Das Hygiene-Institut in Kiel
1888 wurde nach dreijährigem Bemühen der Medizinischen Fakultät das Hygiene-Institut in Kiel gegründet. Wahrscheinlich als Referenz an Johannes Bockendahl, der von Hause aus Gerichtsmediziner durch Vorlesungen über öffentliche Gesundheitskunde und Veröffentlichungen der “Generalberichte über das öffentliche Gesundheitswesen” den Weg für die Neugründung des Institutes bereitet hatte, zunächst als “hygienische Abtheilung im Institut für Staatsarzneykunde”, doch schon bald (1891) umbenannt in das “Hygienische Institut” der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Leiter der hygienischen Abteilung und erster Direktor des Institutes wurde Bernhard Fischer, der seine Ausbildung in Berlin bei Robert Koch erhalten hatte. Wie es damals üblich war, umfasste die Tätigkeit Fischers hygienische und bakteriologische Fragestellungen - so entwickelte er z.B. mit seinen Mitarbeitern Ludwig Bitter und Gerhard Wagner ein Verfahren zur vereinfachten und verbilligten Herstellung von Cholera-Impfstoff - doch war durch die Teilnahme an mehreren Expeditionen vor allem sein Interesse an wasserhygienischen Problemen geweckt worden. Seit der Zeit Fischers bilden wasserhygienische Fragestellungen einen Arbeitsschwerpunkt des Instituts, verstärkt durch die günstige geographische Lage, aber auch durch die Tatsache, dass das Hygiene-Institut von Anfang an die Aufgaben eines Medizinaluntersuchungsamtes für die Provinz später das Land Schleswig-Holstein wahrnahm.
1915 starb Bernhard Fischer, 1917 wurde der Lehrstuhl mit Karl Kisskalt neu besetzt. Kisskalt hatte die sich befehdenden Schulen von Max Pettenkofer und Robert Koch durch seine Tätigkeiten an verschiedenen Universitäten kennengelernt und war von der komplementären Verbindung von Hygiene und Bakteriologie überzeugt. Auch heute noch ist die gute Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen Medizinische Mikrobiologie und Hygiene in Kiel Usus, darüber hinaus gibt es natürlich noch vielerlei Kontakte zu anderen klinischen und naturwissenschaftlichen Fächern, wie z.B. Immunologie, Allgemeine Mikrobiologie oder Meereskunde.
1924 wurde Kisskalt auf den Bonner Lehrstuhl berufen und der Schleswig-Holsteiner Arthur Korff-Petersen sein Nachfolger in Kiel. Seine Amtszeit währte jedoch nur zwei Jahre, da er 1927 schwer erkrankte und verstarb. Von 1928 bis 1934 leitete Hermann Dold das Kieler Hygiene-Institut. Dold, der vorher u.a. in Tübingen, London, Berlin, Shanghai und Straßburg gearbeitet hatte, war im Gegensatz zu Korff-Petersen, der sich mit Heizung, Lüftung und Beleuchtung beschäftigt hatte, mit dem Arbeitsschwerpunkt Serologie eher Bakteriologe als Hygieniker. 1934 übernahm Dold den Tübinger Lehrstuhl, Ernst Rodenwaldt, sein Nachfolger in Kiel, blieb lediglich ein Jahr und wurde von Werner Bachmann abgelöst, der bis zum Kriegsende Direktor des Instituts war. Bachmanns Spezialgebiet war die Sozialhygiene, ein Interesse, das auch der nächste Lehrstuhlinhaber Franz Klose teilte.
Im Krieg war das ursprüngliche Gebäude des Hygiene-Instituts fast vollständig zerstört worden. Nach einigen Provisorien wurde Dank Kloses guter Verbindungen und seines steten Einsatzes das heutige Gebäude bezogen, das auf den Resten des Chemischen Instituts aufgebaut wurde. Dieser Standort war schon bei der Neugründung des Instituts 1888 erwogen, aber wieder verworfen worden. An die ehemalige Nutzung durch die Chemiker erinnert indirekt eine Tafel am Eingang, mit der Professor Diels, der Kieler Nobelpreisträger von 1950, der hier seine Experimente zur Dien-Synthese durchführte, geehrt wird.
Franz Klose, Stadtarzt und Stadtmedizinalrat in Kiel mit Lehrauftrag für Sozialhygiene übernahm nach Kriegsende die Leitung des Instituts und Medizinaluntersuchungsamtes. Neben dieser Funktion war er auf außerordentlich vielfältigen Gebieten Berater von verschiedenen Institutionen in Politik und Verwaltung auf Landes- und Bundesebene sowie der WHO und begründete damit die Tradition der Gremienarbeit, die auch heute noch eine wichtige Rolle spielt. Klose wurde 1949 die systematische Typhus- und Paratyphusbekämpfung übertragen, eine Funktion, die z.Z. noch für sämtliche übertragbare, meldepflichtige Infektionskrankheiten vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Virologie wahrgenommen wird. Er schuf außerdem eine Abteilung für Elektronenmikroskopie, führte die Blutgruppen- und Infusionsserologie ein, aus der unter der Instituts-Leitung seines Nachfolgers die eigenständige Blutspendezentrale unter der Leitung von Volkmar Sachs, jetzt Institut für Transfusionsmedizin, hervorging.
Bereits in der Amtszeit von Dold bzw. Bachmann waren Friedrich Pels Leusden und Willy Maassen am Kieler Institut tätig und sorgten wie früher Ludwig Bitter für eine Kontinuität der Routinearbeit während der vielen Leitungswechsel zwischen Fischer und Klose, sodass früher, wie heute das Hygiene-Institut in Kiel zu den größten Deutschlands gehört. 1957 übernahm Horst Gärtner für die nächsten 23 Jahre die Leitung des Hygiene-Instituts und prägte die weitere Entwicklung stark.
1980, nach der Emeritierung Gärtners wurde das bis dahin ungeteilte Institut in die drei Abteilungen Hygiene und Sozialhygiene, Medizinische Mikrobiologie sowie Immunologie geteilt, die aber auch weiterhin eng zusammen arbeiteten und über viele Jahre zusammen wirtschafteten. Als Anfang der 90er Jahre die Immunologen wegen akuter Raumnot auszogen, lockerte sich das Verhältnis zu den “Abtrünnigen” zwar etwas, doch bestehen immer noch engere Kontakte als zu den anderen Abteilungen der Universität. Das Institut für Hygiene und Umweltmedizin sowie die an das Institut angegliederte MTA-Schule wurden von Knut-Olaf Gundermann übernommen, ebenso ein Gärtner-Schüler wie Wolfgang Müller-Ruchholz, dem inzwischen emeritierten Direktor des Instituts für Immunologie. Das Institut für Medizinische Mikrobiologie und Virologie übernahm Uwe Ullmann. Arbeitsschwerpunkte der Schwesterinstitute sind u.a. experimentelle Chemotherapie, Pathogenitätsfaktoren und Epidemiologie, infektiologische Forschung, mikrobiologische Diagnostik (Med. Mikrobiologie) sowie Transplantationsimmunologie, Tumorimmunologie und Signaltransduktion (Immunologie).