Interdisziplinäre Sprechstunde für Kinder und Jugendliche
Was sind Varianten der Geschlechtsentwicklung?
Manchmal liegt bei der Geburt eines Kindes eine Abweichung von der weiblichen oder männlichen Geschlechtsentwicklung vor, so dass das Geschlecht nicht sicher bestimmt werden kann. Diese Situation ist sehr belastend für die Eltern und stellt auch eine große Herausforderung für das Behandlungsteam dar.
Manchmal fällt eine Variante der Geschlechtsentwicklung erst später auf, z.B. wenn die Pubertät nicht eintritt oder unerwartete körperliche Veränderungen auftreten.
Die Ursachen für Varianten der Geschlechtsentwicklung (DSD = Differences of Sex Development) sind vielfältig. Sie beruhen meist auf Besonderheiten im natürlichen Wechselspiel der Geschlechtschromosomen, der Entwicklungsgene und der Geschlechtshormone. Auch heutzutage kann noch nicht in jedem einzelnen Fall eine eindeutige Diagnose gestellt werden.
Eltern stellen sich viele Fragen:
Welche Diagnose liegt bei meinem Kind vor?
Welchem Geschlecht wird sich mein Kind später zugehörig fühlen?
Ist eine operative Behandlung erforderlich?
Ist eine Hormonbehandlung erforderlich?
Wann und wie kläre ich mein Kind über seine Besonderheit auf?
Wie gehe ich mit der Besonderheit meines Kindes im sozialen Umfeld (Verwandtschaft, Schule u.ä.) um?
Wer hilft mir, wenn sich akute Probleme und Ängste ergeben?
Gibt es Selbsthilfegruppen, an die ich mich wenden kann?
Gibt es andere Familien, an die ich mich wenden kann?
Interdisziplinäre Sprechstunde
Die vielfältigen Fragen können nicht immer durch einen einzigen Spezialisten beantwortet werden. Meistens sind für eine umfassende Beurteilung der Diagnose, Prognose und Therapie unterschiedliche Blickwinkel notwendig, sodass je nach Fragestellung unterschiedliche Fachdisziplinen zusammenkommen müssen. Je nach Fragestellung können getrennte oder gemeinsame Sprechstundentermine vereinbart werden. Manchmal werden einmalige Termine gewünscht, manchmal ist eine regelmäßige Betreuung ratsam.
Die Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin I in Kiel / der Fachbereich Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie des Universitären MVZ des UKSH, Campus Kiel und Lübeck arbeiten auf dem Gebiet der Besonderheiten / Varianten der Geschlechtsentwicklung eng zusammen. Sie bilden unter dem Dach des Hormonzentrums Nord ein überregionales Zentrum, dessen Forschungsprojekte durch öffentliche Drittmittel gefördert werden. Je nach Spezialisierung werden bestimmte Untersuchungen in Kiel oder in Lübeck durchgeführt. Im Vordergrund steht die bestmögliche Versorgung für unsere Patienten. Unabhängig davon, an welchem der beiden Standorte Sie sich anmelden, werden deshalb auch Terminvereinbarungen am jeweils anderen Standort empfohlen und vermittelt, falls dies medizinisch notwendig ist oder eine zweite Meinung benötigt oder gewünscht wird.
Wichtig ist uns eine umfassende Information für die Eltern, einschließlich einer altersangemessenen Aufklärung der Kinder und Jugendlichen. Bei Entscheidungen versuchen wir nicht nur die Eltern, sondern wann immer medizinisch möglich auch die Kinder und Jugendlichen einzubeziehen.
Diagnose und Therapie
Ärztliche Untersuchung
Ggf. gemeinsam durch Expertinnen und Experten der Kinderendokrinologie, Kinderurologie und Humangenetik
Hormonelle Diagnostik
Insbesondere die sehr genaue Bestimmung von Nebennierenhormonen und Sexualhormonen, Steroidprofile, Speichelprofile für 17OH-Progesteron.
Urinsteroidprofile bei der Stoffwechseleinstellung von AGS-Formen werden in Kooperation mit Prof. Dörr aus Erlangen untersucht.
Hormonelle Therapie
Manchmal sind spezielle Formen der Hormontherapie erforderlich, z.B. der ersatz der Nebennierenrindenfunktion durch Glucocorticoide und Mineralocorticoide oder der Ersatz der Hoden- oder Ovarfunktion durch Androgene oder Östrogene. In speziellen Fällen kommt auch eine hormonelle Hemmung der Hormonbildung in Betracht.
Humangenetische Beratung
Genetische Untersuchung
Y-Chromosomnachweis, Chromosomenanalyse, Array-CGH in der Humangenetik, Einzelgenuntersuchung und Next Generation Sequencing (NGS-) Genepanels von Genen der Sexualhormonbildung und Sexualhormonwirkung im Molekulargenetiklabor der Kinderendokrinologie.