In Kiel, wie auch in anderen Städten, wurde im 19. Jahrhundert neurochirurgische Tätigkeit, die hauptsächlich auf die Versorgung von Schädelverletzten ausgerichtet war, als Teil operativer Tätigkeit in der Chirurgischen Klinik ausgeführt. Inauguraldissertationen jener Zeit über Nervennähte 1838, über Schädelfrakturen 1876 und die operative Behandlung der Epilepsie 1895 belegen dies für Kiel.
Der eigentliche Beginn erfolgreicher Gehirnchirurgie wird international mit dem Jahre 1884 verknüpft. Zum ersten Mal gelang die operative Entfernung eines intrazerebralen Hirntumors den Engländern R. J. Godlee und A.H. Bennet, einem Team aus Chirurgen und Neurologen.
Über die nachfolgenden Jahrzehnte verblieb hirnchirurgische Tätigkeit Teilaspekt der Allgemeinen Chirurgie, so auch in Kiel. Alfred Wilhelm Anschütz (1870-1954), Lehrstuhlinhaber für Chirurgie von 1907 bis 1937 in Kiel, konnte 1926 über neurochirurgische Aspekte des Cholesteatoms im Kleinhirnbrückenwinkel berichten. Der Allgemeinchirurg Anschütz betrieb Neurochirurgie gleich anderen bekannten Chirurgen dieses Zeitabschnittes wie F. Krause, F. Sauerbruch und N. Guleke. In diesem Jahrzehnt verließ der Mitarbeiter und Schwager von Anschütz, Wilhelm Löhr (1889-1941), die Kieler Klinik, um 1931 die Chirurgische Klinik des Städtischen Altstadt-Krankenhauses in Magdeburg zu übernehmen. Durch Löhr erfuhr die Hirnchirurgie im diagnostischen Feld einen ganz wesentlichen Auftrieb. Sein großes Verdienst ist es, für die Diagnosefindung intrakranieller Veränderungen die Hirngefäßangiografie mit Thorotrast in Deutschland eingeführt zu haben, mit der Prozesse und Gefäßveränderungen im Schädelinneren zum ersten Mal dargestellt werden konnten.
Robert Wanke (1896-1962), mit dem Jahr 1946 Lehrstuhlinhaber für Chirurgie in Kiel geworden, war bereits seit seiner Bestallung 1922 Assistent von Anschütz gewesen. Frühzeitig lag sein wissenschaftliches Interessengebiet bei neurochirurgischen Themen. 1930 veröffentlichte er die Arbeit „Klinischer and physiologischer Beitrag zur Osmotherapie (Dehydration) bei Hirndruck“ und fasste darüber Jahrzehnte später seine Forschungsergebnisse in dem Buch „Pathophysiologie der frischen, geschlossenen Hirnverletzung" zusammen. Nicht nur dem Gebiet des Schädelhirntraumas widmete er eine Vielzahl von Arbeiten; auch Aspekte der Synostosen, der Kleinhirntumore, der Engpasssyndrome wurden von ihm bearbeitet. Trotz dieses zeitlebens erhaltenen besonderen Interesses an neurochirurgischen Fragestellungen trat er der Verselbstständigung der Neurochirurgie wie auch anderer Teildisziplinen entgegen. Als Klinikchef, so K. H. Bauer in seinem Nachruf auf Wanke, huldigte er dem ,,Unter-einem-Dach-Prinzip", d.h. dem festen Zusammenhalt aller Teildisziplinen.
In Deutschland war jedoch 1934 an der Chirurgischen Klinik von Fritz König in Würzburg eine Neurochirurgische Abteilung eingerichtet und mit W. Tönnis besetzt worden. Dem folgte bereits 1937 an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin der erste Lehrstuhl Gehirnchirurgie für Tönnis und eine eigenständige Neurochirurgische Klinik.
Seit 1955 gab es schließlich die Facharztanerkennung Neurochirurgie.
Wenn schon keine Selbstständigkeit zuerkannt wurde, so gewährte Wanke 1955 wenigstens den Status einer Neurochirurgischen Abteilung in seiner Chirurgischen Klinik. Als Leiter setzte er dafür Elmar Bues (1920-1970) ein, der nach der Bestallung 1945 und einer Ausbildung in Göttingen 1948 zu Wanke kam. Ihm kommt das Verdienst zu, die Abteilung aufgebaut zu haben und H. W. Pia hält in seinem Nachruf auf Bues fest, dass „Bues der Gründer der Neurochirurgie in Kiel“ ist. Seine wissenschaftlichen Arbeiten widmeten sich den Themen der Hirntraumatologie und denen der Hirnnervenneuralgien. Seine Habilitationsschrift befasste sich mit dem Komplex „Posttraumatischer Kopfschmerz“.
Auch noch unter dem Nachfolger von Wanke, Berthold Löhr, Sohn des erwähnten Wilhelm Löhr, blieb 1963 die Neurochirurgische Abteilung Teil der Chirurgischen Klinik.
Bues, 1970 frühzeitig verstorben, konnte die Einrichtung des Lehrstuhls für Neurochirurgie im Jahre 1971 und die damit verbundene Selbstständigkeit des Fachgebietes nicht mehr erleben. Das Ordinariat wurde mit Hans-Peter Jensen (1921-2000) aus Würzburg besetzt, der bis 1990 sehr erfolgreich die Neurochirurgische Klinik leitete.
Es folgte Maximilian Mehdorn (Mehdorn Stiftung), aus Essen kommend, als Nachfolger für die nächsten 25 Jahre.
Am 1. April 2015 folgte ihm Michael Synowitz aus Berlin.