Allgemeines
Der Ventrikelseptumdefekt ist der häufigste angeborene Herzfehler mit einer Häufigkeit von bis zu 50% je nach UNtersuchungsstichprobe. Er kommt isoliert oder in Kombination mit anderen Fehlbildungen des Herzens und der großen Arterien vor.
Anatomie
Bei einem Ventrikelseptumdefekt besteht eine Lücke in der Scheidewand (Ventrikelseptum) zwischen den beiden Herzkammern. Der Defekt kann an verschiedenen Stellen der Scheidewand liegen, am häufigsten unterhalb der Körperschlagaderklappe (subaortal), seltener in tiefer liegenden Anteilen (sogenannte muskuläre Defekte). Es können auch mehrere Defekte an unterschiedlichen Stellen der Kammerscheidewand bestehen.
Folgewirkungen
Da im Körperkreislauf und damit in der linken Herzkammer ein höherer Druck herrscht als im Lungenkreislauf und der rechten Herzkammer, fließt sauerstoffreiches Blut aus der linken durch den Defekt in die rechte Herzkammer und von dort in die Lungengefäße (links-rechts-Shunt). Die Folgewirkungen sind abhängig von der Größe des Defektes.
Besteht nur ein kleiner Defekt zwischen den Herzkammern, sind die Kinder unbeeinträchtigt, der Defekt stellt für das Herz keine nennenswerte Mehrbelastung dar. Viele dieser kleinen Defekte werden im Laufe der Zeit noch kleiner oder verschließen sich komplett. Eine Behandlung ist in diesen Fällen nicht erforderlich.
Bei mittelgroßen oder großen Defekten fließt ein Großteil des sauerstoffreichen Blutes aus der Lunge zunächst in die linke Vorkammer, dann in die linke Hauptkammer und über den Defekt in die rechte Herzkammer. Die rechte Herzkammer pumpt dieses zusätzliche Blut wieder in die Lunge, was schädliche Folgen für das Herz und die Lungenschlagadern hat. Durch diese unnötige Belastung der beiden Herzkammern, die immer wieder das gleiche Blut pumpen müssen, kommt es zur Vergrößerung des Herzens.
Bei sehr großen Defekten gleichen sich im Laufe der Zeit die Druckverhältnisse der rechten Herzkammer und der Lungenschlagader denen der linken Herzkammer an. Dies führt dazu, dass sich die Lungengefäße langfristig „verhärten“, da deren Wandstruktur auf eine solche Druckbelastung nicht eingestellt ist. Diese Veränderungen sind ab einem bestimmten Punkt nicht mehr umkehrbar. Man spricht dann von einem fixierten Lungenhochdruck (pulmonale Hypertonie), der zu einer Umkehr der Flussrichtung über den Defekt führt, erkennbar an der Blausucht der Patienten infolge des Einstromes des sauerstoffarmen Blutes in den Körperkreislauf. Diese Entwicklung reduziert die Lebenserwartung erheblich, die Patienten versterben mitunter im frühen Erwachsenenalter.
Insofern muss eine operative Behandlung je nach Größe des Defekts im Säuglings- oder Kindesalter erfolgen, bevor die Veränderungen an den Lungengefäßen eintreten.
Behandlung vor der Operation
Kinder mit kleinen Ventrikelseptumdefekten brauchen wegen fehlender Auswirkungen auf das Herz keine Behandlung, also auch keine Operation.
Bei größeren Defekten führt der vermehrte Blutfluss durch die Lunge zu Zeichen der Herzschwäche. Diese sind beschleunigte Atmung, vermehrte Infektanfälligkeit, Trinkschwäche und Gedeihstörung. Bis zum operativen Verschluss des Defektes ist zunächst eine Behandlung mit Medikamenten, die die Herzarbeit erleichtern, angezeigt.
Bei sehr ausgeprägten Symptomen kann eine stationäre Behandlung erforderlich sein, um durch eine Sondenernährung oder eine Atemhilfe die klinische Symptomatik zu lindern. Diese Maßnahmen dienen nur der kurzfristigen Überbrückung bis zur baldmöglichen Operation, die heute bereits ab dem Neugeborenenalter möglich ist; bevorzugt aber bei etwas älteren Säuglingen durchgeführt wird.
Operation
Die Operation erfolgt unter Einsatz der Herz-Lungen- Maschine. Nach Eröffnen des Brustkorbs eröffnet der Kinderherzchirurg den rechten Vorhof und sieht durch die Vorhofklappe (Trikuspidalklappe) auf den Defekt in der Kammerscheidewand. Der Defekt kann dann durch die Vorhofklappe hindurch in der Regel mit einem Flicken, der aus Herzbeutelmaterial oder Kunststoff besteht, verschlossen werden. Danach wird der Vorhof wieder zugenäht.
Bei manchen ungünstig in der muskulären Scheidewand gelegenen Ventrikelseptumdefekten kann der Defekt nur über einen Schnitt in der Muskulatur der rechten Herzkammer erreicht werden. Dies wird nach Möglichkeit jedoch vermieden, weil es später von der Narbe in der Herzmuskulatur ausgehend zu Herzrhythmusstörungen kommen kann.
Im Anschluss an die Operation erfolgt die Behandlung auf der Kinderintensivstation. Die Dauer des Aufenthaltes dort ist von Kind zu Kind sehr unterschiedlich.
Zu den schwersten Komplikationen der Operation gehört die Entstehung einer Überleitungsstörung der elektrischen Erregung vom Vorhof auf die Kammer. Die Behandlung besteht in der Versorgung mit einem künstlichen Schrittmacher.
Herzkatherbehandlung
Je nach Lage und Größe des Defektes besteht in einigen Fällen die Möglichkeit, den Defekt ohne Operation mittels Kathetertechnik mit einem Schirmchen zu verschließen. Nicht alle Kammerscheidewanddefekte sind aufgrund ihrer Größe, Lage oder Form für dieses Verfahren geeignet, so dass eine sorgfältige Auswahl mit Hilfe der echokardiographischen Voruntersuchungen erfolgen muss.
Das Schirmchen wird durch eine in die Leistenvene vorgeschobene Schleuse im Defekt positioniert. Die Prozedur erfolgt meistens in Vollnarkose. Unterschiedliche Konstruktionen der Schirmchen erlauben heute ab einem Körpergewicht von ca. 8 kg den Verschluss bei subaortal und muskulär gelegenen Defekten.
Weiterer Verlauf
Kommt es zu einem spontanen Verschluss eines kleinen Ventrikelseptumdefektes, ist eine weitere Behandlung oder auch eine weitere Kontrolluntersuchung nicht mehr erforderlich. Die Kinder sind herzgesund.
Wurde ein Ventrikelseptumdefekt durch eine Operation oder Katheterbehandlung verschlossen, kann gelegentlich noch eine vorübergehende medikamentöse Entlastung des Herzens über einige Wochen erforderlich sein. Insgesamt sind die Kinder mit einem problemlos operierten Ventrikelseptumdefekt als herzgesund hinsichtlich ihrer körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit zu betrachten. Es gibt keine Einschränkungen beim Sport, bei der späteren Berufswahl oder auch beim Austragen einer Schwangerschaft.
Eine Langzeitbetreuung ist aber lebenslang nötig mit dem besonderen Augenmerk auf die Funktion der Herzkammern und das auch später noch mögliche Auftreten von Herzrhythmusstörungen.
Nach den aktuellen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie ist eine Endokarditisprophylaxe bei Patienten mit einem noch bestehenden Ventrikelseptumdefekt nicht mehr zwingend erforderlich, kann aber im Einzelfall erwogen werden. Bei Patienten mit einem Restdefekt nach der Operation oder Katheterbehandlung wird sie aber weiterhin empfohlen.