungsspezifischen Austenitstarttemperatur (As) führt dann zur Rückführung in den ursprünglichen Zustand.
Bei FGL lässt sich der Austenit in einem bestimmten Temperaturbereich ebenfalls durch das Anlegen einer kritischen Spannung in Martensit umwandeln (spannungsinduzierter Martensit). Die Entlastung führt dann zur Rückumwandlung des Martensits in Austenit. Die dabei erreichten reversiblen Dehnungen können bis zu 8% betragen. Die Umwandlung und Rückumwandlung von Martensit in Austenit findet bei unterschiedlichen Temperaturen (Formgedächtnis) bzw. Spannungen (Superelastizität) statt, so dass jeweils eine Hystereseschleife durchlaufen wird.
Die quasi-stoichiometrischen NiTi-Legierungen (in Massengehalt ca. 58% Ni und 42% Ti) kombinieren ein ausgeprägtes Formgedächtnis bei Körpertemperatur mit hoher Korrosionsbeständigkeit und guter Bioverträglichkeit. NiTi-Legierungen mit Formgedächtnis werden seit den achtziger Jahren in der Medizintechnik und Kieferorthopädie eingesetzt. Durch geeignete Be- und Verarbeitung können die Eigenschaften in einem breitem Spektrum eingestellt und eine Vielfalt an Bauteilformen für spezifische Anwendungen hergestellt werden.