Kindliche Harninkontinenz und Enuresis (Einnässen)

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Viele Eltern kennen die Situation: Morgens ist das Bett des Kindes nass und die Schuldgefühle auf beiden Seiten sind groß. Strafen und Schuldzuweisungen helfen hier nicht weiter, wichtig sind Geduld, Zuwendung und das Vermitteln von Selbstvertrauen.

Egal ob Kinder tagsüber oder nachts einnässen: Kindliche Harninkontinenz und Enuresis sind immer noch Tabuthemen, obwohl in Deutschland über 600.000 Kinder betroffen sind.

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Nach den Allergien ist Einnässen die zweithäufigste Gesundheitsstörung im Kindesalter. Etwa 15 Prozent der Fünf- und Sechsjährigen und noch jeder zehnte Siebenjährige sind davon betroffen. Statistisch gesehen sitzen in jeder ersten Schulklasse rund drei bis vier Kinder, die nachts einnässen.

Interdisziplinäre Therapien

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Im Rahmen des in unserer Klinik etablierten Kontinenz-Zentrums werden auch für die jüngsten Patienten alle klinisch- und wissenschaftlich erprobten Behandlungsmethoden angeboten. Darüber hinaus sind in der Kinderurologie pädiatrische Nephrologie, Kinderradiologie und die Nuklearmedizin miteinander vernetzt. In der wöchentlichen kinderurologischen Sprechstunde gehen Ärzte individuell auf die Ängste, Bedürfnisse und Fragen der jungen Patienten ein. Spezielle Fälle werden zusätzlich einmal in der Woche interdisziplinär besprochen.

Inkontinenzformen bei Kindern

Wenn es um kindliches Einnässen geht, unterscheidet man grundsätzlich zwei verschiedene Formen: Enuresis und kindliche Harninkontinenz.

Unter Enuresis versteht man Einnässen mindestens zweimal pro Monat und ausschließlich im Schlaf bei Kindern, die älter als fünf Jahre sind. Das Kind zeigt tagsüber keine Symptome und leidet nicht an Harnwegsinfektionen.

Unter kindlicher Harninkontinenz versteht man jeglichen unwillkürlichen Urinverlust, der mit einer kombinierten oder alleinigen Symptomatik am Tag einhergeht, wie

  • häufiges Wasserlassen in kleinen Mengen

  • erschwerte und/ oder schmerzhafte Harnentleerung

  • Harnwegsinfektionen.

Basisdiagnostik zur Abklärung der Inkontinenzform

Mit einer einfachen Basisdiagnostik wird zunächst zwischen kindlicher Harninkontinenz und Enuresis unterschieden.

1. Anamnese (Erhebung der Krankengeschichte)

Zuerst werden die Blasenentleerungsgewohnheiten des Kindes und ihre Auffälligkeiten ermittelt. Dabei spielen folgende Fragen eine Rolle:

  • Wann nässt das Kind ein?

  • Wie oft nässt es ein?

  • Ist der Harndrang ununterdrückbar?

  • Ist er unterbrochen oder stotternd?

  • Wie groß sind die einzelnen Harnmengen?

  • Wie ist das Stuhlverhalten?

2. Miktionstagebuch

Im Miktionstagebuch "Kieler Pipi-Protokoll" KIPI protokollieren Eltern und Kinder mindestens 3 Tage lang das Trinkverhalten, das Wasserlassen mit Bestimmung der Harnmenge sowie das Einnässen.

Download KIPI zum Ausdrucken

3. Körperliche Untersuchung

Bei der körperlichen Untersuchung wird verständnisvoll auf das Kind eingegangen.

4. Urinuntersuchung

Sie dient dazu, Harnwegsinfektionen auszuschließen bzw. zu diagnostizieren.

5. Ultraschalluntersuchung der Nieren und der Blase

Sie soll krankhafte Veränderungen der harnbildenden und -ableitenden Organe ausschließen bzw. diagnostizieren.

Weiterführende Diagnostik

Die Harnstrahlmessung erfolgt durch normales Wasserlassen auf einer Spezialtoilette. Die Untersuchung ist zeitaufwändig, weil sie mitunter mehrfach durchgeführt werden muss. Danach wird auch der Restharn bestimmt.

Harnstrahlmessung mit gleichzeitiger Aufzeichnung der Beckenboden-Aktivität (Flow-EMG): Diese Untersuchung zeigt, ob ein unwillkürliches Kneifen des Beckenbodens beim Wasserlassen vorliegt. Das Wasserlassen ist dann oft stotternd und unterbrochen und die Blase wird nicht vollständig entleert.

Für die weiterführende Diagnostik sind jedoch manchmal auch invasive Maßnahmen notwendig.

Behandlungsmethoden

1. Urotherapie

  • Toilettentraining mit Wasserlassen nach der Uhr

  • Hygieneregeln (wie beuge ich Infektionen vor?)

  • selbstständiges Protokollieren des Wasserlassens und Einnässens

  • Regulation der Trinkgewohnheiten (Einteilung der Trinkmengen während des Tages)

Diese einfachen Verhaltensmaßnahmen können in vielen Fällen bereits zum Erfolg führen oder eine deutliche Besserung bewirken.

2. Medikamente

  • Blasenentspannende Medikamente

  • Antibiotika zur Infekttherapie oder Infektprophylaxe

  • Tabletten zur Besserung des Bettnässens

In vielen Fällen ergänzen Medikamente die Basismaßnahmen der Urotherapie. Die Medikamente werden so kurz wie möglich gegeben, jedoch ist häufig eine Therapie über einige Wochen bis Monate notwendig.

3. Biofeedback

Kinder, die unter einer unkoordinierten Blasenentleerung mit „Kneifen“ des Beckenbodens beim Wasserlassen leiden, müssen die natürliche und entspannte Entleerung (wieder) erlernen. Nach ausführlicher Anleitung in der Klinik trainieren die jungen Patienten täglich mit einem Heimgerät zu Hause.

4. Alarmtherapie (Klingelhose)

Diese Therapie wird bei Kindern eingesetzt, die ausschließlich nachts einnässen. Ein Feuchtigkeitsfühler wird an der Unterhose befestigt. Wenn das Kind nachts einnässt, ertönt ein Alarmsignal. Das Kind wird geweckt und soll so mit der Zeit lernen, den Harndrang rechtzeitig zu spüren und aufzuwachen. Für den Erfolg ist es wichtig, dass Kind und Eltern motiviert sind mitzumachen, da die Nächte anstrengend werden können.