Was versteht man unter Pemphigus?
Der Pemphigus (griech. Pemphix = Blase) ist eine seltene, schwere und meist chronisch verlaufende Erkrankung der Haut und der Schleimhäute mit Blasenbildung. Es werden zwei Hauptformen unterschieden, der Pemphigus vulgaris und der Pemphigus foliaceus. Während beim Pemphigus vulgaris die Schleimhäute (fast immer ist die Mundschleimhaut betroffen) befallen sind und es zusätzlich zu Blasen/Erosionen am Körper kommen kann, ist beim Pemphigus foliaceus ausschließlich die Körperhaut betroffen, die Schleimhäute sind frei.
Charakteristischerweise entstehen die Blasen sehr oberflächlich in der Haut, innerhalb der Oberhaut (Epidermis). Die Blasen sind meist schlaff und mit klarer Flüssigkeit gefüllt. Durch rasches Aufplatzen des dünnen Blasendaches kommt es zu häufig großflächigen, schmerzhaften, nässenden oder krustig belegten Hautdefekten (Erosionen).
Wie häufig tritt der Pemphigus vulgaris auf?
Der Pemphigus ist mit 0,1 bis 0,5 Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohner im Jahr eine seltene Erkrankung, die bei beiden Geschlechtern etwa gleich häufig, typischerweise zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr auftritt.
Was ist die Ursache des Pemphigus und was geschieht in der Haut?
Beim Pemphigus vulgaris und Pemphigus foliaceus werden bestimmte Eiweißstoffe, sog. Autoantikörper gebildet, die sich gegen spezifische körpereigene Strukturen der Haut (Autoantigene) richten. Das Autoantigen des Pemphigus vulgaris ist Desmoglein 3, beim Pemphigus foliaceus ist es Desmoglein 1. Bei Patienten mit Pemphigus vulgaris, die an Haut- und Schleimhautveränderungen leiden, wird zusätzlich zu Desmoglein 3 auch Desmoglein 1 erkannt.
Die genaue Ursache, warum es zur Ausbildung von Autoantikörpern kommt, ist noch nicht geklärt. Unter anderem können verschiedene Medikamente an der Auslösung eines Pemphigus beteiligt sein.
Betroffen sind insbesondere Hautareale, die stärkeren Druck- bzw. Reibebelastungen ausgesetzt sind (Rücken, Gesäß) und die Schleimhäute (Mund-, Nasen-, Rachen-, Genitalschleimhaut) sowie, sehr selten, die Bindehäute des Auges.
Wie verläuft der Pemphigus?
Die Ausprägung und Schwere der Hautveränderungen variiert von Patient zu Patient. Das klinische Erscheinungsbild wird bestimmt von der genauen Lokalisation der Spaltbildung innerhalb der Zellschichten der Oberhaut. Diese ist abhängig davon, welches Autoantigen der Zellkontaktstellen angegriffen wird.
Häufig sind die Patienten mit Pemphigus vulgaris vor allem durch die Mundschleimhautveränderungen stark beeinträchtigt. Nicht selten kommt es daher in der Folge zur deutlichen Gewichtsabnahme und allgemeiner Schwäche. Diese heilen langsam, in der Regel ohne Narbenbildung ab. Als noch keine Kortisonpräparate zur Verfügung standen, war der Pemphigus vulgaris eine lebensbedrohliche Erkrankung.
Wie kann der Pemphigus diagnostiziert werden?
Erste Hinweise für die Diagnose ergeben sich aus dem klinischen Erscheinungsbild. So lassen sich Erosionen durch Schiebedruck auf gesunder Haut auslösen (Nikolski-Phänomen).
Diagnostische Tests zum Nachweis der Autoantikörper in der Haut/Schleimhaut sowie im Blut stehen zur Verfügung.
Entscheidend für die Diagnose ist die mikroskopische Untersuchung einer Gewebeprobe (direkte Immunfluoreszenz). Hierzu werden in der Regel zwei kleine Proben (Durchmesser 4 mmm) aus der Haut oder der Mundschleimhaut entnommen. In Spezialfärbetechniken werden die Haftstellen der Autoantikörper sichtbar gemacht.
Die Autoantikörper gegen Verankerungsstrukturen zwischen den einzelnen Hautzellen sind auch im Blut nachweisbar. Es besteht eine direkte Beziehung zwischen der Menge der Antikörper und der Schwere des Krankheitsverlaufes. Die Autoantikörper im Blut der Pemphiguspatienten lassen sich mittels indirekter Immunfluoreszenz auf Affenösophagus oder im ELISA unter Verwendung von künstlich hergestelltem Desmoglein 1 und 3 nachweisen.
Alle notwenigen Untersuchungen der Haut und des Blutes können in unserem Autoimmunlabor durchgeführt werden.
Wie wird der Pemphigus behandelt?
Je nach Schwere der Erkrankung werden verschiedene Therapiemaßnahmen kombiniert. In der Regel erfolgt die Einleitung der Therapie im Rahmen eines stationären Aufenthaltes. Ziel der Behandlung ist die Unterdrückung der Bildung von Autoantikörpern gegen körpereigene Strukturen.
Es stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung: In der Akutphase werden
Kortisonpräparate eingesetzt. Die Dosierung wird der Schwere der Erkrankung angepasst. Alternativ können Glukokortikosteroide anstelle von Kortisontabletten auch als Infusion gegeben werden. So wird bei der „Dexamethason-Pulstherapie“ an drei aufeinander folgenden Tagen das Kortisonpräparat Dexamethason in die Vene infundiert. Diese Pulstherapie kann zunächst alle drei bis vier Wochen gegeben werden, dann können die Intervalle weiter gestreckt werden.
Um die Kortisondosis möglichst gering zu halten, werden langfristig weitere Medikamente, die aus der Transplantationsmedizin kommen, sogenannte Immunsuppressiva, eingesetzt: z.B. Azathioprin, Mykophenolatmofetil (CellCept®) oder Mykophenolat-Natrium (Myfortic®).
Seit 2019 ist Rituximab als Erstlinientherapie bei moderaten und schwerem Pemphigus vulgaris zugelassen. Dieser monoklonale Antikörper wird als zunächst zweimalige Infusion im Abstand von 2 bis 3 Wochen gegeben. Rituximab entfernt bestimmte Entzündungszellen aus dem Blut, die für die Produktion der krankheitsauslösenden Autoantikörper wichtig sind. Durch die Gabe von Rituximab kann bei 90% der Patienten eine Abheilung aller Haut- und Schleimhautveränderungen erreicht werden. Bei etwa der Hälfte der Patienten sind jedoch hierfür wiederholte Gaben von Rituximab notwendig.
In schweren Fällen der Erkrankung oder wenn die zunächst eingeleitete Therapie nicht ausreichte, um die Krankheitsaktivität ausreichend zu unterdrücken, kann eine spezielle „Blutwäsche“ (Immunadsorption) oder die intravenöse Gabe hoch-dosierter menschlicher Antikörper (Immunglobuline) hilfreich sein.
Weitere Informationen zur Immunadsorption, und der Gabe von Immunglobulinen und Rituximab finden Sie unter der Rubrik Behandlungsoptionen.
Wie ist die Prognose der Erkrankung?
Die Erkrankung tritt spontan auf, verläuft schubweise über viele Monate und Jahre. Mit den modernen Behandlungsverfahren kann in etwa 90% der Fälle eine Heilung oder zumindest eine langfristige Erscheinungsfreiheit erreicht werden.
Selbsthilfegruppe
Die Pemphigus und Pemphigoid Selbsthilfegruppe e.V. kann hier kontaktiert werden. Auf Wunsch stellen wir Ihnen auch gerne den aktuellen Flyer der Gruppe zur Verfügung.
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Version 4, 23.08.2021