Daten

Intrauterine Effekte

Biochemie

Heroin (Diacetylmorphin) und seine in der Leber deacetylierten Abbauprodukte Monoacetylmorphin, Morphin und Morphin-3-Glukuronid sind in hohem Maße fettlöslich und können die plazentare Schranke problemlos überwinden. Sie verbreiten sich im gesamten fetalen Gewebe. Untersuchungen an trächtigen Tieren nach Gabe von Morphin haben gezeigt, dass die Konzentration von Morphin im fetalen Gehirngewebe zwei bis dreimal höher ist als im mütterlichen Gehirngewebe.

Eine reduzierte Nukleinsäure- und Proteinsynthese im fetalen Hirngewebe mit herabgesetzter Dichte an kortikalen Neuronen und Abnahme neuronaler Prozesse konnte im Tiermodell nach Heroingabe demonstriert werden. Neurochemische Prozesse im Zentralen Nervensystem sind postnatal auffällig verändert im Sinne einer erhöhten noradrenergen Aktivität.

Das ist nicht alles

Darüber hinaus ist die Schwangerschaft unter Heroin- oder Methadoneinnahme mit einem erhöhten Risiko der Frühgeburtlichkeit (13-20,5%), small-for-gestational-age Geburt (<10. Perzentile: 27,3-32%) und Mikrozephalie (17,3%) verbunden. Die Inzidenz von Fehlbildungen ist entweder nicht erhöht oder wird mit 7,5% angegeben.

Dabei scheinen zumindest die beschriebenen Auswirkungen auf das intrauterine Wachstum des Neugeborenen nicht alleine durch die sozialen Begleitumstände (schlechte Ernährungslage der Mutter, wenig Beachtung der eigenen Schwangerschaft, unregelmäßige Schwangerschaftsvorsorge) zustande zu kommen sondern vor allem auch durch die unmittelbare Wirkung der Opiate im fetalen Gewebe.

Komplikationen

Komplikationen (Mortalität)

Die Angaben zur Mortalität sind widersprüchlich. Es wird von einer deutlich erhöhten Gesamtmortalität ausgegangen. Vor allem die Rate der Sterblichkeit im ersten Lebensjahr scheint erhöhtund wird mit 5% angegeben. Dagegen fanden andere, neuere Untersuchungen über die bereits beschriebenen Auffälligkeiten der Neugeborenen hinaus keine weiteren pathologischen Veränderungen.

Eine gute medizinische Betreuung und Überwachung der drogenabhängig en Schwangeren sowie die Durchführung der Substitutionstherapie spätestens ab der 32. Schwangerschaftswoche scheinen die Rate an Frühgeburten und damit die Mortalität der Neugeborenen drogenabhängiger Mütter zu senken.

Infektionsrisiko

Auch wenn es keine Untersuchungen an Neugeborenen drogenabhängiger Mütter zu diesem Thema gibt, muss man davon ausgehen, dass das Risiko, konnatal an HIV, Hepatitis B oder Hepatitis C zu erkranken, für diese Kinder aufgrund der hohen Durchseuchungsrate unter Drogenabhängigen erhöht ist. Zwar existieren keine bundesweite Studien zur Verbreitung von Hepatitis B und C sowie HIV unter Drogenabhängigen, in regionalen Untersuchungen wurden jedoch bei 66% der untersuchten Drogenabhängigen Antikörper gegen Hepatitis C und bei 48% Antikörper gegen Hepatitis B nachgewiesen.

Zur HIV-Infektion Drogenabhängiger fehlen zuverlässige Angaben, da die Zahl der Erkrankten in den einzelnen Bundesländern erheblich schwankt und ein starkes West-Ost Gefälle besteht. Mit einem Anteil von 14,9% an der kumulierten Gesamtzahl stellen Drogenabhängige das zweitgrößte Risikokollektiv für HIV-Infektionen dar.

Langzeit-Outcome

Das Langzeit-Outcome von Kindern nach neonatalem Drogenentzug ist eher gut. Schlafstörungen, Aufgeregtheit, muskulärer Hypertonus und heftiges schrilles Schreien können auch nach erfolgtem Entzug noch für Monate weiter bestehen.

Sie bedeuten aber mehr eine soziale als eine medizinische Problematik, die dafür verantwortlich gemacht wird, dass es in einigen Fällen bei den betroffenen Kindern zu einer von ihren Eltern mit dem Ziel der Sedierung herbeigeführten Methadonvergiftung kommen kann. Beim Vorliegen einer intrauterinen Wachstumsretardierung kommt es im ersten Lebensjahr fast immer zu einem Aufholwachstum, so dass die Kinder zum Ende des 1. Lebensjahres beinahe die altersentsprechende

Normalverteilung erreicht haben. Die weitere somatomotorische Entwicklung ist unauffällig. Es kann jedoch zu einer Verzögerung der kognitiven und vor allem der Sprachentwicklung kommen.

Es ist schwierig, die beschriebenen Schwächen auf eine als Folge des intrauterinen Drogeneinflusses erlittene Hirnschädigung zurückzuführen, da die betroffenen Kinder, wenn sie bei ihren Eltern aufwachsen, häufig auch eine Benachteiligung in ihrer Entwicklung durch das soziale Umfeld erfahren, die die Identifikation möglicher somatischer Auslösefaktoren erschwert.