Wirbelsäulenstabilisation

Halswirbelsäule von ventral

Densverschraubung

Traumatische Verletzungen des 2. Halswirbels (“Axis“) sind häufig. Sie treten bei etwa 10-20% aller Frakturen der Halswirbelsäule auf. Densfrakturen sind meistens Folgen eines Flexionstraumas. Die klinisch-neurologischen Ausfälle, die im Rahmen dieser Frakturen auftreten können, sind sehr unterschiedlich. Bis zu 25% der Patienten versterben bereits durch eine massive Schädigung des oberen Rückenmarkes initial beim Unfall. Die überlebenden Patienten haben dagegen nur selten neurologische Ausfälle. Zur Diagnostik werden in der Regel konventionelle Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen sowie obligatorisch CT-Aufnahmen der Halswirbelsäule durchgeführt. Durch sagittale Rekonstruktionen lassen sich die Frakturen eindeutig einteilen. Densfrakturen werden üblicherweise nach der Einteilung von Anderson und D´Alonzo klassifiziert (Typ I-III). Beim Typ I (bis 4%) ist die Fraktur im Bereich der Densspitze oberhalb des Ligamentum transversum betroffen. Diese Frakturen sind als stabil anzusehen und werden in der Regel konservativ mit einer Zervikalstütze für einen Zeitraum von 6 Wochen behandelt. Densfrakturen Typ II (Hals des Dens; 65-80%) und Typ III (unter Einschluss des Wirbelkörpers; 20%) sind wesentlich häufiger. Diese Frakturen sind als instabil zu bezeichnen. Auch diese Frakturen können konservativ behandelt werden, wobei neben der zervikalen Stützkrawatte auch der Halo-Fixateur zur Verfügung steht (Abb. 1).

Alternativ zu den konservativen Therapieverfahren stehen operative Verfahren zur Verfügung. Wegen der hohen Pseudarthroserate insbesondere bei älteren Patienten und der damit drohenden Instabilität sollten vor allem Typ II-Frakturen operativ stabilisiert werden. Dafür stehen ventrale und dorsale Operationstechniken zur Verfügung. Die jeweilige Indikation muss im individuellen Fall getroffen werden. Neben der dorsalen transartikulären Verschraubung (Abb. 2) gilt die ventrale Densverschraubung als „Goldstandard“. Diese Operation ist technisch einfach durchzuführen und auch bei älteren Patienten ohne größere Belastung in einem zeitlich angemessenen Rahmen möglich. Die Abbildung zeigt eine klassische Densfraktur Typ II präoperativ und nach operativer Versorgung mit einer Densschraube (Abb. 3). Fusionsraten bis zu 90% können bei einem insgesamt geringen Risikoprofil erreicht werden.

Ventrale zervikale Fusion

Ventrale Fusionsoperationen im Bereich der mittleren und unteren Halswirbelsäule können bei verschiedenen Krankheitsbildern notwendig sein. Dazu gehören vor allem traumatische Verletzungen der Halswirbelsäule und Tumorerkrankungen, aber auch zunehmend degenerative Erkrankungen mit zum Teil multisegmentaler Beteiligung.

Für die traumatischen Erkrankungen existieren verschiedene Klassifikationssysteme, die sich u.a. an der Frage der Stabilität orientieren.
Je nach dem vorherrschenden Unfallmechanismus werden Subtypen unterschieden, die die Hauptkrafteinwirkung zugrunde legen.
Neben Kompressionsfrakturen werden Distraktionsfrakturen unterschieden, wobei zusätzlich Flexions-,  Extensions- und Rotationskomponenten eine Rolle spielen können. Häufig handelt es sich allerdings um Mischtypen. Neben knöchernen Verletzungen können zusätzliche Schädigungen der Bandscheiben, des Bandapparates, der Wirbelgelenke und/oder der Muskulatur vorliegen.

Neben konventionellen Röntgenaufnahmen stehen die Computertomographie sowie die Kernspintomographie zur Diagnostik zur Verfügung. Die klinische Symptomatik kann sehr vielfältig sein. Neben einer reinen Schmerzsymptomatik können neurologische Ausfälle verschiedenster Ausprägung bis zu kompletten Querschnittssyndromen vorliegen. Frakturen der Halswirbelsäule sind bis zum diagnostischen Abschluss als potentiell instabil anzusehen. Stabile Frakturen können ebenfalls konservativ (zervikale Stützkrawatte, Halo-Fixateur) behandelt werden. Für instabile Frakturen stehen verschiedene ventrale Operationsverfahren zur Verfügung, u.a. die ventrale Spondylodese mit einem Platten-Schraubensystem mit zusätzlichem Cage oder Wirbelkörperersatz mit einem Spreizcage (Abb. 4).

Bei den Halswirbelsäulentumoren mit knöcherner Beteiligung muss man zwischen gutartigen und bösartigen Tumoren unterscheiden.
Bei den letztgenannten Tumoren handelt es sich in den meisten Fällen um spinale extradurale Metastasen solider Malignome. Sie machen den größten Anteil der HWS-Tumoren aus. Am häufigsten sind Metastasierungen bei Mamma-, Bronchial- und Prostatakarzinomen zu beobachten (Abb. 5). Der metastatische Befall der HWS kann unterschiedliche klinische Symptome bewirken. Neben Schmerzen können neurologische Defizite bis zur raschen Entwicklung eines Querschnittssyndromes im Vordergrund stehen. Aufgrund der knöchernen Destruktion ist eine Instabilität häufig. Das Festlegen eines Therapiekonzeptes erfolgt individuell und interdisziplinär durch Neurochirurgen, Strahlentherapeuten und Onkologen. Neben der klinisch-neurologischen Symptomatik müssen tumorspezifische Faktoren wie Lebenserwartung, Ansprechen des Tumors auf die jeweilige Therapie etc. mit in die Therapieentscheidung einbezogen werden.
Häufig ist jedoch zunächst ein neurochirurgischer Eingriff mit Tumordekompression und Stabilisierung notwendig, gefolgt von strahlentherapeutischen und/oder chemotherapeutischen Verfahren.

Halswirbelsäule von dorsal

Kraniozervikale Stabilisierung

In bestimmten Fällen kann eine operative Stabilisierung im Übergangsbereich vom Kopf zur Halswirbelsäule („kraniozervikal“) notwendig sein. Dazu gehören alle pathologischen Prozesse, die zu einer kraniozervikalen Instabilität führen, u.a. nach einem Trauma (instabile Frakturen des I. und II. Halswirbels), bei destruierenden Infektionen und bei der rheumatoiden Arthritis, bei angeborenen und erworbenen Instabilitäten sowie bei Tumordestruktionen. Durch die Instabilität besteht eine größere Gefahr für die Entwicklung neurologischer Defizite bis zur Querschnittslähmung, so dass die Stabilisierung vorrangige Priorität hat. In diesen Fällen kann durch eine langstreckige Fusionierung unter Verwendung eines kombinierten Schrauben-/Platten-/Stabsystems eine langfristige Stabilisierung bei gleichzeitig sehr geringem operativem Risiko erreicht werden. Während am Hinterhaupt („Okziput“) in der Regel eine Platte mit entsprechenden Schrauben befestigt wird, kommen im Bereich der Halswirbelsäule Massa lateralis- und/oder Pedikelschrauben zur Verwendung (Abb. 6).  

Atlantoaxiale Stabilisierung

Die Indikationen zur Fixierung des atlantoaxialen Komplexes (I. und II. Halswirbel) umfassen alle pathologischen Prozesse, die zu einer Instabilität führen oder geführt haben. Dazu gehört vor allem die atlantoaxiale Instabilität/Luxation bei Tumoren sowie bei der rheumatoiden Arthritis. Aber auch konservativ und operativ von ventral nicht ausreichend behandelbare Densfrakturen (vor allem Typ III) sowie die Pseudarthrosen nach vorangegangenen konservativen Behandlungen und Operationen sind eindeutige Indikationen. Die am häufigsten verwendeten Techniken sind die transartikuläre atlantoaxiale Stabilisierung nach Magerl sowie die HW-1/2-Verschraubung nach Harms unter Erhalt des Atlantoaxialgelenkes (Abb. 7). Die Indikation zur jeweiligen Technik muss im individuellen Fall gestellt werden.

Subaxiale Fusionstechniken

Fusionstechniken im Bereich der Halswirbelsäule unterhalb HWK 2 kommen vor allem bei Instabilitäten als Folge eines Traumas oder eines degenerativen Prozesses zum Einsatz. Neben rein dorsalen Instrumentierungen werden die dorsalen Techniken häufig mit ventralen Stabilisierungen kombiniert. Neben den Cerclagetechniken, die heutzutage nur noch selten verwendet werden, stehen Schrauben-/Stabsysteme zur Verfügung, die entsprechend der biomechanischen Notwendigkeiten entwickelt wurden. Im Bereich der mittleren Halswirbelsäule werden bevorzugt sogenannte Massa lateralis-Schrauben verwendet, die mit einem sehr geringen Risiko hinsichtlich einer Verletzung von vaskulären (Arteria vertebralis) und neuralen (Myelon, Nervenwurzel) Strukturen platziert werden können. Im Bereich des 6. und 7. Halswirbels werden diese häufig mit Pedikelschrauben kombiniert, die eine signifikant höhere Primärstabilität haben. Die Entscheidung zur Verwendung von Massa lateralis- oder Pedikelschrauben begründet sich auf die jeweiligen anatomischen Gegebenheiten (Abb. 8). 

Brustwirbelsäule

Ventrale Stabilisierung

Eine Stabilisierung der Brustwirbelsäule über einen ventralen oder ventrolateralen Zugang ist vor allem bei pathologischen Prozessen notwendig, die die vordere Säule betreffen. Dazu gehören vor allem Traumen (Berstungsfraktur, traumatisch bedingte Instabilität), Wirbelkörperentzündungen (destruierende Spondylodiszitis) und Tumoren (vor allem Wirbelkörpermetastasen). Seltener sind intraspinale ventrale Raumforderungen (Meningeome, Neurinome, Bandscheibenvorfälle) ursächlich. Aufgrund der anatomischen Gegebenheiten (Thorax, Herz, Lunge) ist der Zugang zur ventralen Brustwirbelsäule anspruchsvoller. Der zervikothorakale Übergangsbereich (bis etwa BWK 3) kann in der Regel problemlos über einen direkten ventralen supra- oder transsternalen Zugang (mit Sternotomie) erreicht werden. Über diesen Zugang ist eine Wirbelkörperresektion mit Freilegung der ventralen Dura und gleichzeitigem Wirbelkörperersatz mit einem Spreizcage und ventraler Verplattung mit einem Platten-/Schraubensystem möglich, um die Stabilität wieder herzustellen (Abb. 9). Bei pathologischen Prozessen ab BWK 4 ist ein ventrolateraler transthorakaler Zugang zu Brustwirbelsäule möglich und notwendig. Unter entsprechenden technischen und anästhesiologischen Voraussetzungen wird so ein optimaler Zugang zur BWS erreicht. Je nach dem Ausmaß des zu operierenden Befundes kann dieser Eingriff „offen“ oder thorakoskopisch („minimal invasiv“) erfolgen (Abb. 10).

Dorsale transpedikuläre Stabilisierung

Wenn vorwiegend oder ausschließlich die dorsale Säule der Brustwirbelsäule betroffen ist, kommen dorsale Fusionstechniken zum Einsatz, häufig auch in Kombination mit ventralen Fusionen im Sinne der 360°-Stabilisierung. Die Indikationen sind ähnlich, wobei vor allem die instabilen traumatischen Frakturen der Brustwirbelsäule und des thorakolumbalen Übergangs mit Dislokation und Fehlstellung (Typ Magerl A3, B, C) zu nennen sind. Auch die Aufrichtung und Stabilisierung von Skoliosen erfolgt über diese Technik. Neben den selten angewendeten Verfahren (u.a. Cerclagetechniken, translaminäre Verschraubung, Harrington-Stäbe) ist vor allem die dorsale transpedikuläre Stabilisierung mit polyaxialen Pedikelschrauben und Längsstangen auch unter biomechanischen Gesichtspunkten der „Goldstandard“ (Abb. 11). Die Platzierung der Pedikelschrauben ist jedoch aufgrund der anatomischen/technischen Besonderheiten (sehr kleine Pedikel, Gefahr der Gefäß- und Lungenverletzung, zum Teil starke Beeinträchtigung der intraoperativen Fluoroskopie) anspruchsvoll.

Lendenwirbelsäule

Die Indikationen zur Fusionsoperationen bzw. Spondylodesen im Bereich der Lendenwirbelsäule sind vielfältig. Sie umfassen unter anderem das breite Spektrum der lumbalen und lumbosakralen degenerativen Erkrankungen mit begleitenden Instabilitäten (Spondylolisthesis, degenerative Gefügestörung mit konsekutiver Spinalkanalstenose, symptomatische segmentale Instabilität), aber auch die Spondylodiszitis/Spondylitis, Wirbelkörpertumoren und Frakturen. Je nach vorliegendem Krankheitsbild und der Indikation kann die Spondylodese von ventral oder von dorsal erfolgen, gelegentlich ist auch ein kombiniertes Vorgehen notwendig.

Die angewandten operativen Zugangstechniken sind vielfältig, wobei sowohl die klassischen offenen Zugangswege als auch modifizierte minimalisierte Zugänge sowie endoskopische/endoskopisch assistierte und perkutane Techniken zum Einsatz kommen. Der jeweilige Zugang wird individuell geplant.

Für die Stabilisierungsoperationen steht ein vielfältiges Instrumentarium zur Verfügung. Neben der klassischen Instrumentierung, die auf der Verwendung von rigiden Pedikelschrauben gestützten Systemen basiert, werden auch dynamische Stabilisierungen (Bandscheibenprothesen, dynamische Pedikelschrauben gestützte Systeme, interspinöse Spacer) verwendet. Die Indikation zum jeweiligen System ist individuell zu stellen.

Ventrale Fusion (ALIF, XLIF)

Eine interkorporelle Wirbelsäulenfusion kann über verschiedene ventrale Zugänge zur Lendenwirbelsäule erfolgen. Zur Verfügung stehen die ALIF (anterior lumbar interbody fusion)- und die XLIF (extreme lateral interbody fusion)-Technik. Sie umfassen sowohl den Zugangsweg als auch die gewählte Zugangstechnik und das verwendete Instrumentarium. Je nach Zugangsort (thorakolumbal, lumbal, lumbosakral) stehen transpleurale-retroperitoneale, retroperitoneale-extrapleurale, retroperitoneale ventrolaterale oder transperitoneale Zugänge zur Verfügung. Über diese Zugänge können ventrale Stabilisierungen, Bandscheiben- und Wirbelkörperersatzoperationen durchgeführt werden (Abb. 12)

Dorsale Fusion (PLIF, TLIF)

Für die dorsalen Spondylodesen stehen die PLIF- (posterior lumbar interbody fusion) und die TLIF-(transforaminal lumbar interbody fusion) Techniken zur Verfügung. Die dorsalen transpedikulären Fixationen mit einem Schrauben-Stab-System in Kombination mit einer ventralen Cagefusion haben sich hierbei in biomechanischer Hinsicht als effektiv erwiesen und andere Methoden wie z.B. Stab-/Drahtschlaufenkonstrukte weitestgehend verdrängt (Abb. 13).

Alternativ zu den üblicherweise verwendeten rigiden Pedikelschraubeninstrumentationen ist auch eine sogenannte dynamische Stabilisierung mit pedikelschraubengestützten Systemen denkbar, wobei diese insbesondere bei segmentaler Instabilität eingesetzt wird (Abb. 14). Ein Vorteil eines jeweiligen Systems ist jedoch in Studien nicht eindeutig belegt. Die Indikation muss jeweils individuell gestellt werden, wobei vielfältige Kombinationen (rigide Spondylodese, dynamische Stabilisierung, konservative Therapie) denkbar sind.