Zwei Jahren Pandemie: Spitzenmedizin und Teamgeist
Das UKSH ist der Dreh- und Angelpunkt der medizinischen Pandemiebekämpfung in Schleswig-Holstein. Trotz aller Herausforderungen ist das Klinikum als Rückgrat der stationären Krankenversorgung in den ersten beiden Jahren der Pandemie nicht einen Tag vom Netz gegangen. Hilfreich war dabei die neue Architektur und moderne digitale Infrastruktur der gerade erst eröffneten zentralen Klinikgebäude in Kiel und Lübeck. Die Arbeit auf den Stationen erforderte einen hohen persönlichen Einsatz aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie haben eine enorme Bereitschaft, Motivation und Flexibilität gezeigt, die Belastungen der Pandemie zu meistern.
Wirksame Wege gegen die Pandemie
Am 17.3.2020 meldete das UKSH seinen ersten Covid-19-Fall. In wenigen Wochen danach wurden die Intensivbetten auf 406 und die Kapazitäten in der Diagnostik auf 1.400 Tests pro Tag verdoppelt. Zur Versorgung intensivpflichtiger Patientinnen und Patienten mit schwerer Symptomatik wurde ein Stufenkonzept vorgehalten, das die schrittweise Belegung von Intensiveinheiten an beiden Standorten steuert. So wurde die optimale Nutzung der Ressourcen sichergestellt. Alle Intensivplätze verfügen über die Möglichkeit zur Beatmung. Ausbildungskonzepte wurden umgesetzt und eine Vielzahl an Forschungsprojekten aufgesetzt. In den vom Vorstand geleiteten Task-Force-Meetings wurden in zwei Jahren Pandemie unzählige Standardvorgehensweisen erarbeitet und die sich ständig ändernden gesetzlichen Vorgaben an die Klinikrealität angepasst. In kürzester Zeit entwickelte das UKSH die Möglichkeit der Routinesequenzierungen des Coronavirus. Andere Krankenhäuser wurden in der Intensivmedizin und der Medikamentenversorgung unterstützt, die Politik beraten und etliche Forschungsvorhaben initiiert oder begleitet. Von März 2020 und März 2022 wurden 3.633 Covid-19-Patientinnen und -Patienten versorgt, 675.042 PCR-Tests und Antigen-Schnelltests durchgeführt und 58.568 Impfdosen verabreicht. Als einziger Maximalversorger des nördlichsten Bundeslandes übernahm das UKSH die Rolle als „Fels in der Brandung“.
Freiwillige folgten Aufruf um Unterstützung
Viele Freiwillige folgten dem Aufruf des UKSH um Unterstützung, insbesondere Pflegekräfte, die nicht im Beruf arbeiteten sowie Ärztinnen und Ärzte im Ruhestand. Aber auch Studierende der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Universität zu Lübeck. Das UKSH ist beiden Universitäten und den Fachschaften sehr dankbar für dieses starke Zeichen der Solidarität. Die freiwilligen Helferinnen und Helfer wurden vielfältig eingesetzt, unter anderem zur Unterstützung der Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte auf den Intensiv- und Normalpflegestationen, für Servicetätigkeiten, in den Triage- und Abstrichambulanzen, in den Impfzentren, im Labor und in der Diagnostik, Logistik und Versorgung. 850 Frauen und Männer haben wir eingestellt.
Zielgerichtete Kommunikation in der Pandemie
Ein wesentliches Instrument im Pandemiegeschehen ist eine funktionierende Kommunikation. Das UKSH hat vom ersten Moment an sämtliche Kommunikationskanäle bespielt. Regelmäßig tagt die Corona-Task-Force des UKSH, in der ein Expertengremium unter Leitung des Vorstands die wichtigsten Erkenntnisse bewertet und Entscheidungen trifft, die umgesetzt und kommuniziert werden müssen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden je nach Lage täglich über die aktuelle Situation und Verhaltensregeln informiert. Auf der Internetseite des UKSH werden Informationen zu Corona für Besuchende, Patientinnen und Patienten zusammengestellt und laufend aktualisiert – von aktuellen Besuchsregelungen bis hin zur Entscheidungshilfe zur Corona-Schutzimpfung.
Europäische und nationale Solidarität
Das UKSH zeigt gelebte Solidarität und hat beatmungspflichtige Patientinnen und Patienten aus anderen Bundesländern und dem Ausland behandelt, die aufgrund der Überlastung der Kliniken in ihren Heimatregionen nicht mehr versorgt werden konnten: 2020 zunächst Menschen aus Frankreich, 2021 auf dem Höhepunkt der Delta-Welle dann Betroffene aus Bayern, Sachsen und Rumänien. Auf nationaler Ebene hat das Institut für Rettungs- und Notfallmedizin des UKSH maßgeblich am Kleeblatt-Konzept zur strategischen Verlegung von Corona-Patienten innerhalb Deutschlands mitgearbeitet.
Zwischen Krisen- und Normalmodus
Stets war es das Ziel, schnellere Wege der Versorgung des sich rasch verschlechternden Zustandes der Patientinnen und Patienten zu finden. Dabei wurden Konzepte für eine völlig unabsehbare Inzidenz-Entwicklung erarbeitet und flexibel zwischen Krisen- und Normalmodus jongliert. Dieser Krisenmodus war in manchen Bereichen ein Katalysator für bereits Geplantes, um die Abläufe effizienter zu gestalten. Die gebotene Geschwindigkeit hat bei klinischen Prozessen einen effizienten Pragmatismus zutage gefördert. Beispielsweise konnten externe Patientenverlegungen im Sinne eines echten Versorgungsauftrages sehr schnell realisiert werden. Viele Diskussionen, die zuvor von Konkurrenz geprägt waren, hatten Aspekte eines Qualitätszirkels, in dem offen berichtet und von den Erfahrungen anderer gelernt werden konnte.
Einkauf und Apotheke sichern Ausrüstung
Limitierender Faktor war über weite Strecken auch das Material. Der anfängliche Zusammenbruch der Lieferketten von persönlicher Schutzausrüstung, Desinfektionsmitteln, medizintechnischem Verbrauchsmaterial und Medikamenten hat zu noch weiter vorausschauenden Strategien des Einkaufs und der Lagerhaltung geführt. Das Teamwork zwischen Einkauf, Hygiene und Arbeitssicherheit funktionierte, sodass bis dahin unbekannte Anbieter und Produkte in kürzester Zeit auf Qualität geprüft werden konnten. Als eine von bundesweit sechs Krankenhausapotheken hat die Apotheke des UKSH den Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums bekommen, Midazolam herzustellen und andere Krankenhäuser damit zu versorgen. 4.000 Flaschen Midazolam-Injektionslösung wurden für die Intensivmedizin produziert.
Gleichzeitig hat das UKSH als Zentralapotheke des Bundeslandes die Schnittstelle zum Paul-Ehrlich-Institut, Bundesgesundheitsministerium und Landesgesundheitsministerium gebildet und die Aufsicht für Belieferung und Verteilung von Antikörpern, Therapiemedikamenten, Impfstoffen und Testmaterialien übernommen. 5.000 Therapiedosen von Covid-19-Medikamenten wurden regional verteilt, davon 2.000 im UKSH. Nebenbei hat das Team der Apotheke noch mehr als 20.000 Liter Desinfektionsmittel hergestellt, abgefasst und Schulen, Gerichten und anderen öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt.
Schutz vor Infektionen oberstes Gebot
Das UKSH setzte von Anfang an auf ausgefeilte Hygienekonzepte, damit die Aufnahme von Corona-Patientinnen und -Patienten andere Kranke in den Kliniken nicht gefährdet. Zum Teil waren die Maßnahmen sogar schärfer, als vom RKI empfohlen. Alle stationären Patientinnen und Patienten werden vor ihrem Aufenthalt im UKSH auf Covid-19 getestet. Covid-19-Stationen sind streng von anderen Bereichen der Krankenversorgung getrennt. Es herrschte zeitweise ein grundsätzliches Besuchsverbot. In allen Gebäuden des UKSH besteht eine Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes – ohne Ausnahme. Alle diese Maßnahmen führten zu einer erheblichen Eindämmung des sonst üblichen saisonalen Ausbruchsgeschehens aufgrund klassischer Erreger und Infektionskrankheiten. Und: das UKSH musste im Gegensatz zu vielen anderen Krankenhäusern nicht einen Tag vom Netz gehen.
IT-Infrastruktur reduziert Infektionsrisiken
Die IT des UKSH hat nicht nur Laptops und Headsets für Homeoffice und Videokonferenzen gekauft, sondern digitale Systeme bereitgestellt, die überflüssigen Patienten- und Mitarbeiterkontakte maximal reduzieren. Ergebnis ist das Onboarding-Portal „Mein UKSH“ für den Vorabend-Check-In mit Fragebögen, Eigen-Anamnesen und Selbstauskünften. Aktuelle Besuchsregeln- und Zutrittsbuchungen funktionieren per Navigations-App. Vom Self-CheckIn-Terminal am Haupteingang des UKSH geht es dann per digitalem Aufrufsystem hygienisch in die Ambulanz oder Klinik. Als einer der wichtigsten Aus- und Fortbildungsbetriebe hat das UKSH auf E-Learning umgestellt. Die UKSH-Akademie und das Institut für Rettungs- und Notfallmedizin entwickelten Online-Seminare und virtuelle Simulationstrainings. Angeboten werden auch Videosprechstunden und Apps gegen Schmerzen und Höhenangst. Das UKSH Gesundheitsforum, das jährlich mehr als 10.000 interessierte Bürgerinnen und Bürger erreicht, hat sich als Fernsehstudio neu erfunden – mit dem Ergebnis, dass das UKSH jetzt nicht mehr nur regional, sondern bundesweit wahrgenommen wird.
Impfungen und Testzentren
Ende 2020 richtete das UKSH an beiden Standorten Impfzentren für die Beschäftigten ein. Begleitend klärte eine interne Informationskampagne über die Notwendigkeit der Impfung auf. Am 29.12.2020 wurden die ersten 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geimpft. Höchste Priorität hatten unter anderem die Beschäftigten in den Notaufnahmen, auf den Intensivstationen und in den Bereichen, in denen für eine Infektion relevante aerosolgenerierende Tätigkeiten durchgeführt werden (wie z.B. Bronchoskopie). Die interne Verteilung des Impfstoffs und die Durchführung der Impfungen organisierte das UKSH aus eigenen Mitteln und mit Unterstützung vieler freiwilliger interner Helferinnen und Helfer. In den folgenden Wochen erhielten dann alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Möglichkeit, sich impfen zu lassen. Ab Sommer 2021 konnte das UKSH auch Familienangehörigen der Mitarbeitenden Impftermine anbieten, ab Dezember 2021 auch Impfungen für Kinder von Mitarbeitenden. Heute sind 97 Prozent aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geimpft – eine bundesweit beispielhafte Quote. Gleichzeitig richtete das UKSH an beiden Standorten effektiv arbeitende öffentliche Testzentren ein, die seitdem täglich geöffnet sind.
Lerneffekte aus der Pandemie
Nun werden die Lerneffekte aus der Pandemie in die Routine überführt. Festzustellen ist vor allem, dass die interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit am UKSH mehr denn je gelebt wird. Zu Beginn der Pandemie fehlte es vor allem an Menschen und Material. Da das Personal in der Pflege knapp ist, wurden Mitarbeitende aus den unterschiedlichsten Gesundheitsberufen und sowie Ärztinnen und Ärzte aus anderen Fachgebieten gezielt für den Einsatz auf Intensivstationen geschult. Parallel dazu sind auch neue Mitarbeitende rekrutiert worden. Das UKSH hat gelernt, mit einem bedrohlichen Ressourcenproblem umzugehen. Die Ärztinnen und Ärzte sind zusammengerückt, nicht nur aufgrund der plötzlichen Menge an Patientinnen und Patienten, sondern auch weil gelernt wurde, dass Covid-19 nicht nur eine Lungen-, sondern eine systemische Erkrankung ist, deren Therapie inhaltlich aufgrund aktualisierter Empfehlungen der verschiedenen Fachgesellschaften ständig neu angepasst werden musste.
Wir können also hoffnungsvoll ins „neue klinische Normal“ blicken, weil wir wissen, dass wir uns an widrige Bedingungen ziemlich schnell anpassen können. Während der Pandemie haben wir uns an Zustände gewöhnt, die wir kaum für möglich gehalten hätten. Unsere Stärke ist der Teamgeist. Ein unerwarteter Beitrag dazu kam direkt aus unserer Belegschaft: Unsere Pflege hat mit ihrem Video zur „Jerusalema-Challenge“ weit über zwei Millionen Clicks in den sozialen Medien erreicht und eine authentische Welle der Empathie ausgelöst.