Regenerative Medizin

Die zurzeit etablierten pharmakologischen und chirurgischen Behandlungsmethoden können bei der Therapie von Verletzungen des zentralen und/oder peripheren Nervensystems nur sehr bedingt die vorliegenden Schädigungen beheben. Insbesondere aber sind die Möglichkeiten für die Behandlung der verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen, z.B. der Parkinsonschen oder Alzheimerschen Erkrankung, limitiert und beschränken sich weitgehend auf die vorübergehende Verbesserung der Symptomatik. Daher haben wir Forschungsprojekte initiiert, deren Ziel die Etablierung alternativer Behandlungskonzepte in der neurochirurgischen Therapie ist. Dabei liegt der Schwerpunkt zum einen auf dem Versuch der teilweisen oder vollständigen Wiederherstellung der Funktion von geschädigten Neuronen. Zum anderen sollen Strategien entwickelt werden, die den Ersatz von geschädigten oder abgestorbenen Neuronen durch adulte Stammzellen zum Ziel haben.

Wiederherstellung der Funktion von Nervenzellen

Speziell im Falle des peripheren Nervensystems zeigen durch Traumata geschädigte Nervenbahnen eine gewisse Tendenz zur Regeneration. Solche regenerativen Vorgänge beobachtet man z.B. bei Axonen der Neuronen des Rückenmarks. Diese Vorgänge sind hinsichtlich der Dauer und des Rückgewinns an Funktionalität jedoch sehr ineffizient. Nach dem derzeitigen Stand der Forschung liegt dies u.a. an so genannten „abstoßenden Molekülen“ (engl.: repulsive molecules) die von der extrazellulären Matrix oder Zellen im Umfeld der geschädigten Neuronen präsentiert oder von den Zellen ausgeschüttet werden. Daneben gibt es aber auch Moleküle, die das Auswachsen von Axonen fördern können. Unsere Projekte untersuchen die Möglichkeit das Regenerationsverhalten von Nervenzellfortsätzen durch die Zugabe von Cocktails von Reagenzien zu steigern, indem die Wirkung „abstoßender Moleküle“ vermindert und die Präsenz „anziehender Moleküle“ erhöht wird.

Ersatz von geschädigten oder abgestorbenen Neuronen

Das Ziel dieser Forschungsprojekte ist es Strategien zu entwickeln, die adulte Stammzellen (aus neuralen oder nicht-neuralen Quellen) für die Transplantation ins Zentralnervensystem des Menschen nutzbar machen, deren Überleben im Zielgewebe maximieren und eine neoplastische Entartung dieser Zellen praktisch ausschließen. Dabei gilt es einige Probleme zu lösen, die für den Erfolg einer Transplantation kritisch, nach dem heutigen Stand der Forschung aber nahezu ungelöst, sind. Dies sind (i) die Verfügbarkeit möglichst großer Mengen immunkompatibler Zellpopulationen mit der Fähigkeit zur neuronalen Differenzierung, (ii) die Differenzierung und Reifung der transplantierten Zellen in funktionelle Neuronen, (iii) die funktionelle Anordnung der „neuen“ Neuronen im geschädigten Gewebe (Migration, Assoziation mit anderen Zelltypen und der extrazellulären Matrix) und (iv) die funktionelle Integration der „neuen“ Neurone in das neuronale Netzwerk (Auswachsen von Dendriten und Axonen; Ausbildung funktioneller synaptischer Kontakte).

Stammzellen aus dem adulten Gehirn

Im Gehirn des erwachsenen Menschen gibt es zwei Regionen, die lebenslang für einen Nachschub an Neuronen sorgen. Diese Regionen, nämlich die subventrikuläre (SVZ) und die subgranuläre (SGZ) Zone, enthalten Stammzellen die eine „gliale Indentität“ aufweisen und in vivo über Neuroblastenvorläufer in neurale Zellderivate differenzieren können. Wir haben adulte neurale Stammzellen (NSC) isoliert, kultiviert und deren Morphologie, Wachstumsverhalten und Markerexpression charakterisiert (siehe Abbildungen). Dabei arbeiten wir vor allem mit NSC aus dem Bulbus Olfactorius des Menschen und der Ratte. Ziel der laufenden Arbeiten ist es Differenzierungsprotokolle zu entwickeln, die das Überleben der Zellen nach Transplantation und deren Chance auf eine erfolgreiche Integration in den Gewebeverband maximieren. Dazu suchen wir zunächst nach Faktoren, die es ermöglichen NSCs in vitro effizient in definierte Neuronensubtypen (z.B. dopaminerge oder cholinerge Neuronen) zu differenzieren. Dabei legen wir ein spezielles Gewicht auf den Einfluss der Zellumgebung (extrazelluläre Matrix, Zell-Zell-Kommunikation). Im Weiteren soll an Rattenmodellen getestet werden, welche Stadien der fortschreitenden neuronalen Differenzierung die besten Erfolge nach Transplantation von „programierten“ NSCs ergeben

Stammzellen aus nicht-neuralen Geweben

Es liegt auf der Hand, dass die neurochirurgische Isolation von adulten neuralen Stammzellen (NSC) aus der SVZ (subventrikläre Zone) bzw SGZ (subgranuläre Zone) zur späteren autologen Transplantation kein einfaches und für den Patienten unproblematisches Unterfangen ist. Daher erscheint es uns wichtig alternative Quellen für Stammzellen zu testen, die ebenfalls gezielt in neurale Derivate differenziert werden können. Eine solche potenzielle Quelle - und ein zudem einfach zugängliches Organ - ist die menschliche Kopfhaut. Aus diesem Grund sind wir dabei, in enger Zusammenarbeit mit der Gruppe von Prof. Dr. Paus (Klinik für Dermatologie am UK-SH, Campus Lübeck) die Möglichkeiten eines Konzepts „Neuronen aus Haarwurzeln“ zu eruieren.

Autologe versus heterologe Transplantation

Neben Konzepten die den Neurochirurgen dem Ziel einer autologen Transplantation von Stammzellen zum Zwecke der Regeneration von Neuronen näher bringen sollen, arbeiten wir auch an Konzepten zur heterologen Transplantation. Dabei ist uns das Anlegen einer Stammzellbank mit charakterisierten, neuralen Stammzellen ein vorrangiges Ziel. Das Etablieren einer solchen Resource für Transplantationen ist insbesondere deshalb wichtig, weil das Anlegen von Stammzellkulturen zur autologen Transplantation auch in Zukunft Kosten-intensiv bleiben und sicher nicht immer zum gewünschten Ziel führen wird. Kritische Parameter sind dabei das Bereitstellen einer ausreichenden und geeigneten Zellmenge, aber auch das Alter und die genetische Ausstattung eines Patienten. So würde z.B das Vorhandensein von genomischen Veränderungen, die mit der Entstehung der Erkrankung in ursächlichem Zusammenhang stehen, den Einsatz von Patienten-eigenen Stammzellen verbieten.

Abbildung A, Abbildung B, Abbildung C (v.l.n.r.)

Neurale Stammzellen aus dem Gehirn der adulten Ratte zeigen unterschiedliche Morphologie und co-exprimieren die Marker Nestin
(Bild A) und GFAP (nicht gezeigt)

Nach Induktion der Differenzierung neuraler Stammzellen aus dem Gehirn der adulten Ratte entstehen Astroglia (GFAP+ Zellen; Bild B) sowie Derivate die Map2 und Synaptophysin co-exprimieren und somit als neuronale Zellen zu klassifizieren sind (Bild C; Co-expression wird organe angezeigt; blau-lila: Kernfärbung).