Damit bezeichnet man Gefäßmissbildungen, die in allen Hirnregionen gelegen sein können und sich durch Blutungen (ca. 50%), durch epileptische Anfälle (ca. 30%) oder durch Auftreten von neurologischen Ausfällen oder Störungen (ca.15%) bemerkbar machen. In ca. 3-5% der Fälle sind ganz unspezifische Symptome wie Kopfschmerzen und Migräne zu finden. In den letzten Jahren werden immer häufiger Angiome als Zufallsbefund diagnostiziert, die noch asymptomatisch sind, wenn aus den verschiedensten Gründen eine Kernspintomographie-Untersuchung (MRT) des Gehirnes vorgenommen wird. Symptomatisch werden in der Regel Jugendliche und jüngere Erwachsene. Etwa 50% der Angiome sind bis zum 30.Lebensjahr des Angiomträgers diagnostiziert, am häufigsten nach stattgefundener Blutung.
Die Inzidenz der Erkrankung wird mit etwa 1,5-1,8/100 000 Einwohner/Jahr angegeben. Die Blutungsinzidenz wird von 1-3% pro Jahr angegeben, hat ein Angiom bereits mehrfach zu einer Hirnblutung geführt, kann ist das zu erwartende Blutungsrisiko deutlich erhöht. In etwa 10 % der Patienten findet sich eine Kombination von Angiom und Aneurysma. Diese Aneurysmen sind fast immer an den Arterien gelegen, die das Angiom mit Blut versorgen (feeder).
Einteilung
Die Angiome werden seit 1986 nach einem von Spetzler und Martin vorgeschlagenen Schema eingeteilt, das die Graduierung von 1-5 vorsieht. Bei der Einteilung werden Größe, Lokalisation und Art der venösen Drainage berücksichtigt. Die Größe < 3cm wird als klein bezeichnet, mittlere Angiome sind 3-6 cm im Durchmesser und die großen über >6cm. Weiteren Einfluss hat die Lokalisation (eloquentes Areal) und die Art der Drainage (tiefe oder nur oberflächliche Venen). Nach dieser Einteilung ist ein Angiom Grad 1: kleiner als 3cm, in einem nicht eloquenten Areal gelegen mit oberflächlicher venöser Drainage. Ein Angiom Grad 5: größer 6cm, liegt in einem eloquenten Areal und hat tiefe venöse Drainage.
Diagnostik
Hat bereits eine Blutung stattgefunden, wird dies meist im akuten Stadium durch eine CCT- Untersuchung diagnostiziert. Nicht selten findet man kleinere, so genannte atypische Blutungen im Hirngewebe, manchmal auch mit Blutanteilen im Subarachnoidalraum. Häufig können in der Umgebung der Blutung (CCT mit Kontrast) Gefäßstrukturen sich darstellen. In jedem Fall sollte eine atypische Blutung bei jüngeren Patienten mit einer Kernspintomographie nachuntersucht werden, um das Vorliegen eines Angioms auszuschließen. Die für die weitere Behandlung entscheidende Diagnostik ist die exakte Abklärung der Gefäßsituation durch eine DSA (Digitale Subtraktionsangiographie). Dabei werden die Angiographie- Katheter teilweise bis in die das Angiom versorgenden Arterien gesteuert, um genaue Aussage zu treffen, ob z.B. durch das dargestellte Gefäß noch Hirngewebe versorgt wird. Erst wenn genau die Lokalisation, der Zufluss (feeder) und der Abfluss (Drainage) der Gefäßmissbildung geklärt ist, kann man eine optimale Behandlung planen.
Behandlung
Das Ziel der Behandlung eines Angioms ist die komplette Ausschaltung aus der Durchblutung (kompletter Verschluss). Dazu stehen drei Behandlungsmodalitäten zur Verfügung:
Operation
Embolisation (Kombination der Therapiemöglichkeiten)
Bestrahlung
Jedes Angiom bedarf der genauen Analyse der Lokalisation und der angiographischen Versorgung. Das Alter des Patienten sowie die bisherige Symptomatik (Blutung, Anfälle oder Zufallsbefund) sind bei der Indikationsstellung zur Therapie zu beachten. Dabei wird man in jeweiligen Fall eine Behandlung initiieren die für den Angiomträger in der aktuellen Situation die geringsten Risiken beinhaltet bei dem bereits erwähnten Ziel der kompletten Ausschaltung. Wichtig ist bei der Beurteilung auch die Erfahrung, dass z.B. nur teilweise entfernte Angiome oder nur teilembolisierte (verklebte) AVMs in der Regel noch ein unvermindertes Blutungsrisiko im weiteren Verlauf ausweisen.
Kann ein oberflächliches oder auch tiefer gelegenes Angiom operativ gut entfernt werden, so sollte die operative Behandlung vorgezogen werden. Kann von neuroradiologischer Seite (Katheterembolisation) die Durchblutung des Angioms reduziert werden, so wird dies präoperativ angestrebt, wozu manchmal mehrere Katheterbehandlungen nötig sind. Dadurch kann ein "downgrading" des Angioms erreicht werden, was wiederum die Operation erleichtert.
Bei kleineren (2 -3 cm) im Durchmesser großen AVMs, die z.B. in den Basalganglien, Thalamus oder Hirnstamm liegen, würde primär sicher eine Bestrahlung vorgeschlagen werden.
Eine enge Zusammenarbeit der Klinik für Neurochirurgie, der Abteilung für Neuroradiologie und der Klinik für Strahlentherapie sind auf dem Campus Lübeck gewährleistet.