Was versteht man unter einem bullösen Pemphigoid?
Das bullöse Pemphigoid (lat. bullosus=blasig) gehört zur Gruppe der chronisch verlaufenden, blasenbildenden Erkrankungen der Haut. Die Erkrankung kommt typischerweise bei älteren Patienten vor. Charakteristisch ist das Auftreten prall gespannter Blasen, gefüllt mit einer klaren oder auch blutigen Flüssigkeit, auf entzündlich geröteter oder normaler Haut. Die Blasen treten am gesamten Körper auf, die Schleimhäute sind selten betroffen. Die Blasen heilen in der Regel ohne Narbenbildung ab. Fast alle Patienten leiden unter ausgeprägtem Juckreiz.
Wie häufig tritt das bullöse Pemphigoid auf?
Das bullöse Pemphigoid ist mit ca. 2 Neuerkrankungen auf 100.000 Einwohner/Jahr eine seltene Erkrankung. Die Erkrankungswahrscheinlichkeit steigt mit dem Alter deutlich an: bei den über 90-Iährigen beträgt sie fast 40 pro 100.000 Einwohner/Jahr.
Was sind die Auslöser für das Auftreten eines bullösen Pemphigoids?
Die Ursachen für das Auftreten dieser Autoimmunerkrankung der Haut sind nicht geklärt. Bestimmte Medikamente, wie Gliptine, die zur Behandlung der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus Typ II) eingesetzt werden, scheinen das Risiko an einem bullösen Pemphigoid zu erkranken, zu erhöhen. Sicher ist, dass Nahrungsmittel nicht als Auslöser in Frage kommen.
Was geschieht in der Haut?
Das bullöse Pemphigoid wird in die Gruppe der Autoimmunerkrankungen der Haut eingeordnet. Hierbei richtet sich das eigene Immunsysteme gegen Bestandteile der Haut. Es kommt zur Blasenbildung durch Bildung von speziellen Eiweißstoffen, sog. Autoantikörpern, die gegen diese Bestandteile der Haut gerichtet sind. Angriffspunkte für die Autoantikörper sind zwei Proteine, die sog. bullösen Pemphigoid-Antigene BP180 und BP230, welche in der Basalmembran, der Verbindungsschicht zwischen Ober- (lat. Epidermis) und Lederhaut (lat. Dermis oder Korium), gelegen sind.
Welche Verlaufsformen gibt es?
Die Ausdehnung der Hautveränderungen und somit die Schwere der Erkrankung sind von Patient zu Patient unterschiedlich stark ausgeprägt. Das Allgemeinbefinden ist bis auf den intensiven Juckreiz zunächst meist nicht beeinträchtigt. lm Verlauf können jedoch infolge wiederkehrender Blasenschübe u. a. Appetitverlust, Gewichtsabnahme, allgemeine Schwäche und Fieber auftreten.
Tritt das bullöse Pemphigoid zusammen mit anderen Erkrankungen auf?
Es ist beschrieben, dass die Erkrankung bei einigen Patienten mit neurologischen oder psychiatrischen Erkrankungen vergesellschaftet ist. Zudem wurde über ein statistisch gehäuftes Auftreten von bestimmten bösartigen Erkrankungen des Blut- und Lymphsystems berichtet. Auf letztere Erkrankungen werden Sie durch eine körperliche Untersuchung und Blutentnahme untersucht.
Wie kann das bullöse Pemphigoid diagnostiziert werden?
Bestimmend für die Diagnose ist das typische klinische Bild.
Die Diagnose wird durch feingewebliche Untersuchungen der Haut gesichert. Hierzu werden in der Regel zwei kleine Hautproben (Durchmesser 4 mmm) entnommen. Durch spezielle Färbetechnik lassen sich lineare Ablagerungen von Antikörpern entlang der Grenzfläche zwischen Haut und Bindegewebe nachweisen.
Diese Autoantikörper lassen sich bei einem überwiegenden Teil der Patienten im Blut nachweisen und korrelieren mit der Krankheitsaktivität, das heißt je höher die Autoantikörperspiegel, desto ausgedehnter die Erkrankung.
Alle notwenigen Untersuchungen der Haut und des Blutes können in unserem Autoimmunlabor durchgeführt werden.
Wie wird das bullöse Pemphigoid behandelt?
Je nach Schwere der Erkrankung werden äußerliche und innerliche Therapiemaßnahmen kombiniert. In der Regel erfolgt die Einleitung der Therapie im Rahmen eines stationären Aufenthaltes. Ziel der Behandlung ist die Unterdrückung der Bildung von Autoantikörpern gegen körpereigene Strukturen.
Innerlich anzuwendende Medikamente: Es stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung: In der Akutphase werden Kortisonpräparate eingesetzt. Die Dosierung wird der Schwere der Erkrankung angepasst. Mittel- und langfristig werden weitere Arzneistoffe kombiniert oder einzeln eingesetzt: z. B. Dapson oder Doxyzyklin. Diese Medikamente haben einen kortisonsparenden Effekt und minimieren so die Nebenwirkungen. In manchen Fällen müssen zusätzlich zu Kortisontabletten Immunsuppressiva eingesetzt. Diese Medikamente unterdrücken verschiedene Komponenten des Immunsystems und können zu einer erhöhten Infektanfälligkeit führen. Zu diesen Präparaten zählen Azathioprin, Mycophenolatmofetil, Mycophenolat-Natrium und Methotrexat.
Äußerlich anzuwendende Präparate: Zur äußerlichen Behandlung werden nach Punktion der größeren, prallen Blasen desinfizierende und stark wirkende kortisonhaltige Substanzen, in jeweils für die Lokalisation geeigneten Grundlagen eingesetzt.
Bei Patienten mit weniger ausgedehnten Hautveränderungen reicht häufig der Einsatz einer stark wirkenden Kortisonsalben in Kombination mit Dapson oder Doxyzyklin aus.
In einigen Fällen mit hohen Blutspiegeln der Autoantikörper kann eine Entfernung der Antikörper mit Hilfe einer Blutwäsche (Immunadsorption/ Immunapherese) sinnvoll sein.
Wie ist die Prognose der Erkrankung?
Das bullöse Pemphigoid lässt sich i aller Regel gut behandeln. Der quälende Juckreiz lässt meist schon nach wenigen Tagen deutlich nach. Wichtig ist, dass die Kortisondosis in Form von Salben und/ oder Tabletten möglichst niedrig gehalten wird, well die fast immer schon älteren Patienten besonders anfällig für die Kortisonnebenwirkungen sind. Andererseits führt ein zu zaghafter Einsatz von Kortisonsalben/ -tabletten zu keiner kompletten Abheilung und verlängert dann insgesamt die Kortisontherapie.
Selbsthilfegruppe
Die Pemphigus und Pemphigoid Selbsthilfegruppe e.V. kann hier kontaktiert werden. Auf Wunsch stellen wir Ihnen auch gerne den aktuellen Flyer der Gruppe zur Verfügung.
Ausgewählte Literatur
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Version 4, 23.08.2021