Strahlentherapie bei Brustkrebs

Warum bestrahlt man, wenn doch der Tumor vollständig entfernt wurde?

Strahlentherapie-bei-Brustkrebs_Abb1 Abbildung 1: mikroskopisch kleine Tumorzellnester (rote Punkte) können in einiger Entfernung vom sichtbaren Tumor vorhanden sein

Tumoren breiten sich unsichtbar in die Umgebung aus; der Tumor ist also bei einer mikroskopischen Untersuchung fast immer größer, als er mit bloßem Auge erscheint. Diese mikroskopisch kleinen Absiedlungen reagieren gut auf  Röntgenstrahlen. Auch wenn ein Tumor vollständig entfernt wurde (dargestellt im Bild durch die schwarze Linie), können kleine Tumorzellnester in der Umgebung zurück geblieben sein. Dann ist eine Nachbestrahlung sinnvoll.

Wie kann man Krebszellen mit Röntgenstrahlen vernichten, ohne das gesunde Gewebe in der Umgebung zu schädigen?

Röntgenstrahlen können Zellen abtöten; das gilt für alle Zellen. Die normalen Zellen unseres Körpers sind aber an kleine Mengen von Röntgenstrahlen gewöhnt, weil diese dauernd (z.B. als kosmische Strahlung aus dem Weltraum) auf uns treffen. Wenn allerdings eine bestimmte Menge an Strahlung überschritten wird, können die Zellen die von den Röntgenstrahlen verursachten Schäden nicht mehr vollständig reparieren. Diese „Reparaturgrenze“ ist bei Krebszellen meistens relativ niedrig, d.h. Krebszellen vertragen weniger Röntgenstrahlen als gesunde Körperzellen. Wenn man die Strahlenmenge also richtig „portioniert“ (Fachausdruck: Fraktionierung), kann man Strahlen erfolgreich zur Krebsbehandlung einsetzen. Die Krebszellen werden abgetötet, aber das gesunde Gewebe kann sich vollständig erholen.

Wann ist eine Bestrahlung sinnvoll?

Nach brusterhaltender Operation fast immer, d.h. die Nachbestrahlung ist der Standard. Bisher ist keine Situation bekannt, in der die Bestrahlung nicht wirksam ist. In sehr günstigen Fällen und bei begrenzter Lebenserwartung kann ausnahmsweise auf die Bestrahlung verzichtet werden.

Als Faustregel gilt: kleine Operation (mit Brusterhalt) plus Bestrahlung ergibt eine mindesten so hohe oder sogar höhere Sicherheit für die örtliche Tumorbeherrschung als die Radikalentfernung der Brust. Aber auch wenn die Brust entfernt wurden musste, ist eine zusätzliche Strahlentherapie bei einem Teil der Patientinnen sinnvoll.

Strahlentherapie-bei-Brustkrebs_Abb2 Abbildung 2: Prinzip der Strahlentherapie: Die Röntgenstrahlen werden im Strahlerkopf (im Fokus) erzeugt. Das Gerät kann sich um einen virtuellen Punkt im Raum (Isozentrum) drehen. Die Lage des Isozentrums (exakt 1000mm vom Fokus entfernt) wird durch Lasersysteme markiert. Bei der Bestrahlung wird der Patient auf der Couch gelagert, und die Couch wird dann so positioniert, dass der geometrische Mittelpunkt des Zielgebietes (dieser wurde deshalb vorher mit Computerplanung berechnet) mit dem Isozentrum übereinstimmt. Das Gerät „schaut“ also immer auf den Mittelpunkt des Zielgebietes.

Welche Methoden der Strahlentherapie gibt es?

Das Standardverfahren ist eine Bestrahlung von außen mit einem Linearbeschleuniger (sog. externe
Strahlentherapie); mehr 95% aller Patientinnen werden in Deutschland und weltweit so behandelt
(Abb. 2). Alternativ kommt bei kleinen und günstigen Tumoren (vor allem bei älteren Patientinnen)
auch eine Teilbrustbestrahlung in Frage (meistens mit Brachytherapie, ggf. auch mit einer
intraoperativen Bestrahlung, der sog. IORT, oder neuerdings auch als Strahlentherapie von außen
mit Linearbeschleuniger). Diese Verfahren sind nicht besser als die Bestrahlung von außen, aber die
Behandlungszeit ist manchmal kürzer.

Muss man auch die Lymphknoten bestrahlen?

Bis vor kurzem war eine Bestrahlung der Lymphnoten nur selten angebracht, z.B. bei Befall mehrerer Lymphknoten in der Achselhöhle. Diese Bewertung hat sich aber in den letzten Jahren geändert. Neue Forschungsergebnisse zeigen nämlich, dass die Bestrahlung der Lymphknoten, anders als die Operation der Lymphknoten, für manche Patientinnen einen relevanten Vorteil bewirkt. Eine Mitbestrahlung der Lymphknoten wird daher heute und in Zukunft häufiger als bisher durchgeführt.

Wann sollte die Strahlentherapie beginnen und wie lange dauert die Strahlentherapie?

Bei Patientinnen, die eine Chemotherapie erhalten, wird meistens erst die Chemotherapie abgeschlossen und danach (nach einer Pause von etwa 3-4 Wochen) beginnt die Strahlentherapie. Falls nach der Operation keine Chemotherapie erfolgt, kann die Strahlentherapie sofort (also nach Abschluss der Wundheilung) beginnen; als günstig gilt ein Zeitraum von 4-8 Wochen nach der OP. Eine antihormonelle Therapie (die meisten Patientinnen erhalten diese Behandlung; man nimmt 5 Jahre täglich eine Tablette ein) kann während der Strahlentherapie begonnen oder weitergeführt werden.

Bei der Standardbestrahlung selbst (externe Strahlentherapie mit Linearbeschleunigern, Strahlentherapie von außen) sind heute meistens etwa 16 ambulante Termine erforderlich, jeweils einmal täglich an Werktagen; die Behandlung dauert also etwa drei Wochen.

Was muss man während der Strahlentherapie beachten?

Eigentlich gar nichts. Die normale Strahlenbehandlung (also die Bestrahlung von außen) soll Ihren Alltag nicht beeinträchtigen. Es gibt keine Einschränkungen. Wichtig: Hautmarkierungen (sie dienen zur exakten Positionierung während der Bestrahlung) bitte nicht verändern und auch nicht abwischen; sie werden meistens mit einem durchsichtigen Duschpflaster beklebt, so dass die beim Duschen und Waschen nicht verschwinden. Normale Körperpflege ist also gut möglich.

Strahlentherapie-bei-Brustkrebs_Abb3 Abbildung 3: Die Patientin liegt auf der „Couch“; die Arme sollen in einer speziellen Schiene bequem über dem Kopf liegen (damit sie nicht im Weg sind). Zur exakten Positionierung werden Hautmarkierungen (hier blau) und Lasersysteme im Raum (hier rot) verwendet. Nach korrekter Positionierung (das wird von den MTRAs geprüft) kann die Bestrahlung starten. Während der Bestrahlung ist die Patientin allein im Raum und wird für diese kurze Zeit mit Kamera und Mikrofon überwacht. Nebenbei: Röntgenstrahlen kann man nicht spüren.

Was muss man während der Strahlentherapie beachten?

Eigentlich gar nichts. Die normale Strahlenbehandlung (also die Bestrahlung von außen) soll Ihren Alltag nicht beeinträchtigen. Es gibt keine Einschränkungen. Wichtig: Hautmarkierungen (sie dienen zur exakten Positionierung während der Bestrahlung) bitte nicht verändern und auch nicht abwischen; sie werden meistens mit einem durchsichtigen Duschpflaster beklebt, so dass die beim Duschen und Waschen nicht verschwinden. Normale Körperpflege ist also gut möglich.

Die einzelnen Bestrahlungen erfolgen an Werktagen. Eine einzelne Behandlung dauert ca. 15 Minuten pro Tag; davon sind nur etwa zwei Minuten echte Bestrahlungszeit, die übrige Zeit wird für die Positionierung und Gerätesteuerung benötigt. Die Behandlung wird ambulant durchgeführt. Die Kosten, auch die Fahrtkosten zur Behandlung, werden von den Krankenkassen übernommen.

Andere Behandlungen (z.B. Physiotherapie) können fortgeführt werden. Spezielle Medikamente sind nicht erforderlich. Eine Dauermedikation (z.B. wegen Bluthochdruck, Zuckerkrankheit oder Herzkrankheiten) soll unverändert fortgeführt werden. Eine Kombination von Bestrahlung mit einer antihormonellen Therapie ist auch problemlos möglich. Allerdings: falls Sie einen Herzschrittmacher tragen, kann es erforderlich sein, dass dieser regelmäßig kontrolliert und eventuell für die Zeit der Strahlentherapie auch umprogrammiert wird.

Wenn Sie einen Tumor in der linken Brust hatten, wird die Bestrahlung meistens in tiefer Einatmungsphase mit Anhalten des Atmens durchgeführt, um die Strahlendosis am Herzen noch weiter zu senken. Es ist strittig, ob dieser Aufwand wirklich nötig ist, aber wir setzen diese Methode routinemäßig ein. Dadurch verlängert sich die tägliche Bestrahlung um einige Minuten; die Strahlendosis bleibt gleich.

Gibt es Nebenwirkungen und Risiken?

Kaum. Jede Behandlung birgt natürlich ein Risiko. Meistens tritt am Ende oder kurz nach der mehrwöchigen Bestrahlung eine Hautrötung (ähnlich wie ein Sonnenbrand) auf; diese Hautreaktion ist harmlos und klingt spontan innerhalb von zwei bis drei Wochen ab. Bei solchen Hautreaktionen sollte man die Haut ähnlich wie bei einem Sonnenbrand pflegen. Langzeitfolgen der Behandlung sind selten. Bei Patientinnen mit linksseitigem Brustkrebs hat man früher eine erhöhte Rate an Herztodesfällen beobachtet; dieses Risiko ist aber bei Frauen, die nach etwa 1990 behandelt worden sind, nicht mehr nachweisbar, und eine unbeabsichtigte Mitbestrahlung des Herzens kann
heute durch moderne Bestrahlungstechniken vermieden werden. Objektiv gilt: von allen in der Behandlung eingesetzten Verfahren ist die Strahlentherapie das risikoärmste. Die Risiken sind noch geringer als diejenigen einer antihormonellen Therapie.

Wird man radioaktiv belastet?

Nein. Die Bestrahlung ist, unabhängig vom eingesetzten Verfahren, nur örtlich wirksam. Radioaktivität im Körper entsteht nicht; der Patient ist strahlungsfrei. Sie können Ihre Kinder und Enkelkinder und Ihren Partner also ohne Sorgen in den Arm nehmen.

Welche Behandlungsmethoden gibt es am UKSH?

Eigentlich alles. Wir führen natürlich die Standard-Strahlentherapie durch, aber wir sind auch spezialisiert auf Teilbrustbestrahlung mit Brachytherapie.

Welche Änderungen und Neuerungen sind in den nächsten Jahren zu erwarten?

Die wichtigste Änderung der letzten Jahre war die Verkürzung der Behandlungszeit; bis vor kurzem betrug die gesamte Zeit einer Standard-Nachbestrahlung etwa sieben Wochen. Aktuell verwenden wir Behandlungen mit 3-4 Wochen Dauer, und eine weitere Verkürzung auf vielleicht zwei Wochen erscheint realistisch; dies wird zurzeit in Studien geprüft (eine der wichtigsten Studie in Deutschland wurde unter unserer Leitung durchgeführt). Für Frauen mit kleinem, sehr günstigem Brustkrebs werden vermehrt eingeschränkte Bestrahlungen (Teilbrustbestrahlung, intraoperative Bestrahlung) eingesetzt werden. Und natürlich wird sich auch die Technik weiter verbessern, z.B. Zerücksichtigung der Atembewegungen bei der Bestrahlung oder Infrarot-Erkennung der Körperkontur, so dass Hautmarkierungen nicht mehr erforderlich sind. Bis alle diese Änderungen zum Standard geworden sind, werden aber noch einige Jahre vergehen.

An wen kann man sich zur Beratung wenden?

An alle Ärzte, Schwestern und MTRAs der Klinik. Wir stehen Ihnen für Fragen gern zur Verfügung. In unserem Hause werden viele Behandlungen bei Brustkrebs durch Frau Eilf (Fachärztin für Strahlentherapie mit Praxis bei uns in der Klinik) durchgeführt. Falls Sie einen Gesprächstermin vereinbaren möchten:

Ambulanz der Klinik für Strahlentherapie & Praxis Frau Eilf: Tel: 0431 500-26542
Privatsprechstunde Prof. Dunst (Frau Eckert): Tel: 0431 500-26501

Falls Sie eine Reha-Behandlung (Abschlussheilbehandlung, onkologische Rehabilitation) möchten, kann das über den Sozialdienst der Frauenklinik oder unserer Klinik organisiert werden. Bitte sprechen Sie uns bei Fragen an.