Koronare Bypasschirurgie

Die koronare Herzerkrankheit (KHK) eine der häufigsten Erkrankungen des Herz- und Kreislaufsystems und wird durch eine ‚Verengung‘ der Herzkranzgefäße verursacht. Durch diese Verengungen (Stenosen) an den Herzkranzgefäßen (Abb.1) wird die Durchblutung des nachgeschalteten Herzmuskels insbesondere unter Belastungsbedingungen beeinträchtigt.  Die KHK ist mit ihren akuten Komplikationen die häufigste Todesursache in den westlichen Ländern.

Bemerkbar macht sich eine KHK zunächst durch Einschränkungen in der Belastbarkeit oder in Form von Angina pectoris-Anfällen (Brustenge, Luftnot), allerdings können die Symptome auch vollständig fehlen. Im schlimmsten Fall kommt es als lebensbedrohliche Komplikation zum Herzinfarkt. Die Behandlung der koronaren Herzkrankheit kann medikamentös, interventionell mittels Katheter oder durch eine Bypassoperation erfolgen. Die medikamentöse Therapie sollte bei allen Patienten, unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung, erfolgen. Bei leichten Erkrankungsbildern wird das Einsetzen eines Stents mit Hilfe eines Katheters empfohlen.

Besteht eine starke Ausprägung einer koronaren Herzerkrankung, d.h. sind viele Gefäßabschnitte betroffen, wird generell eine Bypass-Operation empfehlen. Das Ziel dieser Operation ist die Überbrückung der Engstellen, so dass die Durchblutung des Herzmuskels wieder gewährleistet ist und das Risiko für einen zukünftigen Herzinfarkt reduziert wird. Das soll zur Linderung der Beschwerden führen und die Lebenserwartung der Patienten verbessern.  Die Bypass-Operation hat sich als effektive und sichere Methode bei schweren komplexen Erkrankungsfällen etabliert und ist mittlerweile eine der häufigsten Herzoperationen in Europa.

Koronare-Bypasschirurgie_Abb1 Abb. 1. Darstellung der stenosierten Kranzgefäße bei der Herzkatheter Untersuchung.

Operationsverfahren

1595_1999_3_m Abb. 2 Arterielle und venöse Bypässe.

Bypassoperationen gehören mit einer Frequenz von über 70.000 Eingriffen pro Jahr in Deutschland zu den Routineeingriffen und stellen damit die häufigste Operation am Herzen dar. Hierbei wird die Durchblutung des Herzens durch Anlage eines Umgehungskreislaufs zur Überbrückung einer Engstelle (Stenose) der Herzkranzgefäße wiederhergestellt. Für diese Überbrückung werden Blutgefäße aus einer anderen Stelle des Körpers entnommen. Hierbei kommen vorwiegend Schlagadern im Brustkorb (sog. Brustwandarterien oder Arteria mammaria) oder Venen im Bein zur Anwendung. In seltenen Fällen werden Schlagadern aus den Unterarmen entnommen. (Abb.2). Die entnommenen Gefäße werden dann an die Herzkranzgefäße angeschlossen, und zwar hinter der verengten Stelle, um die Durchblutung der Herzmuskulatur zu sichern.

Konventionelle Bypasschirurgie

Das Standardverfahren ist die Bypass-Operation unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine : bei diesem Verfahren wird die Funktion des eigenen Herzens und der Lunge mit Hilfe der Herz-Lungen-Maschine ersetzt, welches es uns ermöglicht, dass Herz stillzulegen, um die Bypässe am ruhenden Herzen zu nähen.

Minimal-invasive Bypasschirurgie (OPCAB)

Die Bypass-Operation kann auch ohne den Einsatz der Herz-Lungen-Maschine erfolgen. Bei diesem Verfahren, welches als OPCAB (Engl: off pump coronary artery bypass) bezeichnet wird, wird das Herz nicht stillgelegt, so dass die Bypässe am schlagenden Herzen genäht werden.

Die Bypass-Operation ohne den Einsatz der Herz-Lungen-Maschine hat mehrere Vorteile für den Patienten: Der entscheidende Vorteil der OPCAB-Operation besteht darin, dass man die Hauptschlagader (Aorta), die bei älteren Patienten öfters verkalkt sein kann und eine der Hauptquellen für Schlaganfälle ist, nicht manipulieren muss. Hier hat sich in zahlreichen Studien gezeigt, dass bei dieser Methode weniger Schlaganfälle entstehen. Besonders profitieren davon Patienten in fortgeschrittenem Alter und Patienten mit multifokaler Arteriosklerose.

Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass bei der Operation ohne Herz-Lungen-Maschine das Blut des Patienten nicht durch die HLM geschädigt wird. Dadurch werden die inneren Organe, wie etwa Lunge, Niere oder Leber geschont, so dass Organschäden vermieden werden. Weiter konnte gezeigt werden, dass die Blutgerinnung bei der Operation ohne HLM weniger beeinträchtigt wird, und somit der Blutverlust niedriger ist und damit die Notwendigkeit für eine Transfusion von Fremdblut seltener ist.

Insgesamt ist der Eingriff ohne Herz-Lungen-Maschine schonender für den Patienten, bietet weniger Komplikationen und erlaubt eine schnellere Mobilisierung. Auf Grund dessen wird in unserer Klinik angestrebt, möglichst jeden Patienten ohne Herz-Lungen-Maschine zu operieren. Die Operation ohne HLM, am schlagenden Herzen ist ein neueres minimalinvasives Verfahren zur operativen Behandlung der koronaren Herzerkrankung.

Koronare-Bypasschirurgie_Abb3 Abb. 3. Schematische Darstellung von OPCAB mit Octopus® Gewebestabilisator und Starfish® Herzpositionierer Fa.Medtronic.

Hierbei bedeutet der Begriff "minimal-invasive" Bypassoperation den Verzicht auf die Herzlungenmaschine. Dieses Verfahren wird als OPCAB (off-pump coronary artery bypass) bezeichnet, wenn der Brustkorb median (in der Mitte) und als MIDCAB bezeichnet, wenn der Brustkorb an der linken Seite (Hautschnitt circa  6 cm. lang) eröffnet wird. Gerade bei der MIDCAB-Operation ist das kosmetische Ergebnis vom Vorteil. Generell kann bei der OPCAB-Operation das gesamte Koronarsystem mit Bypässen versorgt werden.

Während der Operation schlägt das Herz weiter und die Herzbereiche mit den jeweiligen Herz-Kranzgefäßen werden mittels eines so genanntes Gewebe-Stabilisators fixiert (Abb.3). Dadurch sind alle betroffenen Kranzgefäße des Herzens zugänglich und eine Durchführung der Revaskularisation des Herzens ist unproblematisch möglich.

Im englischsprachigen Raum ist der Begriff auch als OPCAB bekannt (Off Pump Coronary Artery Bypass).

Vorteile

Die Koronarbypass Operation ohne   Herz-Lungen-Maschine (HLM) bietet verschiedene Vorteile für die Patienten.

Die seltenen unspezifischen Reaktionen des Immunsystems, bei Operationen mit Herz-Lungen-Maschine durch Kontakt des Blutes mit fremder Oberfläche der HLM, bleiben bei „Off Pump“ Chirurgie entsprechend aus.  Studien konnten zeigen, dass ein akutes postoperatives Nierenversagen deutlich weniger bei Patienten beobachtet wird, die im „Off Pump“ Verfahren operiert wurden. Außerdem werden die Blutzellen bei Operationen ohne Herz-Lungen Maschine weniger beschädigt, so dass der intraoperative Blutverlust mit nachfolgender Transfusion von Fremdblut geringer ausfällt. Bei Patienten im hohen Lebensalter wird durch die Anwendung der HLM besonders das Immun- und Gerinnungssystem beeinträchtigt. Dies geht mit einem konsekutivem Risikoanstieg bezüglich Lungenentzündung und Wundheilungsstörungen einher, so dass diese Gruppe von Patienten besonders profitiert.

Koronare-Bypasschirurgie_Abb4 Abb. 4. Proximales Versiegelungssystem Heartstring III zur Erstellung der Anastomose mit der Aorta in minimalinvasiver „No-Touch“ Technik. Fa. Maquet.

Das Fertigen proximaler und distaler Gefäßanastomosen in der Bypasschirurgie mittels konventioneller Nahttechnik zählt zum Goldstandard in der Herzchirurgie. Das Durchführen der proximalen Anastomosen von venösen bzw. arteriellen Grafts erfordert jedoch das tangentielle Ausklemmen der Aorta ascendens mit dem Risiko zerebraler Komplikationen (Schlaganfall). Ein wichtiger Aspekt in der minimalinvasiven Koronarchirurgie ist die Vermeidung von Manipulationen an der Hauptschlagader (Aorta) um das Risiko schwerwiegender neurologischer Komplikationen (1-3 % bei konventionellen Bypassoperationen mit EKZ) zu minimieren. Dies wurde u.a. durch Einführung von automatisierten Anastomosen-Geräten möglich. In unserer Klinik werden Manipulationen an der Hauptschlagader im Rahmen der OFF PUMP Chirurgie in fast 100% der Operationen vermieden (Abb. 4). Die Einführung der sogenannten „No-touch“-Technik an der Hauptschlagader führte zu weiterer Reduktion von neurologischen Komplikationen.

Klinisch ermöglicht die Anwendung von minimalinvasiven „Off Pump“ Verfahren den Patienten nach Myokardrevaskularisation schneller zu mobilisieren, was den  stationären Aufenthalt und die Regenerationsphase verkürzt.

Auf Grund der erläuterten zahlreichen Vorteile, werden in der Klinik für Herzchirurgie des Universitären Herzzentrums Lübeck die Patienten routinemäßig mit dem OPCAB Verfahren operiert, welches bei fast allen Patienten möglich ist. 

MID-CAB Chirurgie

Sind nur bestimmte Gefäßabschnitte betroffen, kann die Bypass-Operation über einen kleinen Hautschnitt im Bereich der linken Brustwand erfolgen, so dass das Brustbein komplett intakt bleibt. Durch die Rippen hindurch kann das das Herz dargestellt werden, um die Bypässe anzulegen. Auch dieser Eingriff erfolgt ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine und wird als MIDCAB (Engl.: Minimally invasive direct coronary artery bypass) bezeichnet.

Die Vorteile von MID CAB Operation sind es:

  • Verzicht auf die Anwendung von Herzlungenmaschine und Fehlen von HLM assoziierten Komplikationen;

  • Kurzer postoperativer Aufenthalt und schnellere Rehabilitation;

  • Wenig ausgeprägter postoperativer Schmerzsyndrom;

  • Wenig postoperativer Transfusionsbedarf und geringes Risiko von postoperativen Wundheilungsstörungen;

  • Möglichkeit wieder sportaktiv zu werden nach einer kurzen Zeit und hervorragendes kosmetisches Ergebnis;

Komplett arterielle Versorgung

Wie oben beschrieben, kommen als Bypass-Material Arterien (Schlagadern) und Venen in Frage. Beide Gefäßarten erzielen exzellente Langzeit-Ergebnisse, jedoch haben Schlagadern grundsätzlich eine längere Haltbarkeit. Daher wird bei jungen Patienten möglichst eine sog. „total arterielle Revaskularisation“, also eine vollständige Versorgung der Herzkranzgefäße mit Schlagadern, angestrebt. Hierfür werden in den meisten Fällen beide Brustwandarterien verwendet. Falls dies nicht ausreicht, kann zusätzlich eine Schlagader aus dem Unterarm verwendet werden. Der Nachteil dieser Methode ist, dass Durch Verwendung beider Brustwandarterien die Durchblutung des Brustbeins nach der Operation beeinträchtigt sein kann, und so das Risiko für eine schlechte Wundheilung steigt. Bei Patienten, die eine Neigung zu einer schlechten Wundheilung haben, z. B. Patienten mit Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), ist dieses Verfahren daher weniger geeignet.

Minimal-invasive Gefäßentnahme

Die Entnahme der Brustwandarterie erfordert keinen zusätzlichen Schnitt, da diese durch den ohnehin notwendigen Schnitt erfolgt. Die Entnahme von Venen aus dem Bein oder einer Schlagader aus dem Unterarm hingegen ist ein weiterer Schnitt notwendig. Hier kann die Entnahme des Gefäßes über einen herkömmlichen Hautschnitt erfolgen. Dabei wird der Hautschnitt über die gesamte Länge des zu entnehmenden Gefäßes gesetzt. Alternativ dazu bietet sich heutzutage die Möglichkeit, die Gefäße über wenige, kleine Schnitte mit Hilfe einer Kamera (Endoskop) zu entnehmen (sog. minimal-invasive Gefäßentnahme). Die kosmetischen Ergebnisse bei dieser Methode sind sehr gut.

Erfolgsaussichten

Die Bypass-Operation kann heutzutage auf einem sehr hohen Sicherheitsniveau erfolgen. Die Sterblichkeit dieser Operation kann sich je nach Begleiterkrankungen des Patienten teilweise erheblich unterscheiden, liegt im Durchschnitt jedoch bei ca. 1%. Die Aussichten, dass sich die Symptomatik und die Lebenserwartung verbessern, sind sehr gut. Es kann jedoch sein, dass die Erkrankung auch nach erfolgreicher Operation weiter fortschreitet, und in Zukunft ein Folge-Eingriff notwendig wird. Um dies zu vermeiden, ist es wichtig, dass die Patienten stringent die Medikamente einnehmen, die ein Fortschritt der Erkrankung verlangsamen. Zusätzlich ist es wichtig, dass Nebenerkrankungen wie z. B. ein Bluthochdruck oder eine Zuckerkrankheit bestmöglich eingestellt werden. Genauso wichtig ist ein Lebensstil mit körperlicher Aktivität und einer gesunden Ernährung.

Perspektiven in der koronaren Bypasschirurgie

Der derzeitige Trend in der koronaren Bypasschirurgie geht sicherlich in Richtung der kompletten arteriellen Versorgung der Koronargefäße, da gerade bei jüngeren Patienten die Offenheitsraten der arteriellen Grafts höher sind, als die der venösen Grafts. Ein weiterer Trend ist die Minimalinvasive  Bypass Chirurgie, da das Risiko bei der minimal-invasiven Revaskularisation ohne Herz-Lungen Maschine unter Verwendung der so genannten „No-touch“  Technik (keine Manipulationen an dem Hauptschlagader) derzeit unter 1% liegt.