Interdisziplinäre Zusammenarbeit - Vorstellung der einzelnen Fachdisziplinen inkl. Leistungsspektrum
Chirurgie
Die Resektion bei neuroendokrinen Neoplasien bleibt der einzig kurative Therapieansatz. Die Indikation sollte dabei interdisziplinär gestellt werden unter Berücksichtigung von Lokalisation des Primarius, Tumorgrading, Ki-67 Expression und hormoneller Aktivität.
Bei kleinen (bis 2 cm) und asymptomatischen, nicht funktionierenden NENs wird in der Regel eine konservative Behandlung empfohlen. Für lokalisierte NENs, die über 2 cm messen, stellt die chirurgische Resektion den Grundstein für das Management dieser Tumore dar. Auch bei fortgeschrittenen NEN ist oft auch eine erweiterte Resektion gerechtfertigt. Die Therapiestrategie variiert allgemein von Verlaufskontrollen über endoskopische Abtragung und lokale Exzision bis hin zu onkologischen Resektionen mit Lymphadenektomie. Offen chirurgische und laparoskopische Herangehensweisen werden eingesetzt. Die chirurgischen Möglichkeiten für NEN-Leber-Metastasen reichen von der begrenzten Resektion bis zur Lebertransplantation.
In den Kliniken für Chirurgie der Campus Lübeck und Kiel werden sämtliche Resektionsverfahren angewandt, inklusive auch der Roboter-unterstützen laparoskopischen Resektion. Dabei ist die hohe Expertise in minimal-invasiven Operationen, die onkologisch gleichwertig sind, aber den Vorteil einer rascheren Rekonvaleszenz haben, hervorzuheben.
Therapieoptionen abhängig von der Lokalisation des Primarius:
Die Therapie der NEN des Magens orientiert sich an der Einteilung nach Typ 1-4, Dignität und Tumorgröße. Typ 1 und 2 Tumore von 1-2 cm werden endoskopisch abgetragen, Der Typ 3 (> 1cm) wird je nach Lokalisation mittels subtotaler Magenresektion oder Gastrektomie therapiert und der Typ 4 wird analog dem Adenokarzinom reseziert.
Im Duodenum können NEN <1 cm, G1 endoskopisch reseziert werden. Bei größeren Tumoren, funktioneller Aktivität (Gastrinom) oder eine Lage im Pars descendens erfolgt eine Resektion.
NEN des Dünndarms machen, neben den NEN des Pankreas, den größten Anteil der GEP-NEN aus. Sie werden meist spät diagnostiziert und sind deswegen häufiger bereits metastasiert. Ziel einer Operation ist die radikale Entfernung tumortragender Darmanteile und der entsprechenden Lymphabflusswege. Bei häufigem Zweittumor wird eine offene Operation bevorzugt. Eine Sanierung des Primärherdes wird auch im metastasierten Stadium entsprechend der aktuellen Leitlinien empfohlen. Bei NEN des Kolons und des Rektums kann bei Tumorgröße < 1cm eine endoskopische Resektion erfolgen. Bei ausgedehnteren Befunden besteht die Notwendigkeit einer operativen Therapie im Sinne einer onkologischen Resektion inklusive Lymphknotendissektion.
Bei den pankreatischen NEN kann bei einer Tumorgröße <2 cm eine regelmäßige endoskopische Kontrolle erwogen werden. Bei einer operativen Therapie, bei Tumorgröße > 2 cm oder funktioneller Aktivität, steht die operative Radikalität der Vermeidung einer exokrinen und endokrinen Insuffizienz gegenüber. Generell reicht das operative Spektrum von einer Tumorenukleation, Pankreasschwanz- oder zentralen Pankreassegmentresektion bis zur Pylorus-erhaltenden Pankreaskopfresektion oder multiviszeralen Resektion. Dabei zeigt sich kein Nachteil durch ein laparoskopisches Vorgehen - bei ausreichender Expertise.
60-90% der Patienten mit NEN entwickeln im Laufe ihrer Erkrankung eine Lebermetastasierung. Die Indikationsstellung zu einem operativen Vorgehen bei Lebermetastasierung sollte auf einem kompletten Staging (Ausmaß der Lebermetastasierung und Tumorlast, Ausschluss Fernmetastasierung) und Erfassung von individuellen Tumorcharakteristika (Lokalisation Primarius, Tumorprogress und Tumorbiologie) beruhen. Das Resektionsausmaß reicht von der atypischen Resektion bis hin zur erweiterten Resektion. Intraoperativ sollten die Option einer Sonographie und Radiofrequenzablation bestehen. Bei unzureichend verbleibendem gesundem Lebergewebe, kann ein stufenweises Vorgehen mittels portal-venöser Embolisation mit anschließender Resektion indiziert sein. Die Option einer Lebertransplantation besteht in speziellen Fällen.
Endokrinologie
Medikamentöse Therapie
Bereits seit vielen Jahren werden Somatostatinanaloga (SSA) - Biotherapie - in der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit neuroendokrinen Neoplasien eingesetzt. Mittlerweile gelten sie als Erstlinientherapie für NEN im lokal fortgeschrittenen, metastasierten oder nicht-resektablem Zustand. Sie verbessern die durch die vermehrte Hormonausschüttung verursachten Beschwerden und können zudem auch das Tumorwachstum begrenzen. Der Einsatz dieser Substanzen zur Wachstumskontrolle ist vor allem für Patienten mit gut differenzierten neuroendokrinen Tumoren (G1 bis G2, Ki-67 Index bis 10 %) geeignet. Zudem wird empfohlen, vor einem Therapiebeginn mit SSA nachzuweisen, dass die Tumorzellen über Somatostatinrezeptoren verfügen. Dies erfolgt durch immunhistochemische oder nuklearmedizinische Untersuchungsmethoden (Somatostatinrezeptorszintigraphie bzw. Ga68 DOTATATE PET/CT). Die beiden verfügbaren Präparate Lanreotid (Somatuline Autogel) sowie Octreotid (Sandostatin) zeigen eine vergleichbare Wirkstärke und werden von den meisten Patienten sehr gut vertragen. Die Applikation der Substanzen erfolgt in der Regel alle 28 Tage mittels intramuskulärer (Octreotid) bzw. tief subkutaner (Lanreotid) Injektion, wobei sowohl für Lanreotid als auch für Octreotid drei unterschiedliche Wirkstärken verfügbar sind. Durch die Reduktion der Serotoninsekretion kann die Entwicklung von Folgeerkrankungen des Karzinoidsyndroms, bspw. von kardialen Komplikationen, verzögert oder im günstigsten Fall sogar aufgehalten werden. Bei mangelndem bzw. fehlendem Ansprechen kann eine Kombination mit anderen Therapien (bspw. zielgerichtete Therapien, PRRT) erfolgen. Seit 2017 ist in Deutschland zudem Telotristatethyl zur Behandlung der trotz maximal dosierter SSA-Therapie fortbestehenden Diarrhoe zugelassen. Eine Therapie mit Interferon alpha ist für die symptomatische Behandlung eines Karzinoidsyndroms zugelassen, hat aber aufgrund der besseren Wirksamkeit und Verträglichkeit alternativer Therapiekonzepte in den vergangenen Jahren an Relevanz verloren. Die Behandlung weiterer Hypersekretionssyndrome, bspw. bei einem Insulinom oder Gastrinom, orientiert sich an der Wirkung der sezernierten Hormone bzw. Peptide und dem Verlauf der Erkrankungen.
Gastroenterologie
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Nuklearmedizin- PRRT
PRRT mit 177Lutetium(177Lu)-DOTATATE sind Therapien für metastasierte, inoperable, Somatostatinrezeptor-positive neuroendokrine Tumore mit Progress unter leitliniengerechter Therapie. Dabei wird ein Somatostatinanalogon radioaktiv markiert und intravenös appliziert. Das Radiopharmzeutikum bindet an die Tumorzellen und bewirkt dort eine hohe lokale Strahlendosis. Das umliegende Gewebe wird geschont.
Die Therapie erfolgt stationär auf der nuklearmedizinischen Therapiestation in der Klinik für Nuklearmedizin am Campus Kiel. In der Regel dauert der stationäre Aufenthalt ca. 48 h. Im Vorfeld wird eine Somatostatinrezeptorszintigraphie oder 68Ga-DOTATATE-PET/CT durchgeführt, in der sich die Tumormanifestationen mehrspeichernd darstellen müssen.
Nierenfunktion, Blutbild und Leberwerte müssen vor Therapiebeginn ausreichend gut sein. Die zur Beurteilung erforderlichen Voruntersuchungen erfolgen in der Sektion für Nuklearmedizin am Campus Lübeck.
Onkologie
In der Klinik für Hämatologie und Onkologie behandeln wir Patienten mit Neuroendokrinen Neoplasien, die eine medikamentöse zielgerichtete Therapie oder eine Chemotherapie erhalten.
Pankreatische Neuroendokrine Neoplasien panNEN nehmen eine Sonderstellung innerhalb der gut differenzierten Neuroendokrinen Neoplasien ein, da sie als einzige chemosensibel sind. Aufgrund der höheren Ansprechraten sollte hier die Chemotherapie den molekular-zielgerichteten Therapien gegenüber in der Erstlinie bevorzugt werden.
Bereits seit den 1980er Jahren wird Streptozotocin (STZ) in Kombination mit 5-Fu bzw. Doxorubicin bei pankreatischen NEN eingesetzt. Diese Therapie wird über einen Zugang wie z.B. ein Portkatheter über die Venen gegeben.
Weitere klassische (orale) Chemotherapeutika wie Temozolomid und Capecitabin (CAPTEM Schema) werden zunehmend bei panNET eingesetzt.
Weitere Therapieoption ist eine Fluoropyrimidin-basierende Chemotherapie (orales Capecitabin oder intravenöses 5-FU) in Kombination mit einer intravenösen Gabe von Oxaliplatin oder Irinotecan. Dies sind Chemotherapiekombinationen, wie sie seit vielen Jahren beim klassischen Dickdarmkreb zum Einsatz kommen.
Zu den sogenannten zielgerichteten Therapien gehören Everolimus und Sunitinib. Beide Medikamente werden per oral eingenommen.
Bei schlecht differenzierten NEC ist eine intravenöse Chemotherapie mit Cisplatin/ Carboplatin und Etoposid die erste Wahl.
Wir behandeln unsere Patienten wann immer möglich ambulant, bei komplexeren Therapien kann jedoch auch eine stationäre Aufnahme notwendig sein.
Durch unseren besonderen Schwerpunkt „Molekulare Onkologie“ bieten wir in Ergänzung zu dem interdisziplinärem Tumorboard NEN/ endokrine Tumore, im Verbund mit unseren Partnern am Campus Lübeck ein Molekulares Tumorboard an. Auf der Basis molekularer und genetischer Untersuchungen des Tumorgewebes kann, nachdem alle etablierten und Leitlinien-gerechte Therapie bereits durchgeführt wurden, die Möglichkeit einer individualisierten Therapiestrategien untersucht werden.
Pathologie
Jede Diagnose eines Neuroendokrinen Tumors wird von einem Pathologen gestellt.
Hierzu stehen uns neben der morphologischen Analyse umfangreiche immunhistologische und auch molekularpathologische Spezialtechniken zur Verfügung. In der Diagnosestellung ergibt sich hierbei oft eine Vielzahl differentialdiagnostischer Überlegungen und die definitive Einordnung kann gerade bei Grenzbefunden herausfordernd sein.
Im engen interdisziplinären Austausch mit den klinischen Kollegen bieten wir daher eine Begutachtung auch von extern gewonnenen Tumorproben an, um die spezifische Grundlage einer auf den jeweiligen Tumor zugeschnittenen Therapie zu schaffen.
Weiterhin steht über das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein ein weites Spektrum an ergänzender internistischer Therapie, Humangenetik, Psychoonkologie, Schmerztherapie, Physiotherapie und Rehabilitation zur Verfügung. Aufgrund der Seltenheit der Erkrankungen können durch einen interdisziplinären Ansatz Kompetenzen gebündelt und durch die Optimierung und Standardisierung der Behandlung langfristig auch die Prognose der Patienten verbessert werden.