Verletzungen, die sich während einer beruflichen Tätigkeit oder auf dem Weg dorthin, beziehungsweise auf dem Heimweg ereignen, werden als Arbeits- und Wegeunfälle bezeichnet. Verletzungen dieser Art dürfen ausschließlich in niedergelassenen Praxen oder aber Kliniken behandelt werden, die von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) eine spezielle Zulassung bekommen haben. Private Krankenversicherungen, gesetzliche Krankenversicherungen und private Unfallversicherungen sind für Arbeits- und Wegeunfälle nicht zuständig, sondern ausschließlich die DGUV. Auch gesetzlich ist dieses Thema gesondert geregelt. So ist die Behandlung von Arbeitsunfällen und Wegeunfällen im Sozialgesetzbuch VII festgeschrieben, während die normale Krankenversorgung im Sozialgesetzbuch V geregelt ist.
Die Besonderheit beim Berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren besteht darin, dass die DGUV sich, so heißt es im Gesetzestext, „mit allen erforderlichen Mitteln“ um die erfolgreiche Behandlung und Rehabilitation des Patienten oder der Patientin kümmert. Sowohl die Akutbehandlung als auch die Rehabilitation bis hin zur sozialen und beruflichen Wiedereingliederung liegen im Interesse und in der Hand der DGUV. Auf Seiten der Betroffenen hat dies den großen Vorteil, dass nach dem Grundsatz Rehabilitation vor Rente der gesamte Behandlungsweg aus einer Hand gesteuert und finanziert wird.
Die DGUV hat für die Behandlung dieser Verletzten ein dreistufiges System entwickelt. Die erste Stufe umfasst die ambulante Versorgung der Unfallopfer in Praxen oder Ambulanzen zugelassener Kliniken. In der zweiten Stufe geht es um die Versorgung von Verletzungen, die einer stationären Behandlung bedürfen, Verletzungsarten-Verfahren (VAV) genannt. Die dritte Stufe umfasst die Behandlung sämtlicher Unfallfolgen bis hin zu Schwerstverletzten. Dieses sogenannte Schwerstverletzungsartenverfahren (SAV) gewährleistet die vollumfängliche stationäre Versorgung der Betroffenen. Der Standort Kiel und auch der Campus Lübeck des UKSH sind für das SAV, das auch die Behandlung von schweren Handverletzungen einschließt, selbstverständlich zugelassen.
Die der Akutbehandlung folgende stationäre Rehabilitation geschieht ausschließlich in von der DGUV betriebenen Berufsgenossenschaftlichen Kliniken. Bei der umfangreichsten Art dieser Nachbehandlung handelt es sich um die sogenannte Komplexe Stationäre Rehabilitation (KSR), die sich direkt an eine intensivmedizinische Behandlung in einer Akutklinik anschließen kann. Selbst wenn es mit einem hohen Pflegeaufwand verbunden ist, können die Verletzten in eine solche Reha-Klinik verlegt werden. Vergleichbare Möglichkeiten bieten die Krankenkassen und die Rentenkassen nicht.
Als Weiteres wird seitens der DGUV das BGSW-Verfahren (Berufsgenossenschaftliche stationäre Weiterbehandlung) angeboten. Hier handelt es sich um eine stationäre Rehabilitation für Betroffene, die schon einen hohen Grad an Mobilität und Eigenversorgung erreicht haben. Diese Reha-Maßnahme ist vergleichbar mit einer AHB (Anschlussheilbehandlung) der Krankenkassen und Rentenversicherungsträger.
Im ambulanten Bereich gibt es seitens der DGUV neben der einfachen krankengymnastischen Übungsbehandlung noch die Erweiterte Ambulante Physiotherapie (EAP). Hierbei handelt es sich um eine ganztägliche ambulante Rehabilitation. Die ambulante Nachsorge der Patienten geschieht im Berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren in der Regel wiederum in der jeweiligen Akutklinik, in der die Erstbehandlung stattfand. Dort wird unter anderem in Reha-Gesprächen gemeinsam mit der zuständigen Berufsgenossenschaft über die schrittweise Wiedereingliederung der Verunfallten in ihre vorherige berufliche Tätigkeit beraten.
Bekanntgeworden ist in diesem Zusammenhang das Hamburger Modell. Es handelt sich dabei um eine stufenweise Wiedereingliederung in die berufliche Tätigkeit. Vorgesehen ist normalerweise, dass während der Wiedereingliederung für zwei bis maximal vier Stunden täglich die berufliche Tätigkeit wieder aufgenommen wird und sich die Arbeitsbelastung alle 14 Tage um mindestens zwei Stunden steigert, bis die volle Arbeitsfähigkeit wieder erreicht ist. Während der Wiedereingliederung bleiben die Betroffenen arbeitsunfähig geschrieben. Wird die vorangegangene Berufsfähigkeit trotz mehrerer Wiedereingliederungsversuche und Reha- Maßnahmen nicht erreicht, sollte an eine Umschulung gedacht werden. Ein frühzeitiger Ausstieg in die Rente wird seitens der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung nur als letzte Option gesehen.
Verbleibende Folgeerscheinungen von Arbeits- und Wegeunfällen bedürfen einer Begutachtung, um eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MDE) festzustellen. Dies geschieht in der Regel frühestens ein Jahr nach dem Unfall und wird seitens der erstbehandelnden Klinik im Auftrag der zuständigen Berufsgenossenschaft geleistet. Häufig ist nach Ablauf von zwei Jahren ein weiteres Gutachten nötig, um einen Endzustand zu dokumentieren. Eine danach folgende dritte Begutachtung gibt es in der überwiegenden Zahl der Fälle nur aufgrund eines Verschlimmerungsantrages des Patienten oder der Patientin.
Seitens unserer Klinik werden auch Gutachtenanfragen von Krankenversicherungen oder privaten Unfallversicherungen bearbeitet. Allerdings haben wir uns aufgrund der Vielzahl der Anfragen darauf beschränken müssen, Gutachten außerhalb der Berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung nur dann zu erstatten, wenn auch die primäre Behandlung des Patienten in unserer Klinik vorgenommen wurde und uns die gesamte Krankengeschichte insofern bereits bekannt ist.
Anfragen zu Gutachten und Terminvereinbarungen für gutachterliche Untersuchungen über unser Gutachtensekretariat, Telefonnummer 0431 500-24439 (Berufsgenossenschaftliche Gutachten) oder 0431 500-24402 (nicht Berufsgenossenschaftliche Gutachten).