Radiojodtherapie

Was versteht man unter einer Radiojodtherapie?

Die Radiojodtherapie ist eine weltweit etablierte und seit Mitte des letzten Jahrhunderts durchgeführte nuklearmedizinische Therapieform zur Therapie behandlungswürdiger Schilddrüsenfunktionsstörungen beispielsweise auf dem Boden einer Schilddrüsenautonomie oder einer Autoimmunthyreopathie vom Typ Morbus Basedow.

Darüber hinaus ist sie fester Bestandteil in der Therapie und Nachsorge bei bestimmten Formen des Schilddrüsenkrebses. Des Weiteren eignet sich die Radiojodtherapie zur Verkleinerung der Schilddrüse bei einer Schilddrüsenvergrößerung (sog. Struma) oder wenn ein operatives Vorgehen aufgrund von Begleiterkrankungen mit einem erhöhtem Narkose- bzw. Operationsrisiko verbunden ist.

Therapeutisch verwendet wird das radioaktive Jodisotop Jod-131 mit einer Halbwertzeit von ca. 8 Tagen. Dabei wird therapeutisch die überwiegende Beta-Strahlung und die Tatsache, dass Jod (auch das radioaktive Jod-131) im menschlichen Körper im wesentlichen ausschließlich in den Schilddrüsenzellen (sog. Thyreozyten) gespeichert wird, ausgenutzt.

In Deutschland bestehen mit der in der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) und in der Richtlinie „Strahlenschutz in der Medizin“ bzgl. der Durchführung einer Radiojodtherapie geregelten Vorschriften zum Umgang mit diagnostisch / therapeutisch genutzten radioaktiven Substanzen, besondere gesetzliche Vorschriften. Diese Vorschriften regeln auch die min. 48 stündige Isolation nach Einnahme einer Radiojod-Therapiekapsel in speziellen Zimmern auf unserer Therapiestation.

Der stationäre Aufenthalt - ca. 3 - 7 Tage (selten länger) - hängt dabei von der Höhe der gegebenen Aktivität der Therapiekapsel, der Speicherung in der Schilddrüse bzw. Schilddrüsenrestgewebe, dem natürlichen physikalischem Zerfall und der Ausscheidung der aufgenommenen Aktivitätsmenge durch den Körper ab. Es werden Aktivitäten von 400 - 3000 MBq, selten 6000 MBq (=Mega Bequerel, physikalische Einheit der radioaktiven Aktivität) Jod-131 verabreicht.

Was bietet Ihnen die Therapiestation in der Klinik für Nuklearmedizin?

Die Therapiestation der Klinik für Nuklearmedizin befindet sich im 2. Stock des Karl-Lennert-Krebscentrums (Haus 50, direkt an der Feldstraße 21) auf dem Campus Kiel des UKSH. Unsere Station verfügt über acht Betten (4 Einzelzimmer und 2 Doppelzimmer).

Der gesamte Stationsbereich ist entsprechend den o. g. gesetzlichen Vorschriften ein sog. Kontrollbereich, in dem außer den Patienten nur speziell strahlenschutzrechtlich unterwiesenes Pflegepersonal die Patientenbetreuung gewährleistet. Die Betreuung der Patienten erfolgt rund um die Uhr durch ein engagiertes und kompetentes 10-köpfiges Pflegeteam.

Die Anamnese-Erhebung sowie die körperliche Untersuchung am Aufnahmetag und die eigentliche Therapiekapselgabe mit Befundbesprechung am Entlassungstag werden durch den zuständigen Stationsarzt durchgeführt. Neben den täglichen Visiten erfolgt eine Visite am Wochenende durch den diensthabenden Visiten-Arzt. Aus Gründen des Strahlenschutzes wird das Pflegepersonal sowie der Stationsarzt während der Dauer des stationären Aufenthaltes stets Abstand von Ihnen halten und die Gesprächszeit auf ein Minimum reduzieren.

Im Rahmen der täglichen Visiten wird mittels Dosimeter-Messung die von Ihnen ausgehende Dosisleistung bestimmt. In Abhängigkeit von dem Verlauf der ermittelten Messwerte erfolgt dann auch die Entlassung, die Ihnen rechtzeitig angekündigt wird, damit Sie Ihre Abholung bzw. die Heimfahrt problemlos organisieren können. Persönliche Gegenstände wie Bücher und Schreibzeug sowie Handarbeitsutensilien, Puzzles oder Notebooks dürfen mitgebracht werden. Diese werden nicht „verstrahlt“.

Ferner besteht die Möglichkeit eine Telefonkarte gegen eine Gebühr von min. 20 € freizuschalten. Mit dieser Karte können Sie dann auch Fernsehen und Radio hören.

Bitte bringen sie alle Medikamente (bzw. entsprechende Arzneimittel-Beipackzettel), die Sie sonst gewöhnlich regelmäßig einnehmen müssen zur stationären Aufnahme mit, da möglicherweise nicht alle Medikamente auf der Station sofort zur Verfügung stehen.

Welche Risiken und Nebenwirkungen bestehen während und nach der Radiojodtherapie?

Aufgrund der biologischen Eigenschaften von stabilem, nicht radioaktivem Jod und der physikalischen Besonderheiten von „heißem“, also radioaktivem Jod-131 besteht bei der Radiojodtherapie eine nur geringe Strahlenexposition der Organe, die kein Radiojod aufnehmen. Im Rahmen großangelegter Studien z. B. durch Per Hall 1992 (The Lancet Vol. 340, 07/1992) mit über 45.000 Patienten und Elaine Ron 1998 (JAMA 1998, 347-55) mit über 35.000 Patienten zeigte sich keine erhöhte Krebsmortalität bei mit radioaktivem Jod behandelten Patienten. Selten kommt es zu akuten Nebenwirkungen:

Naturgemäß entsteht mit Anreicherung von Jod-131 im Schilddrüsengewebe eine sog. radiogene Entzündung, die im Verlauf von 2 bis 5 Tagen nach Einnahme der Therapiekapsel auftreten kann und in der Regel meist symptomlos verläuft.

In seltenen Fällen können in Abhängigkeit der zugrunde liegenden Schilddrüsen-Erkrankung Lokalbeschwerden im vorderen Halsbereich (z. B. ein Druckgefühl oder Halsschmerzen) sowie deutlich seltener Ohrenschmerzen auftreten.

Darüber hinaus sind andersartige, gravierende Langzeitauswirkungen insgesamt sehr selten. Ggf. kommt es in Abhängigkeit von der verabreichten Aktivität der Therapiekapsel zu einer möglichen Verringerung der Tränen- bzw. Speichelsektretion mit entsprechender Augen- bzw. Mundtrockenheit.

Abschließend ist noch die seltene Nebenwirkung der sog. Autoimmunstimulation mit Entwicklung einer sekundären, d. h. nachfolgenden Autoimmunerkrankung der Schilddrüse nach Radiojodtherapie aufgrund einer Schilddrüsenautonomie einige Wochen nach der eigentlichen Radiojodtherapie zu erwähnen, welche dann, je nach Patientenwunsch, mit einer zweiten Radiojodtherapie behandelt werden kann.

Sicherheitshalber empfehlen wir Patienten die konsequente Durchführung von Verhütungsmaßnahmen für min. 6 Monate, Frauen im gebärfähigem Alter sollten eine Kontrazeption von min. 6 Monaten einhalten. Im Falle einer bestehenden Schwangerschaft oder bei zeitnahem Kinderwunsch nach der Radiojodtherapie ist die Radiojodtherapie kontraindiziert.

Wie ist der Ablauf Radiojodtherapie?

1. Tag - Aufnahmetag
Stationäre Aufnahme (ab ca. 10:00 Uhr) mit körperlicher Untersuchung und Blutentnahme sowie Kontrolle der Befund-Unterlagen auf Vollständigkeit. Die Kapselapplikation erfolgt nach Kontrolle der Schilddrüsen-Laborparameter zwischen 14:00 bis 16:00 Uhr.

Stationäre Folgetage und Entlassungstag
Im Rahmen der morgendlichen Visiten mit Überprüfung des Befindens unter der Radiojodtherapie wird einmal täglich durch den Stationsarzt die Dosisleistung mittels Dosimeter in einem Abstand von 2 m bestimmt. Die Patienten werden zur Dokumentation der Radiojod-Aufnahme in die Schilddrüse durch das Pflegepersonal am sog. Uptake-Messplatz eingewiesen. Die Messung führen die Patienten an den Folgetagen selbstständig durch, natürlich hilft das Pflegepersonal bei evtl. Schwierigkeiten.

Am Entlassungstag werden in der diagnostischen Abteilung im 2. Untergeschoss sog. Ganzkörper- und Detailszintigraphie durchgeführt. Diese werden durch den Stationsarzt mit Ihnen besprochen.

Im Entlassungsgespräch mit dem Stationsarzt bzw. im Entlassungsbrief werden die entsprechenden Wiedervorstellungstermine vereinbart sowie das weitere Vorgehen bezüglich des Verhaltens nach der Radiojodtherapie, auch entsprechend den geltenden Strahlenschutzaspekten und einer möglichen Schilddrüsen-Medikamenteneinnahme besprochen.

Ansprechpartner

PD Dr. Ulf Lützen, MaHM

Direktor, Facharzt für Diag. Radiologie und Nuklearmedizin, Arzt für Palliativmedizin, Master of Hospital Management
Tel.: 0431 500-16800