Angeborene Herzfehler im Erwachsenenalter

Unter dem Begriff „angeborene Herzfehler" fasst man verschiedene Erkrankungen zusammen, die durch eine Störung während der Schwangerschaft bei der Entwicklung des Herzens zustande kommen. Manche dieser Herzfehler fallen bereits während oder kurz nach der Geburt auf und bedürfen dann einer sofortigen interventionellen, d.h. durch Herzkathetertechniken oder operativen Therapie. Gelegentlich kann auch durch Gabe von Medikamenten ein Heilungserfolg erzielt werden. Ein geringer Teil der angeborenen Herzfehler kann klinisch in den ersten Lebensjahren unauffällig bleiben und muss einer chirurgischen Therapie erst im jungen, oder aber auch im älteren Erwachsenenalter zugeführt werden.

Zu den häufigsten angeborenen Herzfehlern im Erwachsenenalter zählen

Bikuspide Aortenklappe

Die bikuspide Aortenklappe (zwei-segelige Taschenklappe) ist der häufigste angeborene Klappenfehler und kommt bei ca. 1-2% der Bevölkerung vor. Diese Erkrankung tritt häufiger bei Männer als bei Frauen auf.

Die pathologische Klappensegelanlage verursacht während der Austreibungsphase des Blutes aus der linken Herzkammer einen turbulenten Fluss in der Hauptschlagader. Diese Turbulenzen führen zu einer allmählichen Zerstörung der Segel, was im weiteren Verlauf eine Verhärtung und Versteifung hervorrufen kann. Letztlich tritt eine Verkalkung der Segel auf, welche mit einer Verengung der Klappenöffnungsfläche einhergeht (Aortenklappenstenose). Ebenso besteht der Verdacht, dass die durch die Klappenfehlanlage entstehenden Turbulenzen mit einer Erweiterung des beginnenden Teils der Hauptschlagader (Aneurysma der Aorta ascendens) einhergehen können, welche dann zu einer Undichtigkeit der krankhaften Segel führt (Aortenklappeninsuffizienz). Die so im Laufe der Erkrankung veränderte Aortenklappe ist anfällig für eine Infektion, der sogenannten Klappenendokarditits, die unbehandelt zu einer vollständigen Zerstörung der Klappensegel führen kann.

Ab einem bestimmten höhergradigen Einengungsgrad (Stenosegrad), der durch den Druckunterschied zwischen linker Herzkammer und der beginnenden Hauptschlagader charakteriesiert werden kann (mittlerer Druckgradient >50 mmHg bei normalem Herzzeitminutenvolumen), einer verringerten Klappenöffnungsfläche (< 0,75cm²) oder einer hochgradigen Aortenklappenschlußschwäche (Aortenklappeninsuffizienz Grad III bis IV) ist eine Indikation zum Aortenklappenersatz gegeben.

Zur präzisen Beschreibung der Morphologie der bikuspiden Aortenklappe wurde in der Klinik für Herz- und thorakale Gefäßchirurgie des UK S-H, Campus Lübeck ein Klassifizierungsschema der bikuspiden Aortenklappe entwickelt und im Journal of Thoracic and Cardiovascular Surgery 2007 publiziert (Sievers HH and Schmidtke C. A classification system for the bicuspid aortic valve from 304 surgical specimens. J Thorac Cardiovasc Surg 2007;133:1226-1233).

Operationsverfahren

Aortenklappeninsuffizienz der bikuspiden Aortenklappe:

Bei dieser Aortenklappenerkrankung bestehen insgesamt 2 Operationsmöglichkeiten:

  • Aortenklappenrekonstruktion: hierbei bleiben die bestehenden Klappensegel erhalten, durch besondere Operationstechniken kann eine komplette Dichtigkeit der Aortenklappe ohne Entfernung der beiden Klappensegel erreicht werden.

  • Aortenklappenersatz: hierbei kann die defekte Klappe entweder durch ein sog. autologes, d.h. körpereigenes (sog. ROSS-Operation [siehe dort]), ein homologes (von einem humanen Spender) unter Ersatz der Aortenwurzel, ein biologisches (mit oder ohne Drahtgestell) oder mechanisches Klappenventil ersetzt werden (siehe dort).

Aortenklappenstenose der bikuspiden Aortenklappe:

Bei dieser Form der Klappenerkrankung erfolgt in der Regel ein Aortenklappenersatz. Eine Rekonstruktion ist aufgrund der sehr häufig stark verkalkten Klappen nicht mehr möglich.

Vorhofseptumdefekt

Der Vorhofseptumdefekt (Defekt der Vorhofscheidewand) kann durch einen unvollständigen Verschluss der Scheidewand zwischen linker und rechter Vorhofkammer während der menschlichen Entwicklungsphase entstehen. Während dieser wachsen von zwei Seiten (Klappenebene und Koronarveneneinmündung) die Scheidewände aufeinander zu, legen sich an den Berührungspunkten aneinander und es entsteht somit die sog. Fossa ovalis. Vollzieht sich dieser Verschluss unvollständig, so besteht ein offenes ovaläres Loch (offenes Foramen ovale). Etwas unterschiedlich verhält es sich bei den sogenannten Primum- oder Sekundumdefekten der Vorhofscheidewand, bei denen eine verbleibende Öffnung durch unzureichendes Wachstum eines der beiden Vorhofblätter entsteht.

Durch das bestehende „Loch“ in der Scheidewand gelangt u.a. aufgrund der höheren Druckverhältnisse im „linken“ Herzen viel Blut aus dem linken in den rechten Vorhof und führt zu einer Überbelastung der rechten Herzkammer und der Lungenarterien, was zu einer Druckerhöhung im „kleinen“ Kreislauf (Lungenstrombahn) führt. Der Patient beklagt dann Luftnot bei geringer Belastung sowie Herzrhythmusstörungen, insbesondere das Vorhofflimmern.

Festgestellt werden kann ein solcher Defekt am besten durch die Echokardiographie, hierbei im Vordergrund steht die „Schluckechokardiographie“, bei der der Ultraschallkopf in der Speiseröhre des Patienten plaziert werden muss, da dieser direkt hinter dem rechten Vorhof verläuft.

Operationsverfahren

Durch Einsatz der Herzlungenmaschine wird der verbliebene Defekt ab einer bestimmten Größe entweder direkt oder mit Hilfe eines Flickens aus körpereigenem Material operativ verschlossen. Bei kleineren Defekten kann durch Plazierung eines „Schirmchens" mittels Hilfe eines sog. „Linksherzkerzkatheters“ ein Verschluss erreicht werden.

Aortenisthmusstenose

Bei der Aortenisthmusstenose handelt es sich um eine Einengung der absteigenden Brustschlagader (Aorta descendens). Je nach Lage zum Ductus Botalli unterscheidet man zwischen einer präduktalen/infantilen oder postduktalen/erwachsenen Form. Sie tritt mit einer Häufigkeit von 7-9% in der Bevölkerung auf und kann über lange Zeit unerkannt bleiben. Häufig sind ein Aortenklappenfehler (hier am häufigsten die bikuspide Aortenklappe) oder Ventrikelseptumdefekt mit der Aortenisthmusstenose vergesellschaftet. Diese Einengung führt aufgrund des erhöhten Gefäßwiderstandes zu einer Belastung des linken Herzens und einer Verminderung der Durchblutung in der unteren Körperhälfte. Klinisch fällt die Aortenisthmusstenose somit durch einen hohen Blutdruck im Bereich der oberen und einen deutlich erniedrigten Blutdruck in der unteren Körperhälfte auf. Es können im Rahmen dieser Verengung eine Vergrößerung des Herzmuskels (Herzmuskelhypertrophie) mit der möglichen Folge von Bluthochdruck, Herzschwäche, Herzinfarkt, Schlaganfall, Nasenbluten, ständigem Kopfschmerz, Pulsschwäche in der Leiste, Schmerzen in den Beinen bei Belastung oder ständig kalten Füssen auftreten.

Mit Hilfe der Blutdruckmessung an Armen und Beinen kann der Verdacht auf eine Isthmusstenose gelenkt werden, diagnostisches Mittel der Wahl ist die Linksherzkatheteruntersuchung oder die Magnetresonanztomographie.

Operationsverfahren

Liegen ober- und unterhalb der Einengung ein Druckgradient von mehr als 30mmHg, Zeichen der Herzinsuffizienz oder ein Bluthochdruck von mehr als 150mmHg in der oberen Körperhälfte vor, besteht die Indikation zur Operation. Diese kann mit oder ohne Hilfe der Herzlungenmaschine durchgeführt werden. Hierbei wird der verengte Gefäßabschnitt entweder chirurgisch entfernt und mittels einer Prothese ersetzt oder aber durch bestimmte Techniken erweitert. Ebenso kann eine Kurzschlussverbindung mittels Prothese zwischen linker Schulterarterie und absteigender Brustschlagader jenseits der Verengung hergestellt werden, sog. A. subclavia- Ao. Descendens-Bypass, um so das Blut auf diese Weise um die Enge herum in die untere Körperhälfte führen zu können. Die Langzeitprognose nach operativer Korrektur ist mit einer Überlebensrate von mehr als 85% nach 15 Jahren gut.

Persistierender offener Ductus arteriosus Botalli

Der persistierende (fortbestehende) Ductus Arteriosus tritt bei 10% aller angeborenen Fehlbildungen auf. Er stellt eine Kurzschlussverbindung zwischen Lungenarterie und dem Anfangsteil der Aorta (Brusthauptschlagader) dar. Für den Fötus hat er die wichtige Funktion, das Blut aus der rechten Herzhälfte an der noch nicht funktionsfähigen Lunge vorbei, direkt in den großen Kreislauf zu leiten. Das Blut des Fötus wird über die Lunge der Mutter mit dem Sauerstoff angereichert. Normalerweise bildet sich diese Verbindung nach der Geburt durch eine hormonelle Regulation zurück. Falls sie jedoch bestehen bleibt, begünstigt sie aufgrund des bestehenden Druckgefälles zwischen Haupt- und Lungenschlagader den Blutstrom von der linken (sauerstoffreichen) in die rechte (sauerstoffarme) Herzhälfte (sog. „Links-Rechts-Shunt“). Dieses führt im Verlauf zu einer Rechtsherz- und Lungenarterienbelastung. Patienten mit großem Links-Rechts-Shunt (LRS) zeigen ähnliche Beschwerden wie bei einem großen Ventrikelseptumdefekt:

  • Linksherzinsuffizienz mit Atemnot, ev. Tachypnoe (gesteigerte Atemfrequenz)

  • Wachstumsstörung

  • Trinkschwäche im Säuglingsalter

  • Neigung zu pulmonalen Infekten

Komplikationen

Bei großem LRS können folgende Komplikationen eintreten:

  • Linksherzinsuffizienz

  • pulmonale Hypertonie (konstante Druckerhöhung im Lungenarteriensystem)

  • Druckbelastung und Vergrößerung der rechten Herzkammer

  • Pulmonalsklerose (Verhärtung der Lungengefäße)

  • Shuntumkehr (Rechts-Links-Shunt) mit zentraler Zyanose (unzureichender Sauerstoffgehalt in den Arterien)

Diagnostik

Im Rahmen der klinischen Untersuchung finden sich ein deutliches Herzgeräusch, in der Röntgenuntersuchung fallen eine vermehrte Lungengefäßzeichnung als Hinweis auf eine verstärkte Lungendurchblutung auf. Gesichert wird die Diagnose durch die Echokardiographie, die Kernspintomographie oder die Herzkatheteruntersuchung.

Therapie

Bei Frühgeborenen kommt es in 75% der Fälle zum Spontanverschluss des PDA, nach dem 3. Lebensmonat werden Spontanverschlüsse seltener. Im Kindesalter wird ein Verschluss des Ductus arteriosus durch Gabe von bestimmten Medikamenten, den sogenannten Prostaglandininhibitoren, versucht. Eine weitere Alternative ist die „Katheterokklusion“, bei der mittels einer Linksherzkatheteruntersuchung der offene Ductus interventionell verschlossen werden kann. Operativ wird nach Anlage zweier Umstechungsligaturen der Ductus durchtrennt, bei älteren Patienten, bei denen häufig ein verkalkter Ductus arteriosus vorliegt, kann unter Zuhilfenahme der Herzlungenmaschine im Kreislaufstillstand ein intraaortaler (innerhalb der Brustschlagader gelegener) Flicken eingesetzt werden. Wird ein PDA vor Eintritt von Komplikationen operiert, ist die Prognose sehr gut und die Lebenserwartung normal.