Die hereditäre Pankreatitis (PRSS1 Mutationen)
Seit 1996 ist eine vererbbare Form der chronischen Bauchspeicheldrüsen-Entzündung bekannt, wobei eine Familie in West-Kentucky nicht unerheblichen Anteil an der Entdeckung hatte. In weiten Teilen Kentuckys war die chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung nur als „Slone´s disease“ bekannt, da bei der über 700 Familienmitgliedern umfassenden Familie viele bereits im Jugendalter an einer Bauchspeicheldrüsenerkrankung litten. 1996 wurde im Rahmen einer Familienfeier bei 70 Familienmitgliedern eine Blutprobe zur DNA Untersuchung abgenommen und die entsprechenden Genmutationen im kationischen Trypsinogen (PRSS1) identifiziert. Diese Mutationen führen zu einer verstärkten Enzymaktivität des Trypsins, einem der Haupt-Verdauungsenzyme der Bauchspeicheldrüse.
Diese Veränderung steigert das Risiko einer „Pankreasselbstverdauung“. Heute gelten Kriterien wie eine ungeklärte Bauchspeicheldrüsenerkrankung mit frühem Krankheitsbeginn bei mehreren Familienmitgliedern als gutes Indiz, um eine genetische Untersuchung mit Verdacht auf eine hereditäre Pankreatitis durchzuführen.
Weitere genetische Risikofaktoren für eine Bauchspeichelerkrankung
(SPINK1 und CFTR Mutationen)
Seit der Entdeckung der PRSS1 Mutationen sind weitere Gene als Auslöser und Risikofaktoren für eine Bauchspeicheldrüsenentzündung identifiziert worden. Dabei handelt es sich um Mutationen in einem natürlichen Gegenspieler und Schutzfaktor der Bauchspeicheldrüse, dem Proteinaseinhibitor Typ Kazal 1 (SPINK1) sowie dem Cystischen Fibrose Gen (CFTR), das einen normalen Pankreas-Sekretabfluss unterstützt. N34S SPINK1 Mutationen werden häufig bei Patienten mit so genannter idiopathischer Pankreatitis (keine Familienanamnese und keine andere Ursache für eine Pankreatitis), tropischer Pankreatitis oder auch Patienten mit chronischer Pankreatitis anderer Genese als möglicher zusätzlicher Risikofaktor identifiziert. Das gleiche gilt für CFTR Mutationen (insgesamt sind bereits über 1500 bekannt) die durch ein zähes Pankreassekret und dem damit verbundenen gestörten Abfluss zu einer innerpankreatischen Selbstverdauung führen können.
Untersuchungsprogramm im Pankreaszentrum am UKSH Campus Kiel
Eine Untersuchung auf vererbbare Mutationen ist sinnvoll nach Ausschluss häufiger Ursachen wie Gallensteinleiden, Alkoholmissbrauch oder Pankreatitis auslösenden Medikamenten. Zudem ist eine genaue Erfragung der Familiengeschichte von großer Bedeutung und kann einen möglichen Verdacht erhärten. Die Untersuchung auf eine vererbbare Mutation ist einfach und erfolgt im Blut des Patienten. Für diese genetische Analyse wird der Patient aufgeklärt und muss sein schriftliches Einverständnis geben.
Risiko für Bauchspeicheldrüsenkrebs
Neben der unmittelbaren Bedeutung für den Patienten mit einer chronischen Bauchspeicheldrüsenerkrankung, der häufig unter dem Vorurteil des Alkoholismus oder des „Selbstverschuldens“ leiden muss, ergibt sich die klinische Bedeutung aus dem Wissen von nun 20 Jahren klinischer Forschung.
Dabei konnte gezeigt werden, dass das Pankreaskrebsrisiko für Patienten mit den häufigen PRSS1 Mutationen (N29I und R122H) deutlich erhöht ist und mit dem Lebensalter weiter ansteigt (Kumulatives Risiko bis zum 70 Lebensjahr ca. 40%). Insbesondere diese Patienten profitieren daher von einer engen Anbindung an ein Zentrum, in dem die entsprechende diagnostische und chirurgische Expertise besteht.
Im Pankreaszentrum am UKSH, Campus Kiel werden Patienten mit vererbbaren Bauchspeicheldrüsenerkrankungen interdisziplinär betreut und ein individueller Diagnostik- und Therapieplan erstellt. Im Falle der Notwendigkeit einer Operation können insbesondere bei hereditärer chronischer Pankreatitis maßgeschneiderte organerhaltende Eingriffe an der Bauchspeicheldrüse durchgeführt werden, mit dem Ziel einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus zu verhindern.